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Ein Stein aus Bethlehem
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Ein Stein aus Bethlehem

Dr. Matthias Viertel
Ein Beitrag von Dr. Matthias Viertel, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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Ein ebenso vornehmer wie reicher Pilger aus Konstantinopel reiste im Mittelalter zusammen mit Gleichgesinnten ins Heilige Land. Sie wollten auf den Spuren ihres christlichen Glaubens wandeln. Kurz bevor die Reisegruppe Bethlehem erreichte, legte sie eine Ruhepause ein. Und zwar an einem Platz, über den der ortskundige Führer Wunderbares zu erzählen hatte.

Der Rastplatz der Heiligen Familie

Er sagte den Reisenden mit geheimnisvoller Stimme: Genau jener Fels, an den sie sich zur Erholung angelehnt hatten, sei es gewesen, an dem auch die Heilige Familie auf ihrem Weg nach Bethlehem einst Rast gemacht hätte. Josef und die hochschwangere Maria waren also hier gewesen.

Der Pilger war von dieser Geschichte sehr beeindruckt. Er fasste spontan den Plan, den ganzen Fels auszugraben und in seine Heimatstadt Konstantinopel bringen zu lassen. Er wollte auch bei sich zuhause jederzeit Ruhe finden wie damals Maria und Josef. Aber daraus wurde nichts. Der Fels ließ sich nicht ausgraben und der Transport wäre auch zu umständlich geworden. So musste sich der Pilger mit der Erinnerung begnügen.

Eine Kirche über dem Felsen

Irgendwas lässt mich schmunzeln, wenn ich solche Berichte lese. Sie spiegeln so herrlich die Frömmigkeit des Mittelalters, mit der entsprechenden Gutgläubigkeit. Etwas irritiert musste ich jetzt aber feststellen, dass Archäologen tatsächlich auf halbem Weg von Jerusalem nach Betlehem die Grundmauern einer achteckigen Kirche ausgegraben haben. Die Inschrift auf einem Stein in der Mitte der Ruine weist auf eben diesen Anlass hin: Die Kirche wurde in byzantinischer Zeit genau über jenem Felsen gebaut, auf dem Maria sich einst ausgeruht haben soll. Gut, dass der Pilger damals den Stein nicht mitgenommen hat, könnte man denken.

Erinnerungssteine

Warum ist es gläubigen Menschen überhaupt wichtig, Orte und Gegenstände zu finden, an denen sich biblische Geschichte festmachen lässt? Der Glaube ist doch immer etwas Abstraktes, was ich nicht abbilden kann und erst recht nicht einpacken und mitnehmen. Und doch sammeln viele Menschen Steine als Erinnerungsobjekte. Steine symbolisieren das Ewige, denn sie überdauern meistens ein Menschenleben. Sie kennen weder Leben noch Tod. Deshalb eignen sie sich so gut als Objekte für den Glauben, der irgendetwas in den Händen halten möchte, das Bestand hat.

Erinnerung an wundervolle Orte

Ich selbst habe eine Sammlung mit Steinen. Zum Teil habe ich sie am Strand gefunden oder in den Bergen. Einer stammt sogar aus dem Heiligen Land. Er ist weder wertvoll noch historisch. Er ist so klein, dass Maria gewiss nicht darauf geruht hat, und auch Jesus hatte ihn bestimmt nicht in der Hand. Aber für mich birgt der Stein die Erinnerung an den wundervollen Ort, an dem ich ihn gefunden habe. Jedes Mal, wenn ich ihn in die Hand nehme, denke ich daran. Der Glaube kann solche Steine zum Festhalten und Anfassen gut brauchen.

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