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Das Bild im Fotoalbum
Bild: southtree_pixabay

Das Bild im Fotoalbum

Alexander Matschak
Ein Beitrag von Alexander Matschak, Medienkoordinator des Bistums Mainz
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(Autor: Alexander Matschak / Sprecherin: Beate Hirt)

Vor wenigen Wochen haben wir den 100. Geburtstag meines Großvaters gefeiert. Nun, er selbst war nicht dabei, er ist leider bereits 1988 verstorben. Aber: Wir wollten uns gemeinsam an ihn erinnern. Seine Kinder waren da, die Enkel, die Urenkel. Und wie das bei solchen Anlässen halt so ist: Man schwelgt in Erinnerungen. Alte Geschichten werden erzählt. Fotos herumgereicht. In Fotoalben geblättert. Und in einem Fotoalbum gab es Aufnahmen, die ich nicht kannte: Mein Großvater, wie er als Soldat der Wehrmacht vereidigt wird. Und darunter eine weitere Aufnahme: mein Großvater als junger Mann, umgeben von vielen anderen jungen Männern. Darunter die Bildunterschrift: „In russischer Gefangenschaft“. Mehr steht da nicht. Nicht, wann oder wo genau das Foto aufgenommen wurde.

Nach über zehn Jahren Kriegsgefangenschaft durften sie nach Hause

Mein Großvater hat das Schicksal von Millionen junger Männer in Deutschland während des Zweiten Weltkriegs geteilt. Sie mussten in den Krieg ziehen. Und viele kamen in Gefangenschaft, wurden in Lager gebracht. Die Familien daheim blieben im Ungewissen, lebten zwischen Hoffen und Bangen. Lebt mein Sohn, lebt mein Bruder, lebt mein Mann, mein Vater noch? Oder ist er tot? An diese Schicksale denke ich heute. Am 8. September 1955, vor bald 70 Jahren, reiste der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer nach Moskau. Seine Mission: die Freilassung der letzten deutschen Kriegsgefangenen. Die Verhandlungen sind schwierig, aber letztlich erreicht Adenauer sein Ziel: die Gefangenen kommen frei. Nach über zehn Jahren Gefangenschaft dürfen sie zurück nach Hause.

Wieso müssen wieder junge Männer in den Krieg ziehen?

Mein Großvater war nicht so lange in Gefangenschaft. Er ist bereits kurz nach dem Krieg wieder nach Hause gekommen. Aber bei diesen Bildern in dem Fotoalbum denk ich mir: Was für ein Glück hatten seine Kinder, seine Enkel, seine Urenkel. Sie durften im Frieden aufwachsen. Gleichzeitig denke ich an die jungen Männer, die jetzt in der Ukraine in den Krieg ziehen müssen.

Jage dem Frieden nach

All das macht mir deutlich: Frieden ist ein kostbares Gut, Frieden ist nichts Selbstverständliches. Warum wird das bloß immer wieder vergessen? Im Alten Testament heißt es in Psalm 34: „Bewahre deine Zunge vor Bösem und deine Lippe vor falscher Rede! Meide das Böse, und tu das Gute; suche Frieden und jage ihm nach.“ Dem Frieden nachjagen: Das finde ich wichtig. Und für diesen Frieden will ich mich einsetzen. Daran haben mich auch die Bilder in dem Fotoalbum erinnert. Und ich hoffe und bete, dass auch in der Ukraine irgendwann wieder Frieden möglich ist.

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