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Die kleine Seejungfrau und der Blick in die Weite
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Die kleine Seejungfrau und der Blick in die Weite

Dr. Susanne Nordhofen
Ein Beitrag von Dr. Susanne Nordhofen, Ehemalige Leiterin eines katholischen Gymnasiums in Königstein/Taunus
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Das kleinste Wahrzeichen der Welt ist nur 1,25 m groß. Die anmutige Figur der kleinen Seejungfrau sitzt an der Uferpromenade in Kopenhagen auf einem Felsen. Hans-Christian Andersens Märchen war die Anregung für den Bildhauer. Im Märchen verliebt sich die Nixe in einen Prinzen und opfert ihre schöne Stimme für ein Paar Menschenbeine. Weil sie nun stumm ist, kann sie dem Prinzen ihre Liebe aber nicht gestehen. Nur die Liebe eines Menschen kann ihr eine menschliche Seele geben. Als der Prinz eine andere heiratet, springt sie ins Meer und löst sich in Meerschaum auf. Weder im Meer noch an Land kann sie zuhause sein. Die kleine Nixe in Kopenhagen blickt also sehnsuchtsvoll aufs weite Meer hinaus.

Ich möchte sehen, was hinter dem Horizont ist

Im Urlaub genieße ich auch gerne schöne Aussichten. Der Blick übers Meer, auf einen großen Wasserfall, auf ein majestätisches Bergpanorama oder einen nächtlichen Sternenhimmel - das kann manchmal spektakulär sein. Da geht einem das Herz auf und manchmal wird man nachdenklich. Manchmal frage ich: Wo endet der Horizont? Was ist dahinter? Wann hat das alles angefangen?

Die Sehnsucht, über die eigenen Grenzen hinauszugehen

Man kann sich solche Fragen nach Unendlichkeit und Ewigkeit zwar stellen, aber richtig vorstellen kann man sich beides nicht. Es bleibt die Sehnsucht, über die eigenen Grenzen hinauszugehen. Das wollte auch die kleine Seejungfrau. Sie wollte ein richtiger Mensch sein.

Staunen und Ehrfurcht

Der Philosoph Immanuel Kant hat auch über die Frage nachgedacht, was das Wesen des Menschen ausmacht. Dabei blickte er in den unendlichen Sternenhimmel über sich und die unendlichen Möglichkeiten des menschlichen Verstandes in sich selbst. Wenn ich nach oben in den unendlichen Himmel schaue, erkenne ich in den Bewegungen und Bahnen der Gestirne ewige Gesetzmäßigkeiten. Ich denke, wie klein ich doch bin, und werde mir meiner Grenzen bewusst. Wenn ich in mich hineinschaue, öffnet sich eine unendliche Welt von Gedanken, Hoffnungen und Wünschen, aber auch von Maßstäben, nach denen ich handeln möchte. Beides, der Blick nach oben und nach innen, löste bei Kant Staunen und Ehrfurcht aus.

In Gott fallen Unendlichkeit und Ewigkeit zusammen

Viele Religionen glauben daran, dass diese großartige äußere und innere Welt auch noch einen personalen Hintergrund hat: Gott. Gott ist kein Ding in der Welt, aber er hat sie erschaffen. In ihm fallen Unendlichkeit und Ewigkeit zusammen.

Durch gute Taten eine unsterbliche Seele gewinnen

Als Christin glaube ich, dass ich nicht nur Verstand habe, sondern auch eine unsterbliche Seele. Im Märchen darf die kleine Seejungfrau in verwandelter Form als Luftgeist weiter existieren, weil sie aus Liebe auf den Prinzen verzichtet hat. Sie kann nun durch gute Taten, wenn sie z.B. Seeleute vor Schiffsunglücken warnt, eine unsterbliche Seele gewinnen.

Was kommt, wenn ich einmal nicht mehr da bin?

Die imposanten Aussichten in die Weite der Natur geben mir eine tröstliche Ahnung, was noch alles kommen könnte, wenn ich einmal nicht mehr da bin. Vielleicht sind dann alle Grenzen bedeutungslos und alle Sehnsüchte erfüllt.

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