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Unvollendet: Schuberts Sinfonie und menschliches Leben
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Unvollendet: Schuberts Sinfonie und menschliches Leben

Michael Friedrich
Ein Beitrag von Michael Friedrich, Katholischer Diakon in der Pfarrei St. Peter und Paul, Hosenfeld
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Der Komponist und Musiker Franz Schubert, er lebte von 1797 bis 1828, meist in Wien. In seinem nur 31 Jahre währenden Leben hat er ein vielfältiges Werk geschaffen. Dazu gehören unter anderem 600 Lieder, Bühnenwerke, Kammermusik und einige Sinfonien. Eine davon, die Sinfonie in h-Moll, hat eine besondere Bedeutung erlangt. Sie trägt in der Musikwelt den Namen: die Unvollendete. Schubert begann 1822 mit dem Werk. Zwei Sätze davon sind überliefert, von einem dritten Satz gibt es Skizzen. Vier Sätze waren seinerzeit üblich. Da er an Geldknappheit litt, legte Schubert die Sinfonie zur Seite, um Auftragskompositionen nachzugehen. So vollendete er die vollständige Komposition nie und sie kursiert als "Die Unvollendete" in der Musikwelt und wird immer wieder gespielt.

Ein Spiegelbild von Schuberts Leben

 Der österreichische Komponist und Musikkritiker Hugo Wolf (1860 - 1903) schrieb: "Schuberts h-Moll-Sinfonie, ein treues Spiegelbild der künstlerischen Individualität ihres Schöpfers, ist leider Fragment geblieben. So gleicht sie auch in ihrer Form dem äußeren Lebensgange des Meisters, der ja in der Blüte seines Lebens, in der Vollkraft seines Schaffens vom Tode hinweggerafft wurde. Schubert hat nur ein halbes Menschenalter gelebt, als Mensch sowohl wie auch als Künstler."

Viele Menschen, die Schuberts Unvollendete hören, finden sie dennoch sehr gut. Es macht Freude, sie zu hören. Trotz des Fehlens des Schlusses empfinden sie das Werk nicht unvollendet.

Unvollendet – wie das Leben

Als Christ denke ich, was Hugo Wolf über Schubert und seine Unvollendete geschrieben hat, gilt auch für das Leben des Menschen vor Gott. Das Leben kann nie vollendet, perfekt oder ganz sein. Menschliches Leben bleibt immer Fragment, Bruchstück oder Stückwerk. Am Ende werden wir vor Gott und den Menschen nie "ganz fertig" sein.

Aufgrund dieser Erkenntnis, die sich vermutlich mit jedem Lebensjahr festigt, reagieren die meisten Menschen darauf. Manche jagen dem Unerreichbaren hinterher, sind dadurch gehetzt und getrieben, ohne das Ziel zu erreichen. Andere sind enttäuscht über sich selbst und werden in der Folge verbittert. Mein Glaube sagt mir: Vollenden, das ist nicht immer Menschenwerk, sondern auch göttliches Tun.

Vollendung durch Gott

Jesus Christus und sein Kreuzestod sind dafür das beste Beispiel. Am Kreuz gab Jesus sein Leben hin. Gott vollendet in der Auferweckung seines Sohnes das Lebenswerk Jesu. Und Christen dürfen mit dem Wirken Gottes rechnen, denn Gott will ja, dass wir leben und das Leben in Fülle haben (Joh 10,10). Das ist aber kein Freifahrtschein für Untätigkeit und Gleichgültigkeit, denn gefordert ist: sich nach Kräften zu bemühen. Dann darf jeder Mensch auf die Vollendung durch Gott hoffen. Franz Schuberts Unvollendete wird auch heute zur Freude der Zuhörenden gespielt. Und als Christ darf ich darauf vertrauen, dass Gott mein unvollendetes Leben weiterschreibt und vollendet.

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