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Öffentliche Freundlichkeit
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Öffentliche Freundlichkeit

Dr. Annette Wiesheu
Ein Beitrag von Dr. Annette Wiesheu, Theologische Referentin des Bischofs von Mainz
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Vor kurzem war ich für einige Tage in London. Ich habe die Stadt schon öfters besucht, ich mag sie sehr, und auch dieses Mal war ich von dieser lebendigen und vielfältigen Metropole sehr angetan.  

Was mir bei diesem Besuch aufs Neue aufgefallen ist, das ist die große Freundlichkeit der Menschen, denen ich in der Öffentlichkeit begegnet bin. Ein paar Beispiele: Ich studiere am Aufgang von der Untergrundbahn den Umgebungsplan auf der Suche nach dem Weg zu unserer Unterkunft – und gleich fragt mich jemand, ob ich Hilfe brauche.

Immer ein freundliches Wort!

Eine andere Situation: Die Untergrundbahn-Station, von der ich losfahren wollte, ist geschlossen. Ich habe das entsprechende Hinweisschild kaum gelesen – da zeigt mir schon ein Passant, dass der Eingang auf der anderen Straßenseite geöffnet ist. Und egal, ob im British Museum oder am Bahnsteig Neundreiviertel am Bahnhof King’s Cross, wo sich Kulturbeflissene bzw. Harry-Potter-Fans in langen Schlangen waren: Die Service-Mitarbeiterinnen lassen sich nicht aus der Ruhe bringen und haben immer ein freundliches Wort übrig „Just in case it rains“ - „Für den Fall, dass es regnet“ sagt mir lächelnd der Fahrer des Stadtrundfahrt-Busses und drückt mir beim Aussteigen ein Regencape in die Hand.

Haben Sie Geduld!

Freundlich und aufmerksam zu sein – dazu wird man in London auch öffentlich ermuntert. Mehrfach höre ich in der Untergrundbahn Durchsagen, die empfehlen, bei heißem Wetter eine Wasserflasche dabei zu haben und auf Mitreisende zu achten, falls sie Beschwerden angesichts der Hitze zeigen. Immer wieder lese ich den Hinweis: Respektloses Verhalten und Beschimpfungen von Servicepersonal werden nicht geduldet. Besonders gut gefallen haben mir Plakate neben den Fahrkartenautomaten mit der Aufschrift: „Be patient with others“ – „Haben Sie Geduld mit ihren Mitmenschen“, vor allem jetzt, angesichts der neuen Tarife, über die sich manche Fahrgäste erst orientieren müssen – und mehr Zeit brauchen. 

Du bist nicht allein

Man mag das manchmal übertrieben finden. Oder man mag es schlicht als guten, professionellen Service abtun. Und ich will auch nicht dem Klischee von der unerschütterlichen Höflichkeit der Engländer das Wort reden. Aber ich muss sagen: Ich empfinde diese öffentliche Freundlichkeit als sehr angenehm. Die kleinen Gesten der Aufmerksamkeit, die freundlichen Durchsagen, die Plakate – mir gibt das ein gutes Gefühl. All dies vermittelt: Du bist nicht egal, mit deinen Alltagsnöten bist du nicht allein, und es ist gut, wenn wir ein wenig aufeinander achten. Und bitte gib dir auch ein wenig Mühe und bewahre den guten Ton. Es mag eine oberflächliche Freundlichkeit sein, aber sie bringt doch einen angenehmen Ton in diese Riesenstadt und nimmt ihr ein Stück von der Hektik und Anonymität.

Dann werde ich an London denken

Wenn ich mich das nächste Mal über einen schleppenden Service ärgere, dann werde ich an die Mahnungen zur Freundlichkeit in London zu denken. Und wenn ich selbst wieder einmal an den Tücken eines Fahrkartenautomaten verzweifle, dann hoffe ich, dass die Menschen in der Schlange hinter mir auch schon einmal in London waren und das Plakat gesehen haben – und mit mir Geduld haben. 

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