Beitrag anhören:
Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung
Pixabay/Jaqueline Macou

Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung

Sabine Müller-Langsdorf
Ein Beitrag von Sabine Müller-Langsdorf, Evangelische Pfarrerin, Zentrum Oekumene, Frankfurt
Beitrag anhören:

Als Pfarrerin berate ich Menschen, wenn sie aus Gewissengründen den Kriegsdienst verweigern wollen. Das Recht darauf gilt für alle, die bei der Bundeswehr ihren Dienst ausüben oder ausgeübt haben. Und in die Situation kommen könnten, mit einer Waffe auf einen Menschen zu schießen. Das sind Soldaten oder ehemalige Soldaten. Wer nie mit der Bundeswehr zu tun hatte, kann keinen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung stellen.

„Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.“

Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ist im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert und sagt: „Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.“ Eingebunden ist dieser Satz in die Unverletzlichkeit der Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses.

Dass Gewissen kann sich ändern

Ein ehemaliger Soldat schreibt mir: „Ich bin Mitte 40, habe zwei Kinder und kann mir nicht mehr vorstellen, Menschen zu töten.“ Das Gewissen kann sich ändern. Im Laufe eines Lebens erfahren Menschen , wie kostbar und verletzlich das Leben ist. Bei der Geburt von Kindern. Bei einer schlimme Krankheit am eigenen Leib oder wenn Menschen in der Nähe sterben.

Das Gewissen kann sich auch ändern, wenn Leute durch ihren Beruf oder privat Menschen begegnen über Grenzen und Nationalitäten hinweg. Wenn sie globalisiert zusammenarbeiten. Sie erzählen mir, dass sie durch solche Erfahrungen sich nicht mehr vorstellen können, auf Menschen zu schießen.

Der Mensch entwickelt sich innerlich im Laufe des Lebens

Im Laufe des Lebens entwickeln sich Menschen innerlich. Entdecken die Kraft eines Glaubens oder die Tiefe einer politischen oder humanistischen Überzeugung.

Dazu kommen die Nachrichten, die ins Nachdenken bringen. Die Bilder aus der Ukraine von Männern, die ohne Wenn und Aber in den Krieg ziehen mussten. Sie haben gewiss in der einen oder anderen Richtung beigetragen, über den Dienst an der Waffe neu nachzudenken.

Die Anträge auf Kriegsdienstverweigerung haben zugenommen

In Deutschland haben im letzten halben Jahr 553 Soldaten oder ehemalige Soldaten einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung gestellt. Das sind schon jetzt mehr als doppelt so viele wie im gesamten Jahr zuvor. Nun wird ihr Antrag geprüft. Was gilt bei uns: mit dem eingereichten Antrag auf Kriegsdienstverweigerung darf eine Person nicht zum Dienst an der Waffe gezwungen werden.

Nicht alle Länder haben ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung

International ist es mit dem Recht auf Kriegsdienstverweigerung unterschiedlich bestellt. Einige Soldaten in Russland und in Belarus verweigern den Einberufungsbefehl. Auch in der Ukraine gibt es Verweigerer und Deserteure. In allen drei Ländern müssen sie sich verstecken oder außer Landes gehen, um ihrem Gewissen zu folgen. Sie geben für ihre Überzeugung in der Regel Familie und Freunde auf, nehmen Gefängnis und hohe Strafen in Kauf. Menschenrechtsorganisationen sagen: Kriegsdienstverweigerer und Deserteure brauchen Schutz und Asyl. Als Christin finde ich: Es ist ein Menschenrecht, nicht töten zu wollen. Das soll überall gelten. „Du sollst nicht töten“ heißt es schon in den 10 Geboten. Es muss möglich sein, diesem Gebot individuell aus Gewissensgründen zu folgen.

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren