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Ich und Du!
Bild: Pixabay/Kingrise

Ich und Du!

Dr. Matthias Viertel
Ein Beitrag von Dr. Matthias Viertel, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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Viele Menschen sind nicht so eng mit der Kirche verbunden, aber die ethischen Grundsätze der Bibel haben doch noch immer Bedeutung für sie. Allen voran die zehn Gebote aus dem Alten Testament.

Hinweise auf Bekanntheit der 10 Gebote

Hinweise auf sie entdecke ich überall, manchmal auch dort, wo eine religiöse Haltung gar nicht erwartet wird. Da weist die Mutter ihre Kinder mit strengem Blick zurecht und sagt: „Man darf doch nicht lügen!“ Oder der Nachbar, der sich über den Lärm des Rasenmähers am Sonntag ärgert und über den Zaun die Worte ruft: „Man soll doch den Feiertag heiligen!“
So hat es sich in unseren Köpfen festgesetzt: Man darf nicht stehlen, töten darf man sowieso nicht, und die Eltern muss man ehren! Diese Hinweise auf die Gebote sollen den Menschen dabei helfen, besser miteinander klar zu kommen, damit sie ein friedliches Leben in der Gemeinschaft führen.

Gebote sind nicht als Gesetzte überliefert

Das Merkwürdige ist nur: In den Geboten wird überhaupt nicht darüber gesprochen, was man so im Allgemeinen darf oder auch nicht. Die Gebote sind gar nicht als Gesetze überliefert, die immer und für alle gelten sollen. Deshalb können sie ja auch nicht eingefordert werden Das unterscheidet die Gebote grundlegend von den Gesetzen, die bekanntlich schriftlich fixiert sind, und die ich vor Gericht einklagen kann.

Nicht „man soll nicht“, sondern „Du sollst nicht“

Deshalb heißt es in den Geboten auch nicht: Man soll nicht stehlen, sondern Du sollst nicht stehlen. Es gibt auch kein Gebot, das da hieße: die Freunde sollten nicht lügen. Die Gebote der Bibel sind anders formuliert und das aus gutem Grunde. Dort wird stets die Anrede „Du“ gewählt. Du sollst dieses und jenes nicht tun! Keine Spur von den anderen, sie sind hier einfach nicht gefragt.

Ich bin angesprochen, nicht die anderen

Wir Menschen neigen dazu, Fehler lieber bei anderen zu sehen als bei uns selbst. Moralische Forderungen werden deshalb auch so gerne an die anderen gerichtet. Genau dagegen richten sich die Gebote. Du bist angesprochen, nicht die anderen. Nicht die Gier der Reichen ist das Thema, sondern meine eigene Gier. Mir ganz persönlich gilt der Appell. Aber weil es bequemer ist, andere zurecht zu weisen, wird aus der persönlichen Empfehlung so oft eine Regel für die anderen gemacht.

10 Gebote geben meinem Leben neue Ausrichtung

So gesehen bekommen die Gebote eine ganz neue Ausrichtung: Wenn ich mit meinem Leben vor Gott in Selbstachtung bestehen will, kann ich mich daran orientieren. Die Gebote sagen mir: Handle so, wie es dir in den Geboten empfohlen wird, dann musst du dich nicht vor dir selbst verstecken, dann musst du dich vor Gott nicht schämen. Sie schreiben nicht den anderen vor, was sie tun und lassen sollen; stattdessen sagen sie: Schau mal her, wenn du diese Grundsätze beachtest, wird dein Leben leichter, klarer und ehrlicher. Und auch für die Mitmenschen wird es dann schöner. Am wichtigsten ist es aber, dass du dann mit dir selbst zufrieden bist.

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