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Hilfe im rechten Moment
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Hilfe im rechten Moment

Charlotte von Winterfeld
Ein Beitrag von Charlotte von Winterfeld, Evangelische Pfarrerin, Frankfurt
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Ich hetze von einer Aufgabe zur nächsten an diesem Morgen. Wäsche aufhängen, Handwerker bestellen, Konfirmations-Unterricht planen. Nur noch eine Stunde bis zu meinem Schulunterricht in der ersten Klasse. Jetzt aber schnell noch den nötigen Einkauf machen, denn heute Nachmittag kommen Geburtstagsgäste für meinen Mann.

Einkaufstasche vergessen

Ich haste durch den Supermarkt: Joghurt, Frischkäse, Äpfel, Tomaten, Tee, Mehl, Zucker und vieles mehr. An der Kasse merke ich, ich habe meine Einkaufstaschen zuhause vergessen. Also nehme ich zwei Papiertüten und stopfe alles schnell hinein.

Die Papiertüte reißt

Auf dem Nachhauseweg kommt es, wie es kommen muss. Die eine Papiertüte reißt an der Seite auf. Die Äpfel und Tomaten kullern vom Gehweg auf die Straße, Tee-, Mehl- und Zuckerpakete liegen bunt durcheinander auf dem Boden, ein Joghurtdeckel ist aufgerissen, die weiße Joghurtmasse ergießt sich auf die Straße. Ich bin noch ein Stück von Zuhause weg. In 25 Minuten muss ich in der Schule sein.

Schöne Bescherung. Minutenlang stehe ich da und weiß nicht, was ich tun soll. Nach Hause rennen und Taschen holen? Wird das nicht zu knapp? Meinen Mann anrufen, damit er schnell mit Taschen kommt? Aber nein, der hat gerade eine wichtige Telefonkonferenz.

Hilfe naht

Da kommt eine Frau vorbei, Mitte Fünfzig, Lederjacke, enge Lederhosen. Rauchend kommt sie näher, guckt sich kritisch die Situation an. Ich denke schon, jetzt kommt gleich eine blöde Bemerkung. Aber nein, ohne etwas zu sagen, packt sie einen Leinenbeutel aus ihrer Tasche und sagt: „Geschenkt!“ Ich schaue sie verdutzt an und antworte: „Sie sind mein persönlicher Engel heute. Danke!“ Ein Lächeln breitet sich im Gesicht der Frau aus: „Wenn es weiter nichts ist. Schönen Tag noch!“ Und schon ist sie weg. Ich packe schnell die Sachen in den Leinenbeutel. Am Ende komme gerade noch rechtzeitig zur Schule.

Unerwartete Hilfe in der Not. Jemand, der kommt, die Situation sofort versteht und genau das Richtige tut. Eine Fremde ist mir in diesem Moment unerwartet nah.

Was kann alles Segen sein?

Am Nachmittag im Konfirmations-Unterricht spreche ich mit den Jugendlichen über den Segen Gottes, wann und wo wir ihn erleben. Für die jungen Menschen ist Segen etwas sehr Konkretes und hat ein Gesicht. Sie erleben ihn besonders in der Familie und mit Freundinnen, mit nahen Menschen. Wenn eine große Vertrautheit da ist zum Beispiel. Ich habe auch eine Segens-Geschichte zu erzählen, von meiner kurzen Begegnung vom Morgen. Verständnis. Hilfe, wenn ich nicht weiterweiß. Nähe. Für einen kurzen Moment. So fühlt sich Segen an.

Ich habe die Frau bisher nicht wiedergesehen. Vielleicht fühlt sie ja, dass ich immer noch an sie denke.

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