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Anders normal
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Anders normal

Eva Reuter
Ein Beitrag von Eva Reuter, Katholische Pastoralreferentin, Betriebsseelsorge im Bistum Mainz / Regionalstelle Rheinhessen
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Vor kurzem hab ich ein T-Shirt gesehen, bei dem ich schmunzeln musste: Die Hinterteile von vier Elefanten waren darauf abgebildet: drei grau und eins kariert. Darunter steht „It’s ok to be a little bit different“ – Es ist in Ordnung, etwas anders zu sein.

Heute muss ich an dieses T-Shirt denken, denn heute ist der „Autistic Pride Day“ – dieser Tag wird seit 2005 jedes Jahr am 18. Juni begangen. Eine Initiativgruppe will damit erreichen, dass Autismus nicht als Krankheit oder Behinderung angesehen wird. Sie wollen stolz sein auf ihre besondere Art zu denken und zu sein.

Alltägliche Situationen überfordern sie

In den letzten Jahren nehme ich immer mehr Menschen wahr, die ihren Autismus öffentlich machen: Angefangen bei Greta Thunberg oder auch dem Landespolitiker Nils Bollenbach. Auch in der Unterhaltungsindustrie kommen Charaktere mit Autismus häufiger vor: Die autistische Rechtsreferendarin Ella Schön aus der gleichnamigen ZDF-Serie oder der Sonderermittler Leander Lost aus der Kriminalromanreihe.

Das Spektrum autistischer Phänomene ist sehr weit: Es reicht von einfachen „Marotten“, wie zum Beispiel dem Vermeiden von grünen Lebensmitteln, bis zu schwerwiegenden Störungen des Sozialverhaltens. Weil Autistinnen und Autisten die Mimik ihres Gegenübers nicht lesen können, sind sie häufig von alltäglichen Situationen überfordert. Manche fühlen sich auch von den freundlich gemeinten Kontakten ihrer Mitmenschen bedrängt.

Dann ist es schon eine Behinderung

Aus meiner Erfahrung mit Betroffenen – und dazu gehören auch Familie, Freunde und Kolleg*innen des Autisten – gibt es unterschiedliche Aspekte: In manchen Bereichen ist die nicht-neurotypische Funktionsweise des Gehirns schon eine Beeinträchtigung. Wenn zum Beispiel in der Schule ein Arbeitsauftrag nicht bearbeitet werden kann, weil er für dieses Kind unklar formuliert ist oder sich mit der Interpretation eines Gedichts befasst. Dann ist es schon eine Behinderung im klassischen Sinn.

Aber in vielen anderen Bereichen ist die spezielle Sicht der Wirklichkeit bereichernd. Autistische Menschen haben oft eine sehr genaue Beobachtungsgabe und können Dinge sehr gut auf den Punkt bringen. Viele Autisten haben auch eine besondere Begabung oder ein sehr umfassendes Interesse für ein Spezialgebiet. Wenn ihnen etwas wichtig ist, setzen sie sich kompromisslos dafür ein – siehe Greta Thunberg.

Sie machen mein Leben bunt

Das ist für mich mal wieder einer der Punkte, an ich mich über die tolerante Haltung freue, die mir meine Großmutter mitgegeben hat. Sie war zutiefst vom christlichen Glauben geprägt, und wenn ihr etwas seltsam erschien, dann hat sie immer gesagt: „Der liebe Gott hat einen großen Tiergarten.“ Für sie war damit auch jede merkwürdige Erscheinung und jedes sonderbare Verhalten aufgehoben in der Schöpfung Gottes.

Diese Haltung prägt mich bis heute, und ich freue mich über unterschiedliche Sichtweisen und Handlungsansätze. Deshalb kann ich gut mit karierten Elefanten leben. Sie machen mein Leben bunt. Und ich wünsche allen Menschen, die nicht in die Norm passen, Selbstbewusstsein und Stolz. Denn: Wir sind alle von Gott gewollte Menschen – egal ob grau oder kariert.

 

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