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Die Süße einfangen
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Die Süße einfangen

Andrea Maschke
Ein Beitrag von Andrea Maschke, Katholische Pastoralreferentin in Bad Homburg / Friedrichsdorf
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Die Erntezeit hat begonnen: Erdbeeren, Holunderblüten, Rhabarber und jetzt die ersten Kirschen! Ich liebe es, Sirup und Marmelade zu kochen, die Süße der Früchte einzufangen, am besten regional und aus dem eigenen Garten oder vom Feldrand in der Nähe. Wenn ich dann im Hochsommer oder Herbst den Holundersirup in den Sprudel oder den Sekt gebe, dann sehe ich die duftigen Blütendolden noch vor mir, schmecke den süßen Frühlingsduft. Oder an Weihnachten, wenn man in der Linzer Torte, in die ja eine Schicht Marmelade gehört, noch den fruchtigen Geschmack des Sommers entdecken kann.

Staunen, was in der Natur blüht und reift

Dass es jedes Jahr wieder wächst, blüht und reift, ist im Frühjahr zwar keine Überraschung, aber jedesmal eine große Freude. Ich staune immer aufs Neue über die Kräfte der Natur. Und diese Dankbarkeit steckt irgendwie auch in der Marmelade.

Davon zehre ich noch heute

Manchmal höre ich ältere Menschen sagen: „Davon zehre ich noch heute“, dann erzählen sie von Reisen, von Begegnungen, von schönen Gottesdiensten und Wanderungen in der Natur. Ich arbeite als Seelsorgerin im Altenheim und bin immer sehr froh, wenn die Bewohnerinnen und Bewohner sich an Schönes erinnern und daraus Kraft schöpfen können und nicht nur Vergangenem nachtrauern. Manchmal denke ich, das ist Typsache, ob man das kann.

Die köstliche Süße immer noch schmecken zu können

Von etwas zehren, das bedeutet, die Süße, die Großartigkeit weiter schmecken zu können, also den guten Nachgeschmack noch zu genießen. Das ist im wahrsten Sinn des Wortes kostbar und köstlich!

Ich esse „köstliche“ Speisen aufmerksamer, achtsamer

„Köstlich“ ist ja so ein altes Wort, das immer mehr aus dem Alltagssprachgebrauch verschwindet. Eine Freundin von mir, die nutzt es noch: Was ich als lecker beschreiben würde, das nennt sie köstlich. Und wenn sie das sagt, dann genieße ich automatisch ein bisschen bewusster. Dann schmeckt das Tomatenrisotto tomatiger und ich nehme die einzelnen Kräuter im Salat wahr. Ich esse aufmerksamer, achtsamer.

Sich länger und bewusster an Schönem freuen zu können

Das Leben verkosten, das ist eine schöne Vorstellung. Es kommt mir vor wie das Gegenteil von schnellem Konsum, von Fast Food. Sich an Schönem länger und bewusster freuen, genießen können, aber auch die verschiedenen Komponenten des Lebens wahrnehmen: das Pikante und das Bittere, das Süße und das Schwere.

Einen Vorrat anlegen, von dem ich lange zehren kann

Und es ist wohl hilfreich, sich einen Vorrat anzulegen, von Bildern im Kopf, von Melodien und Liedern, von Gebeten, von Glücksmomenten, von denen ich zehre. Und gerne auch von Erdbeermarmelade.

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