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Frau Ludmillas Gottvertrauen
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Frau Ludmillas Gottvertrauen

Martin Vorländer
Ein Beitrag von Martin Vorländer, Evangelischer Pfarrer und Senderbeauftragter für den DLF, Frankfurt
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Graue halblange Haare, die mit leichten Wellen ihr Gesicht rahmen. In einer blauen Jacke, das Mikrophon in der Hand spricht Frau Ludmilla frei im Sonntagsgottesdienst zu der evangelischen Gemeinde in einem Dorf in Deutschland. Sie erzählt aus der Ukraine, von Donezk und Odessa. Im März ist sie vor dem Krieg nach Deutschland geflohen. Sie sagt: „Ich bin mit einer anderen 63-jährigen Frau und einer Katze hier angekommen. 2000 Kilometer Fahrt in einem kleinen alten Auto liegen hinter uns.“

In der Ukraine gibt es auch eine kleine evangelisch-lutherische Gemeinde

Ludmilla gehört zu der evangelisch-lutherischen Gemeinde in Donezk, eine Stadt in der Ostukraine. Die Ukraine ist mehrheitlich orthodox. Aber es gibt dort auch eine kleine evangelisch-lutherische Kirche. Auswanderer aus Deutschland haben sie im 18. Jahrhundert gegründet. In der Zeit der Sowjetunion waren die Kirchen geschlossen. 1992 hat sich die evangelisch-lutherische Kirche in der Ukraine neu gegründet.

Früher haben russischstämmige und ukrainische Menschen und andere Nationalitäten in Donezk friedlich zusammengewohnt

Ludmilla sagt: „Mein Leben war die evangelische Gemeinde, ein Kultur- und Begegnungszentrum. Das war eine deutsche Insel in der Stadt Donezk.“ Sie kommt ursprünglich aus Russland. Aber das war in Donezk kein Problem, bis Russland 2014 die Krim annektiert hat. Ludmilla erzählt, die Leute in Donezk haben früher friedlich zusammengewohnt – russischstämmig, ukrainisch, andere Nationalitäten. Die Annexion der Krim und jetzt der Krieg haben das zerstört.

"Überall ist wirklich Gottes Hilfe"

Sie lächelt immer wieder. Ihr warmes Lächeln lässt nicht vermuten, welche Albträume sie verkraftet hat. Sie konnte in der Ukraine nicht mehr bleiben und hat sich auf die Flucht nach Deutschland begeben. Sie glaubt: „Auf den 2000 Kilometern unterwegs haben wir Gottes Führung an eigener Haut gespürt. Überall ist wirklich Gottes Hilfe.“ Sie zählt auf: „Dass das kleine alte Auto durchgehalten hat. Dass wir durchgehalten haben. Dass so viele Leute uns geholfen haben auf dem Weg und jetzt hier in Deutschland.“ Sie fügt hinzu: „Danke für die Unterstützung, die uns so aufbaut! Wir hoffen, dass wir bald zurück nach Hause können.“

Ich vermute, sie kennt auch die anderen Momente, in denen sie verzweifelt betet: „Gott, wo bist du? Hilf doch!“ Gleichzeitig findet sie immer wieder zu dem Vertrauen, dass Gott da ist und hilft.

Wenn ich zweifle und ängstlich bin, kann jemand anderes Mut und Hoffnung für mich mithaben

Mich beeindruckt ihr Gottvertrauen. Ein solches Vertrauen kann ich nicht herstellen. Ich kann es mir nicht einreden. In manchen Zeiten habe ich es und merke, wie es mich trägt. Aber ab und zu knicke ich innerlich ein, bin kleinmütig. Dann hilft mir die Glaubensstärke von anderen. Wenn ich zweifle und ängstlich bin, kann jemand anderes Mut und Hoffnung für mich mithaben. Ein Beispiel dafür ist für mich Ludmilla, dass sie sogar auf der Flucht in scheinbar normalen Begebenheiten spüren kann: Da gibt es eine schützende Hand über mir.

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