Beitrag anhören:
Terra incognita
Bild: pixabay

Terra incognita

Steffen Flicker
Ein Beitrag von Steffen Flicker, Schulleiter der katholischen Schule Marianum Fulda und Vorsitzender des Katholikenrates im Bistum Fulda
Beitrag anhören:

"Terra incognita" - sagt der Lateiner, wenn er zum Ausdruck bringen möchte, dass es sich bei einem Thema um ein für ihn unbekanntes Gebiet handelt. Ursprünglich meinte der Begriff "Terra incognita" geografische Flächen oder Länder, die noch vor der Kartografie unentdeckt oder unerforscht waren.

"Terra incognita" - "Unbekanntes Gebiet" - "Neuland": Damit bin ich in meinem Alltag oft konfrontiert. Schülerinnen und Schüler erschließen sich immer wieder neue Themengebiete, von denen man vorher noch nie etwas gehört hat. Und nach der Schulzeit geht es ja immer so weiter. Wie oft arbeite ich mich in neue Themen und Wissensgebiete ein, gehe neue Herausforderungen an?

Es fängt schon mit einer Gebrauchsanweisung für ein technisches Gerät an. Oder die Bedienung eines Automaten. Regeln ändern sich – auch auf sie muss ich mich neu einstellen. Online-Banking, Homeoffice … Was habe ich nicht alles in der letzten Zeit dazu gelernt? Allein der Umgang mit einer Pandemie war und ist für viele Menschen "terra incognita".

Lebe, um zu lernen; lerne, um zu leben

Lernen hört ja eigentlich nie auf. In der Pädagogik spricht man vom "lebensbegleitenden Lernen", also "Lernen lebenslänglich". Das Lernen und Erlernen neuer Dinge geht immer weiter. Solange ich lebe, lerne ich.

Immer wieder muss ich mich in neue Sachverhalte einarbeiten, Themen recherchieren und Zusammenhänge ergründen. Ob es die Digitalisierung ist, der Klimawandel, neue Anforderungen in der Arbeitswelt, der demografische Wandel - viele Herausforderungen, oft unbekanntes Land, das erforscht werden will und erforscht werden muss, um Antworten auf Herausforderungen zu finden.

Ich stelle mir manchmal die Frage, inwiefern ich selbst auch "terra incognita" bin. Vor einigen Jahren erschien das Buch "Wer bin ich – und wenn ja wie viele?" von David Richard Brecht. Ja, wie ist das mit dem Selbstbild und der Fremdwahrnehmung? Wann finde ich in all der Hektik und all dem Trubel, der mich umgibt, wieder zu mir selbst? Wann reflektiere ich mich und mein Verhalten? Und wann habe ich Zeit für Gott? Wann habe ich Zeit, über meinen Glauben nachzudenken, mit Gott ins Gespräch zu kommen.

Vielleicht gibt es auch Neu-Entdeckungen von Kleinigkeiten um uns herum: Bei einem Spaziergang durch die Natur oder in einem Buch, das schon lange im Regal steht oder in der Begegnung mit Menschen, mit denen ich noch nie oder schon längere Zeit nicht mehr gesprochen habe.

Das kann spannend sein und mich sensibel machen, hell-hörig machen, wie ich die Welt und meine Umgebung wahrnehme. Und es kann mich dankbar machen. Als Christ glaube ich, dass Gott der Schöpfer aller Dinge ist. Ich freue mich über all das, was mich umgibt – und auch auf das Neue, für das ich mich öffne.

Vieles wartet darauf, entdeckt zu werden. Wer weiß, was heute an diesem Tag an neuen Erfahrungen auf mich wartet? Ich bin gespannt. In diesem Sinne wünsche ich uns allen die Erfahrung von "terra incognita"!

 

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren