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Hören setzt Schweigen voraus
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Hören setzt Schweigen voraus

Steffen Flicker
Ein Beitrag von Steffen Flicker, Schulleiter der katholischen Schule Marianum Fulda und Vorsitzender des Katholikenrates im Bistum Fulda
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"Das habe ich mir schon gleich gedacht!" Wie oft höre ich diesen Satz. Mir wird dann immer wieder neu bewusst, wie viel sich unausgesprochen schon in Gedanken verfestigt hat – ja, welche Vor-Urteile es gibt.

Psychologen sagen: In den ersten Minuten einer Begegnung von Menschen entsteht bereits ein Urteil. Natürlich ist dies ein vor-gefertigtes Urteil – ein Vor-Urteil. Denn es ist ja "nur" der erste Eindruck, den ich von einem Menschen habe, den ich gerade kennenlerne.

Wenn ich dann noch Informationen von Freunden über diesen neuen Menschen erhalte, dann verbinden sich diese Hinweise mit meinem vorgefertigten Urteil und dann sage ich vielleicht auch: "Das habe ich mir schon gleich gedacht!"

Es ist das berühmte "Hörensagen", von dem ich hier spreche. Wahrscheinlich ist dies unvermeidbar. Neben meiner eigenen Meinung über einen Menschen werde ich von den Ansichten meiner Freunde beeinflusst.

Dabei möchte ich eigentlich gar keine Vorurteile haben. Ich halte mich für unvoreingenommen. Aber das ist sicher ein Trugschluss. Und vielleicht ist es auch gar nicht schlimm, Vorurteile zu haben. Schlimm ist es nach meiner Auffassung, wenn ich Vorurteile nicht abbauen kann. Wenn ich so festgefahren bin, dass ich meinem Gegenüber gar keine Chance lasse. Wenn ich ihn gar nicht anders sehen und verstehen kann.

Das "Hörensagen" beeinflusst mich. Es prägt mein Bild von einer anderen Person – ob ich will oder nicht. Und es prägt auch jedes Gespräch, das ich mit dieser Person führe. Deswegen finde ich es wichtig, über die Art meines Zuhörens nachzudenken.

Höre ich eigentlich wirklich zu? Oder hat sich meine Meinung eigentlich schon gebildet?

Hören setzt Schweigen voraus. Und noch etwas: Hören setzt die Bereitschaft voraus, meine eigene Meinung zu hinterfragen. Das ist natürlich oft gar nicht so einfach. Aber es ist für mich ein wichtiger Vorsatz geworden.

"Von nun an: Sündige nicht mehr!"

Mich fasziniert, wie unvoreingenommen Jesus mit Menschen in Kontakt getreten ist. Auf wen er sich im wahrsten des Sinne Wortes eingelassen hat. Menschen, die kein hohes Ansehen hatten: Betrüger, Ehebrecher usw. "Von nun an: Sündige nicht mehr!" So schlicht fällt seine Aufforderung an diese Menschen aus.

Wenn ich die biblischen Texte über diese Begegnungen lese, kann ich mir vorstellen, dass Jesus ein guter Zuhörer gewesen sein muss. Jemand, der über seine Vorurteile hinaus ging, der Menschen eine Chance gegeben hat, der hinter die Dinge sehen konnte.

Mir imponiert, wenn ich merke, dass sich ein Gesprächspartner ganz auf mich konzentriert: Augenkontakt, Ruhe, Schweigen. Nicht sofort antworten. Warten, Nachdenken, Sprechen. Ich nehme mir das auch vor. Manchmal gelingt es, manchmal leider nicht.

Das nehme ich mir heute vor: meine Fähigkeit des Zuhörens zu steigern. Schweigen als Voraussetzung für gutes Zuhören zu erkennen und mich daran zu üben. Ich versuche es.

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