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Für Besserwisser wie mich
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Für Besserwisser wie mich

Michael Becker
Ein Beitrag von Michael Becker, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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Neulich bekam ich eine Postkarte. Hinten die Handschrift eines Bekannten und seine Grüße, vorne ein Bild mit Schrift. Ein dunkles Rot, darauf in schwarzer Schrift: „Es gibt zwei gute Nachrichten. Erstens: Es gibt Gott. Zweitens: Du bist es nicht.“ Das ist doch mal lustig, dachte ich. Und freute mich über das Bild und den Text. Ich liebe gute Nachrichten. Und das waren gleich zwei.

"Tu nicht so, als seist du etwas Großes"

Aber nur lustig ist das ja nicht. Es hat auch, wie jeder gute Scherz, einen wahren Kern. Wenn es Gott gibt, dann bin ich es nicht. Und Sie auch nicht. Wir sollten auch nicht so tun, als wären wir es. Das ist der Ernst im Scherz. Ich muss nicht Gott spielen. Das Bild auf der Postkarte erinnert mich: Tu nicht so, als seist du etwas Großes. Ich gebe zu, dass mich das ein bisschen getroffen hat - in der Seele. Ich neige dazu, mich zu wichtig zu nehmen. Ich gehöre zu denen, die sich gerne im Recht fühlen und manchmal die schlechte Angewohnheit haben, andere zu belehren. Ich versuche immer schon, mich zu zügeln. Lass es, sage ich dann zu mir. Aber wenn andere offensichtlich Fehler machen, wie ich finde, dann muss ich stark an mich halten, um nicht zum Belehrer zu werden. Das will ich nicht. Ich mag sie ja auch nicht, die Menschen, die es immer besser wissen - oder es jedenfalls glauben.

"Mir ist Freundlichkeit sowieso lieber als Besserwissen und Belehren"

Die kleine Postkarte mit dem Bild hat mich ein wenig auf den Boden geholt, sozusagen. Je länger ich auf den Text geschaut habe, desto lieber wurde er mir. „Es gibt zwei gute Nachrichten. Erstens: Es gibt Gott. Zweitens: Du bist es nicht.“ Stimmt. Und ich will versuchen, mich daran zu halten. Mir ist Freundlichkeit sowieso lieber als Besserwissen und Belehren. Daran will ich mich halten. Außerdem kann man auch liebevoll schweigen, vielleicht lächeln, und muss manchmal gar nichts verbessern. Ein bisschen Demut tut immer gut. Hoffentlich fällt es mir rechtzeitig ein, wenn ich im Geiste wieder meinen Finger heben und verbessern will. Lass es, will ich dann denken. Die anderen kommen doch auch von selber dahinter. Und mir tut ein bisschen Demut immer gut.

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