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Schutz in unsicheren Zeiten
Bild: mural_pixabay

Schutz in unsicheren Zeiten

Dr. Susanne Nordhofen
Ein Beitrag von Dr. Susanne Nordhofen, Ehemalige Leiterin eines katholischen Gymnasiums in Königstein/Taunus
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Der Bildhauer Erich Jaekel war im Zweiten Weltkrieg Soldat in Stalingrad. Wenn er aus dem Inferno lebend davonkäme, wollte er zu Ehren der Gottesmutter Maria eine Madonnenfigur für eine Kirche anfertigen. Sie sollte so aussehen wie die Statue aus seiner schlesischen Heimat. Er konnte sein Versprechen halten. Seit 1952 steht die lebensgroße Figur in der sogenannten Kollegskirche in Königstein. Einmal im Jahr wird sie von Menschen besucht, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus ihrer Heimat vertrieben wurden.

Maria hielt zu ihrem Sohn – bis zuletzt

Diese Statue von Erich Jaekel ist eine sogenannte Schutzmantelmadonna. Sie hat ein überdimensionales Cape zeltartig um die Schultern gelegt. Unter den Falten sieht man rechts und links viele kleine Gestalten, die darunter Schutz suchen. Maria wird als eine Herrin gezeigt, die das mittelalterliche „Mantelrecht“ ausübt. Wer im Mittelalter verfolgt wurde und sich unter den Mantel einer höherstehenden Person retten konnte, genoss deren rechtlichen Schutz. In der katholischen Kirche wird Maria nicht angebetet, wie manchmal angenommen wird, sondern verehrt. Denn sie hielt zu ihrem Sohn - bis zuletzt - und stand unter seinem Kreuz. Maria verkörpert mütterliche Solidarität, Geborgenheit und Gottvertrauen.

Wie bestürzend aktuell das alles ist!

So viele Menschen erleben gerade wieder Flucht und Vertreibung, in den Medien sehen wir grauenvolle Bilder. Millionenfach fliehen vor allem Frauen und Kinder aus der Ukraine und suchen Schutz und Hilfe, auch bei uns. Mir fällt immer wieder auf, wie rührend sich die Jüngeren um ihre alten gebrechlichen Eltern bemühen, die sie dem Krieg zuhause nicht überlassen wollen. Sie sind für sie kein Klotz am Bein. Der Zusammenhalt der Familien ist selbstverständlich. Auch bei uns breiten viele freiwillige Helfer und Helferinnen den Mantel der Solidarität aus.

Sie verschwinden nicht unter dem Schutzmantel

Bei der Schutzmantelmadonna in der Königsteiner Kirche fällt mir auf: Die Figuren verschwinden nicht in den Falten. Sie schauen vielmehr aus ihnen heraus und blicken den Betrachtenden an. Ich denke: Jemand, der sich in Sicherheit weiß, kann neuen Mut fassen und im wahrsten Sinn nach vorne schauen. So möchten viele Geflüchtete auch später einmal in die Heimat zurückkehren.

Sicherheit ist nicht selbstverständlich

Sicherheit hat eine sehr reale Seite. Für mich persönlich hat Sicherheit auch viel mit Gottvertrauen zu tun. Beide Sicherheiten sind nicht selbstverständlich. Mit Blick auf die Schutzmantelmadonna wünsche ich sie mir für alle Menschen, vor allem für die Geflüchteten – aus der Ukraine und der ganzen Welt.

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