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Wert oder Wegwerfware? – Meine Kleider machen Leute!

Wert oder Wegwerfware? – Meine Kleider machen Leute!

Dr. Annette Wiesheu
Ein Beitrag von Dr. Annette Wiesheu, Theologische Referentin des Bischofs von Mainz
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Wie viele Kleidungsstücke habe ich im Kleiderschrank? Und wie viele davon brauche ich wirklich? – Der heutige 22. April kann ein Anlass sein, über diese Fragen nachzudenken. Denn: Heute ist Earth Day – „Tag der Erde“. Seit 1970 wird dieser Tag begangen, Studierende in den USA haben ihn ins Leben gerufen. Ihr Anliegen: Die Sensibilität für den Schutz von Natur und Umwelt zu wecken, damals noch weniger selbstverständlich als heute. Jede und jeder einzelne kann etwas tun und durch kleine Verhaltensänderungen etwas bewirken. Heute finden an jedem 22. April in über 150 Ländern Aktionen statt für einen nachhaltigen Lebensstil. Dabei steht immer ein Alltagsthema im Mittelpunkt. Und in diesem Jahr geht es um – Kleidung.

In jedem Kleidungsstück ein großer Aufwand

„Deine Kleider machen Leute“ lautet das Motto des diesjährigen Earth Day. Es lenkt den Blick darauf, dass in jedem Kleidungsstück ein großer Aufwand steckt. Die Materialien, ihre Herstellung und Verarbeitung brauchen viele Ressourcen und belasten häufig die Umwelt. Ganz zu schweigen von der menschlichen Arbeit: In erster Linie denke ich hier an die Textilarbeiter und vor allem Textilarbeiterinnen in Asien. Sie nähen unter katastrophalen Bedingungen und für einen Hungerlohn die Kleider, die wir uns zu Dumpingpreisen kaufen können. Kleidung ist eigentlich etwas Wertvolles – und ist doch Wegwerfware geworden. In den vergangenen Jahren ist zwar das Bewusstsein für die Herstellungsprozesse und Sozialstandards gewachsen. Dennoch: Fast fashion ist angesagt – billige Kleidung, nur dazu gemacht, ein paar Mal getragen zu werden. Rund eine Million Tonnen Textilien wandern jährlich in Deutschland in den Müll.

Kleidung ist etwas sehr Persönliches

Jeder und jede kann etwas tun und damit etwas verändern. Die Empfehlungen zum Kleider-Earth Day lauten: „Kaufe bewusst, kleide dich nachhaltig, trage es länger, entsorge es umweltschonend.“ Klingt ein wenig sauertöpfisch? Kleidung ist etwas sehr Persönliches. Gut aussehen zu wollen, ist ein ganz menschlicher Wunsch, und auch ein Ausdruck der Wertschätzung für sich selbst.

Aber „Kaufe bewusst, kleide dich nachhaltig, trage es länger, entsorge es umweltschonend“ heißt ja nicht: Ich muss wie eine Vogelscheuche herumlaufen. Es gibt viele gute Ideen, um mit der Ressource „Kleidung“ besser umzugehen: Beschädigte Kleidung lässt sich ausbessern und damit länger tragen. Mit ein wenig Recherche kann ich ökologisch und fair produzierte Kleidung kaufen. An vielen Orten gibt es gut sortierte Second Hand-Läden. Nicht mehr benötigte Kleidungsstücke lassen sich weitergeben, – um nur ein paar Ideen zu nennen.

Ich weiß immer, was ich anziehe...

Ungefähr 100 Kleidungsstücke haben die Bundesbürger durchschnittlich im Schrank, Socken und Wäsche nicht mitgerechnet. Nur ein Teil davon wird regelmäßig getragen. Eine Ordensfrau hat mir einmal über ihr immer gleiches Ordenskleid gesagt: „Egal was ich mache, egal ob ich in die Kirche, zu meiner Arbeit in die Schule oder ins Konzert gehe. Ich weiß immer, was ich anziehe und muss mir darüber keine Gedanken machen. Das entlastet mich und schafft mir Freiraum für anderes.“

Jeden Tag das Gleiche anziehen? So weit werden die wenigsten gehen wollen. Aber eine Grundgarderobe, eine Capsule Warderobe könnte interessant sein: Eine Capsule Warderobe ist eine überschaubare Zahl guter Kleidungsstücke, die sich leicht und abwechslungsreich kombinieren lassen und für viele Anlässe tauglich sind. Das würde auch Chaos im Schrank und morgendliche Krisen ersparen.
„Meine Kleider machen Leute“ – daran will ich mich erinnern, nicht nur heute am Earth Day, sondern jeden Tag.

 

 

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