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Anselm & Konrad oder: die Vielfalt der Berufung
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Anselm & Konrad oder: die Vielfalt der Berufung

Dr. Annette Wiesheu
Ein Beitrag von Dr. Annette Wiesheu, Theologische Referentin des Bischofs von Mainz
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„Die zwei passen überhaupt nicht zusammen“. Dieser Gedanke kommt mir beim Blick auf die beiden Heiligen, die heute die katholische Kirche feiert: den mittelalterlichen Theologen Anselm von Canterbury - und den heiligen Bruder Konrad, der im bayerischen Wallfahrtsort Altötting wirkte, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Beide haben den gleichen Gedenktag, denn beide sind an einem 21. April gestorben: Anselm im Jahr 1109, Konrad 1894. Und meistens wird zum Gedenktag von Heiligen der Todestag bestimmt – sozusagen als der Geburtstag für den Himmel.

Denken, ein Versuch sich Gott zu nähern

Anselm von Canterbury und Bruder Konrad aus Altötting – scheinbar verbindet die beiden nicht viel. Gut, beide haben das Leben in einem Kloster gewählt: Anselm als Benediktinermönch, Konrad als Kapuziner. Anselm ist ein Spitzenintellektueller der Kirchengeschichte. Er trägt den Ehrentitel eines Kirchenlehrers. Denn er hat wichtige philosophische und theologische Schriften verfasst. Sie werden bis heute gelesen, studiert und diskutiert. Denken war für ihn ein Versuch, sich Gott zu nähern. Wie kaum einer vor ihm, beschäftigte er sich systematisch mit den Fragen von Gott, Welt und Erlösung.

Daneben leitete er das Kloster Bec in Nordfrankreich. Später wurde er Erzbischof von Canterbury; in den 16 Jahren seiner Amtszeit schlug er sich mit den englischen Königen herum. Anselm von Canterbury: eine geistig und politisch agile Führungskraft, international unterwegs.

Der Plan geht nicht auf

Ganz anders hingegen Bruder Konrad. Geboren auf einem Bauernhof im tiefsten Niederbayern, das elfte von zwölf Kindern. Er besuchte nur die Volksschule, schon als Kind galt er als besonders fromm. Mit 31 Jahren gibt er das Leben als Bauernhof-Erbe auf und tritt in das Kapuzinerkloster Sankt Anna ein - im 60 Kilometer entfernten Altötting. Er möchte ein zurückgezogenes Leben im Gebet führen. Der Plan geht nicht auf. Er bekommt die stressigste Aufgabe, die es im Kloster gibt: Er wird Pförtner. Über 41 Jahre sitzt er an der Pforte des Sankt-Anna-Klosters und kümmert sich um alle Bittsteller, die dort anklopfen – Wallfahrer, Kinder, fahrende Handwerker, Menschen in allen erdenklichen Nöten. Alle, so wird berichtet, behandelte er gleich und mit Respekt, allen versuchte er zu helfen. Seine Bescheidenheit, Hilfsbereitschaft und Frömmigkeit machen ihn rasch bekannt, auch seine klugen Ratschläge.

Was sind meine Begabungen?

Zwei Heilige, zwei ganz unterschiedliche Biographien, acht Jahrhunderte trennen sie und viele Hunderte von Kilometern. Und dennoch: Beide haben den Glauben an Jesus Christus ins Zentrum ihres Lebens gestellt. Beide haben sich von Gott gerufen gefühlt – und doch mit ihrem Leben eine ganz andere Antwort gegeben. Was mich an diesen beiden Gestalten anspricht: Sie zeigen: DAS christliche Leben gibt es nicht. Es gibt keine starre Anleitung, mit der ein Leben aus dem Glauben umzusetzen ist. Der Glaube lässt viele Lebensentwürfe zu und viele Berufungen.

Anselm und Konrad: Mir sind sie beide sympathisch. Anselm, der gefeierte Lehrer, Denker und Erzbischof; Konrad, der stille Helfer an seiner Klosterpforte. Die beiden ermutigen mich zu fragen: Was sind meine Begabungen? Wo kann ich sie in meinem Leben einbringen? Und sie ermutigen mich aufmerksam zu sein: für die Begabungen meiner Mitmenschen – und dass mir jeden Tag große und kleine Heilige begegnen können.

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