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Segnen und gesegnet werden
Bild: Pixabay/kalhh

Segnen und gesegnet werden

Andrea Wöllenstein
Ein Beitrag von Andrea Wöllenstein, Evangelische Pfarrerin, Marburg
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"Gesundheit!" wünschen wir, wenn jemand niest. In England sagt man: „Bless you“. Eine Abkürzung für „God bless you“. Gott segne dich. Für deutsche Ohren klingt das merkwürdig. Sich gegenseitig segnen…? Segnen ist doch was für religiöse Fachleute. Denken viele, stimmt aber nicht! Segnen ist eine Gabe und eine Aufgabe, die alle haben. Ein Stück Alltagsspiritualität. Segnen heißt: Sich Gutes wünschen. "Bene-dicere" / "Gut – sagen" ist das lateinische Wort.

Gegenseitiges Segnen gehört in der Bibel zum Alltag

In den Geschichten der Bibel gehört das gegenseitige Sich-Segnen zum Alltag der Menschen. Man segnete sich zur Begrüßung und zum Abschied. "Ich segne dich!" war auch eine Form, „Danke“ zu sagen.
Ich habe ein interessantes Buch zu diesem Thema gelesen. Es heißt: "Segnen heilt". Darin erzählt der Schweizer Autor Pierre Pradervand von einer Lebenskrise. Er wurde gemobbt am Arbeitsplatz. Es gab Intrigen gegen ihn. Schließlich hat er seine Stelle verloren. Lange war er von Groll erfüllt gegen die Leute, die dafür verantwortlich waren. Dieser Groll hat ihn nicht losgelassen. Auch nicht als er längst wieder eine neue Stelle gefunden hatte.

"Segnet, die euch verfolgen"

Eines Tages liest er dann in der Bibel den Satz: "Segnet, die euch verfolgen". Und ihm wird schlagartig klar: Das ist es! Er fängt an, seine Gegner zu segnen auf jede nur erdenkliche Weise: Ihre Gesundheit, ihre Großherzigkeit, ihre Güte, ihre Lebensfreude. ihre Familien und Freunde. Er versucht, ihnen aus ganzem Herzen Gutes zu wünschen. Und er erfährt im Laufe der Zeit: In ihm wird etwas heil. Er kommt raus aus dem Hamsterrad seiner negativen Gedanken und Gefühle. Auch sein Verhältnis zu den früheren Kollegen verändert sich. Wird entspannter, freundlicher. Er schreibt: "Alles um uns herum von Herzen zu segnen ist ein Erlebnis, das uns in einer Weise beschenkt, wie wir uns es wohl nie erträumt haben."

Eine schöne Anregung finde ich: Im Alltag einander Segen wünschen

Eine schöne Anregung finde ich: Im Alltag einander Segen wünschen. Ich muss das gar nicht laut sagen. Es kann ein Gedanke sein, mit dem ich anderen Gutes wünsche. Wenn ich einen Menschen sehe, der traurig ist, segne ich seine Lebensfreude. Dass sie wieder Raum gewinnt in seinem Leben. Wenn ich mich über jemand ärgere - segne ich ihre Freundlichkeit, auch wenn ich sie vielleicht im Moment nicht erlebe. Wenn ich mich ungerecht behandelt fühle - segne ich in meinem Gegenüber den Sinn für Gerechtigkeit. Ich stärke das Positive im anderen und auch in mir.

Mein Leben segnen, wie es ist

Ich segne mein Leben, wie es ist. Segne jeden neuen Morgen und nehme die Geschenke an, die das Leben für mich bereithält. Auch die, die ich nicht auf meiner Wunschliste gestanden haben.

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