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Glaubensfreiheit ist gut für alle
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Glaubensfreiheit ist gut für alle

Ein Beitrag von Dr. Christine Lungershausen, Evangelische Pfarrerin, Eschborn
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Seit 175 Jahren kann in Deutschland jede und jeder selbst entscheiden, zu welcher religiösen Gruppierung er oder sie sich zählt. Oder ob man ohne Religionsgemeinschaft leben will. Am 30. März 1847 erlässt der Deutsche König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen das Toleranzedikt.

Das Toleranzedikt von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen

Anders als seine Vorgänger war Friedrich Wilhelm IV. tiefgläubig. Er war nicht nur König, sondern auch das Oberhaupt der evangelischen Kirche im damaligen preußischen Reich. Toleranz und Vielfalt lagen ihm am Herzen. Das zeigt sich auch am Kölner Dom, ein Wahrzeichen katholischen Glaubens. Der Dom wurde von ihm als evangelischen Christen vollendet. Als König trat er einen Schritt zurück, um Menschen ihre eigene Religionszugehörigkeit zu überlassen. Und er trat einen Schritt hinein in ein Engagement, um eine andere Konfession zu unterstützen: So wurde der Kölner Dom fertig.

Der König setzt sich für eine andere Gemeinschaft ein

Mir ist dieser alte König Friedrich Wilhelm IV. ein Vorbild: Er setzt sich ein für eine andere Gemeinschaft. Auch wenn es ihn selbst nicht direkt betraf, war ihm das Leben der anderen Menschen wichtig. Weil sie ebenso wie er Teil der Gesellschaft waren.

Wir sind Teil einer Gesellschaft, ob wir einer Kirche angehören oder nicht

Viele Menschen nutzen seitdem das, was König Friedrich Wilhelm IV. ermöglicht hat: ihr Recht, das eigene Bekenntnis frei zu wählen. In eine der Kirchen einzutreten oder auszutreten. Wie auch immer man sich entscheidet, mir ist wichtig: Wir sind Teil einer Gesellschaft. Wir gestalten alle das Leben in diesem Land. Wir leben hier gemeinsam – und müssen uns dafür gemeinsam einbringen. Egal ob ich das in der Kirche tue, in der freiwilligen Feuerwehr, im Ortsverein, in einer demokratischen Partei. Wir gestalten diese Gesellschaft zusammen.

In einer Wohnanlage leben die unterschiedlichsten Menschen zusammen

Mir wurde das in unserer Wohnanlage deutlich. Ich lebe im Main-Taunus-Kreis, und wo ich wohne, lebt man dicht auf dicht und kriegt von seinen Mitmenschen viel mit. Sei es das Laufband in der Wohnung über uns, das morgens um 7 Uhr anfängt, die Decke vibrieren zu lassen, sei es das samstägliche Grillen von Nachbarn, dessen Geruch in der Wäsche hängenbleibt. Mich nervt so was immer wieder. Manchmal würde ich lieber austreten, in die Einöde ziehen und in einem Tiny house im Wald leben. Nur Eichhörnchen und Spechte als Nachbarn.

Gegenseitiges Kennenlernen verbindet

Was mir geholfen hat, ist das Angebot unserer Nachbarn. Sie wollten mit uns die Hochbeete der Gärten neugestalten und suchten dafür Unterstützung. An der frischen Luft kalte Erde zu durchwühlen, verbindet. Das hat etwas verändert für mich: Ich kenne jetzt ein Gesicht zum Laufband über mir und die kleinen Mädchen, die sich an den Grillwürstchen am Samstag erfreuen. Mir gibt es ein Gefühl von Verbundenheit – und hilft mir, mich als Teil der Gemeinschaft der Menschen hier zu fühlen.

Das wünsche ich mir: dass wir uns als Teile einer Gesellschaft fühlen, die wir gemeinsam gestalten. Und dass wir uns einbringen. Denn wir leben hier gemeinsam.

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