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Finde einen gläubigen Menschen!
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Finde einen gläubigen Menschen!

Andrea Weitzel
Ein Beitrag von Andrea Weitzel, Katholische Schulseelsorgerin und Religionslehrerin, Hanau
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Montagmorgen. Religionsunterricht in der 9. Klasse. Thema: Gott! Wir ziehen weite Kreise: Suchen in der Bibel, in der Kunst, im Internet und immer wieder in unserer unmittelbaren Umgebung nach Vorstellungen und Darstellungen von Gott. Wir sortieren und diskutieren, verstehen und verwerfen. Nähern uns, entfernen uns. Stellen die Frage nach Gott angesichts des christlichen Glaubens an die Schöpfung und angesichts des Leids auf der Welt. So vergehen Wochen. Ich freue mich daran, wie einige Schülerinnen sich öffnen, ihren Blick weiten.

Schließlich steht die letzte Hausaufgabe an: Finde einen gläubigen Menschen! Dahinter steckt die Frage, was Gott für diesen einzelnen Menschen bedeutet. Stille – es ist offensichtlich, dass es nicht so ganz einfach wird, so jemanden zu finden.

Denn während es im Religionsunterricht noch "normal" ist, von Gott und Glauben zu sprechen, so spielt das im Leben außerhalb der Schule immer weniger eine Rolle. Glaube und Leben finden nicht oder nicht mehr zueinander. Nachvollziehbare Gründe und Ursachen, ebenso der Zusammenhang mit den massiven Brüchen, die Menschen aktuell mit und in Kirche und Gemeinden erleben, liegen auf der Hand. Im Unterricht besprechen wir auch das. Und dann versuche ich, meinen Schülerinnen "den Himmel offen" zu halten. Aber dafür reiche ich nicht aus. Ich merke, ich brauche noch mehr Menschen, die es schaffen, eine Verbindung zu Gott in ihrem eigenen Leben zu halten.

Daher also: Finde einen gläubigen Menschen.

Und meine Schülerinnen suchen und finden: Zuerst einige Stars, die sich zu ihrem Glauben bekennen: ein Sportler, der sich religiöse Tattoos stechen lässt; ein Schauspieler, der aus der Bibel liest; Sänger und Sängerinnen, die ihre Erfahrungen in ihrer Musik verarbeiten. Ein junger Mann, der im Internet seine Überzeugung lebensnah und zeitgemäß rüberbringt. Diese Menschen leben also ihren Glauben in der Öffentlichkeit.

Wir erkennen: Das braucht Mut und macht anderen Mut.

Und dann erzählen Schülerinnen von realen Begegnungen, von Gesprächen, Telefonaten mit Menschen, die ihnen nahestehen. Wir hören von einigen Omas und einem Opa, die schon ihr ganzes Leben lang ihren Glauben leben. Dann gibt es eine Nachbarin, eine Tante, eine Freundin aus dem Konfirmationskurs. Ja, so berichten die Schülerinnen, es bedeutet Überwindung, die Frage nach Gott zu stellen. Aber dann entspinnen sich hier und dort tiefgründige Gespräche – im wahrsten Sinne des Wortes über "Gott und die Welt". Wo die Schülerinnen nachfragen, erfahren sie Lebensgeschichten, schaffen neue Nähe und Verbindungen. In einzelnen Augenpaaren meine ich etwas aufblitzen zu sehen: Ist es ein Erstaunen? Mich jedenfalls erstaunt, was einige der Schülerinnen aus ihrer Hausaufgabe für sich herausgeholt haben: Eine unerwartete und wohltuende Nähe – verbunden mit dem Gefühl über Gott kann ich sprechen – eben nicht nur im Religionsunterricht.

Das lässt mich eine kleine Hoffnung wagen: Die Rede von Gott ist nicht völlig verstummt. Gott ist da, erreichbar, in Menschen, aus dem eigenen Leben und Alltag. Dort sind sie die eigentlichen Religionslehrer und -lehrerinnen. "Verbündete" möchte ich es gar wagen sie zu nennen – hoffentlich, ohne irgendjemanden zu vereinnahmen. In meinen Gedanken möchte ich Sie diese Woche ganz bewusst mitnehmen – einfach als Motivation, die auch ich von Zeit zu Zeit brauche – wenn es wieder heißt: Montagmorgen. Religionsunterricht.

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