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Ein Altersheim für Kühe
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Ein Altersheim für Kühe

Charlotte von Winterfeld
Ein Beitrag von Charlotte von Winterfeld, Evangelische Pfarrerin, Frankfurt
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Jan Gerdes ist ein Landwirt anderer Art. Über seinen Hof habe ich einen Bericht im Fernsehen gesehen. Von seinen Eltern und Vorfahren hat der Landwirt vor 40 Jahren Hof Butenland auf der Halbinsel Butjadingen an der Nordsee übernommen. Zuerst hat er herkömmliche Milchvieh-Wirtschaft betrieben und Käse und Milch produziert. Dann war er der erste Bauer in der Region, der auf biologische Landwirtschaft umgestellt hat.

Artgerechte Tierhaltung und finanzielle Wirtschaftlichkeit passen oft nicht zusammen

Aber auch „bio“ ist keine heile Welt: Kühe, die nicht mehr genug Milch geben, die krank werden, die keine Kälber mehr bekommen, werden geschlachtet. Zu teuer ist es, sie weiter leben zu lassen. Jan Gerdes merkt: Artgerechte Haltung und finanzielle Wirtschaftlichkeit passen oft nicht zusammen.

„Der größte Irrtum ist, dass die Menschen denken, eine Kuh gibt automatisch Milch.“

Seit 1950 hat sich die jährliche Milchleistung je Kuh enorm gesteigert: Heute gibt Hochleistungstiere, die extrem überzüchtet sind und riesige Euter haben. Jan Gerdes sagt: „Der größte Irrtum ist, dass die Menschen denken, eine Kuh gibt automatisch Milch.“

Wenn die Kuh ein Kalb geboren hat, wird es ihr in der Regel sofort weggenommen. Die Mutter ruft oft noch Wochen später nach ihrem Kind. Der Landwirt sagt: „Die können so laut schreien – das kann man kilometerweit hören.“ Auch das Kalb sucht noch lange nach seiner Mutter und nuckelt überall, um das Euter der Mutter zu finden.

Ein Altersheim für Kühe

Jan Gerdes, der etwas andere Landwirt, konnte da nicht länger zuschauen. Vor rund 20 Jahren verkaufte er seine Kühe. Bis auf zehn. Denen geben er und seine Partnerin spontan das Versprechen: „Ihr dürft hierbleiben, solange wir hier sind.“ Damit ist das Kuh-Altersheim geboren.

Eine Kuh kann bis zu 30 Jahre alt werden

Jetzt leben ausrangierte Hochleistungs-Milchkühe und Kälber, die geschlachtet werden sollten, auf dem Hof. Wenn die Kühe nicht wie üblich mit 5 oder 6 Jahren geschlachtet werden, können sie bis zu 30 Jahre alt werden. Jan Gerdes will den Tieren einen schönen Lebensabend geben, ohne dass sie noch etwas leisten müssen. Das Ganze wird durch Spenden finanziert. Und natürlich kommen nur vegane Speisen dort auf den Tisch.

Statt Milchprodukten mal eine vegane Alternative ausprobieren

Mich hat das beeindruckt. Viele Details aus der Milchindustrie waren mir so nicht bekannt. Ich lebe zwar schon lange vegetarisch. Aber auf Milch, Joghurt und Käse verzichte ich ungern. Seit dem Bericht probiere ich jetzt auch mal vegane Alternativen: die gibt es ja beim Joghurt und beim Brotaufstrich. Und wenn ich mal Käse esse, dann mit Respekt und Genuss und sparsamer als früher.

Kühe gehören zu Gottes Schöpfung

Ich finde: Kühe gehören zu Gottes Schöpfung. Sie haben Gefühle und schließen Freundschaften. Der Landwirt an der Nordsee weiß: Er kann nicht alle Kühe der Welt retten. Für ihn sind seine alten und ausrangierten Kühe aber ein Mahnmal. Ein Mahnmal für mehr Frieden auf Erden. Frieden zwischen Mensch und Tier.

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