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Dran bleiben
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Dran bleiben

Sabine Müller-Langsdorf
Ein Beitrag von Sabine Müller-Langsdorf, Evangelische Pfarrerin, Zentrum Oekumene, Frankfurt
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In der Bibel wird von einer Frau erzählt. Sie kommt aus einem anderen Land und hat ein krankes Kind. Sie wünscht sich nichts sehnlicher, als dass ihr Kind gesund wird. Jesus besucht ihren Ort. Sein Ruf eilt ihm voraus: Dieser Mann heilt Kranke. Er ist fromm und achtet die Gebote der Bibel: Schütze die Schwachen. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.

Jesus und die fremde Frau

Die Frau mit dem kranken Kind geht zu Jesus. Sie bittet ihn, ihr Kind zu heilen. Zuerst antwortet er ihr mit keinem Wort und geht weiter. Als die Frau ihm hinterherschreit, vor ihm niederfällt und noch einmal um Hilfe bittet, ist Jesu Antwort mehr als beleidigend: „Was willst du? Ich bin gekommen, um meinen Landsleuten zu helfen. Du gehörst nicht dazu. Es ist nicht recht, den eigenen Kindern das Brot zu nehmen und es vor die Hunde zu werfen.“

Jesus verweigert einer Frau in Not die Hilfe

Hallo, geht´s noch? Solche Worte aus dem Mund von Jesus? Er verweigert einer Frau in Not die Hilfe. Er vergleicht sie und ihr Volk mit Hunden, die jeden Abfall fressen. Was für eine Sprache. Ausgrenzend und entwürdigend klingen diese Worte Jesu für mich. Würde mir jemand so antworten, ich würde mich auf dem Absatz umdrehen und gehen. Oder den Glauben an das Gute im Menschen verlieren.

Die Frau gibt nicht auf

Die Frau aber bleibt. Sie bleibt dran. An dem, was sie will. Und wovon sie überzeugt ist: Dieser Mann kann mir helfen. So nimmt sie geistesgegenwärtig und wortgewandt das Bild Jesu von dem Brot und den Hunden auf. Sie stimmt ihm sogar erst mal zu: „Ja, Herr.“ Es ist nicht recht, den Kindern das Brot zu nehmen. Eine Mutter weiß das, klar. Dann fügt sie hinzu: „Aber fressen nicht auch die Hunde von den Krümeln, die vom Tisch ihres Herrn fallen?“

„Aber fressen nicht auch die Hunde von den Krümeln, die vom Tisch ihres Herrn fallen?“

Ich finde diese Antwort genial. Die Frau führt Jesus seine Engstirnigkeit vor. Ihm, dem großen Lehrer, der Gottes Liebe für alle Menschen predigt. Hat er tatsächlich nur einen Tunnelblick für die eigenen Leute, die Kinder am eigenen Tisch?

Und sie sagt mit ihrer Antwort: Unterm Tisch ist auch Leben, das leben will. Dorthin lenkt sie Jesu Blick und sagt dem Mann aus Nazareth: „Auch die unterm Tisch sitzen, erwarten etwas von dir. Ich bin eine von ihnen. Ich brauche deine Hilfe. Ich will, dass meine Tochter wieder gesund wird. Hilf ihr, mach sie heil. Alles Leben ist wertvoll.“

Wie hat Jesus reagiert?

Ich wäre gerne Mäuschen gewesen in diesem Moment. Wie hat Jesus reagiert? Was lag in seinem Blick? Ärger? Oder hat er vielleicht sogar erstaunt gelacht über diese treffgenaue Retourkutsche der Frau? Jedenfalls hat er etwas von der Frau gelernt. Er sagt: „Frau, dein Glaube ist groß. Dir geschehe, wie du willst!“ Dranbleiben lohnt sich. Und ja: Wo es ums Menschenwohl geht und um die Würde, da gibt’s keine Ausreden und keine Grenzen.

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