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Herz an Herz
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Herz an Herz

Michael Becker
Ein Beitrag von Michael Becker, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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Er hatte Schulden. Viele Schulden. Und er hatte Alkohol. Aus Verzweiflung. Der Schriftsteller Joseph Roth (1894 – 1939) war nicht selber schuld, jedenfalls nicht nur. Er brauchte immer Geld für seine seelisch kranke Frau, deren Leben in einer Klinik er bezahlen wollte. Er wollte das unbedingt. Und schrieb ein wenig auch um sein Leben. Vor den Nazis floh er nach Frankreich. Und schrieb. Und trank.

Zwei Freunde: Joseph Roth und Stefan Zweig

Es wäre zum Verzweifeln - wäre da nicht sein bester Freund gewesen, auch Österreicher, auch berühmt. Der Schriftsteller Stefan Zweig (1881 – 1942). Der war reich und half, wo er konnte. Mit Geld und guten Worten. In einem Brief aus dem Jahr 1934 schreibt Zweig an Joseph Roth: Wir müssen das … "Trotz alledem" zum Leitwort unseres Lebens machen: die Menschen kennen und dennoch lieben.

Die Menschen kennen und sie trotzdem lieben

Zwei Berühmte - Herz an Herz. In der finsteren Zeit des Nationalsozialismus sind beide auf der Flucht. Verlassen ihre Heimat und halten sich fest an dem, was sie können: Schreiben. Sich ausdrücken, die Verzweiflung in Worte fassen. Wer Worte hat, überlebt eher. Das hoffen sie. Darum schreibt der Freund dem Freund: die Menschen kennen und dennoch lieben.

"Dennoch lieben"- eine der schwersten Aufgaben

Das ist wohl das Schwerste überhaupt, dieses "dennoch lieben". Wenn man am liebsten etwas ganz anders tun möchte: sich verkriechen oder wütend sein oder sich vielleicht sogar rächen, irgendwie. So möchte man es; aber so hilft man sich nicht. Wir dürfen das Böse nicht mit Bösem vergelten. Damit setzen wir das Böse ja nur fort, das wir selber nicht wollen. Und nutzen den Geist unserer Gegner. Genau das darf nicht sein, wenn wir den Geist der Welt ein wenig besser machen wollen.

Wir brauchen einen Geist, der dennoch liebt

Dann brauchen wir auch einen besseren Geist. Vielleicht gelingt ja manchmal so ein "Dennoch lieben", ein Überwinden des Bösen mit etwas Gutem (Römer12,21). Leicht ist das nicht, weiß Gott. Aber ohne das wird doch die Welt und unser Alltag nie besser. Ich will mir von anderen das Böse nicht vorschreiben lassen. Ich will in meinem Geist leben. In einem Geist, der dennoch liebt und achtet. Und wenn das keinen Erfolg hat, habe ich mich wenigstens bemüht. Vielleicht legt Gott ja dennoch seinen Segen darauf.

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