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Über den Glauben in Zeiten der Krisen
Pixabay/Warren Matthews

Über den Glauben in Zeiten der Krisen

Dr. Matthias Viertel
Ein Beitrag von Dr. Matthias Viertel, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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Jesus Christus sagt im Johannes-Evangelium: „In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ (Johannes 16,33) Ich kann diese Worte zurzeit gut nachvollziehen. Noch nie haben sie mir so aus der Seele gesprochen wie in diesen Wochen.

Zu viele Krisen aufeinmal

Es sind zu viele Krisen, die da auf einmal zusammenkommen. Sie dringen geradezu gnadenlos auf uns ein und verändern das ganze Leben. Der Krieg in der Ukraine hält mich in Atem. Die Klimakatastrophe mit ihren Unwettern und Hitzewellen raubt mir den Atem. Umweltschäden in Flüssen kommen dazu, und die Epidemie ist auch nicht überwunden.

Dazu die Konsequenzen, die daraus erwachsen: Woher soll das Gas für die Heizung im Winter kommen? Wie soll ich die zusätzlichen Kosten für die Preissteigerungen auffangen? Das alles überfordert und macht Angst.

Der Umgangston wird härter

Vieles ist nicht mehr, wie es einmal war. Und es steht zu befürchten: Manches wird auch nie wieder wie früher oder wie wir es gerne hätten. Viele Menschen reagieren auf die Herausforderungen mit Ratlosigkeit und Ärger. Der Umgangston wird härter.

Welche Rolle spielt die Kirche?

Welche Rolle spielt die Kirche angesichts der Ängste, die diese Unsicherheit hervorbringt? Was bedeutet es für den Glauben, kann er sich in Zeiten der Krise bewähren? Und wie sieht die Perspektive aus, die jetzt hilft, die neuen Mut macht, die mich tröstet und Hoffnung weckt?

Angst zu haben, gehört zum Leben dazu

Jesus Christus sagt einfühlsam: „In der Welt habt ihr Angst.“ Das ist schon mal etwas erleichternd. Dann fühle ich mich mit meinen Sorgen nicht mehr so alleine gelassen. Es geht anderen genauso. Offenbar gehört es zum Leben dazu, Angst zu haben. Aber dann fährt Jesus mit seiner Rede fort und zwar mit einem Trost, der geheimnisvoll klingt. „Ich habe die Welt überwunden“, sagt er wie zur Begründung. Das lässt aufhorchen, denn Jesus rühmt sich nicht damit, die Angst überwunden zu haben, sondern die Welt.

Jesus hat die Welt überwunden

Was kann damit gemeint sein? Die Welt zu überwinden verstehe ich zurzeit so: Lass dich nicht von den Nachrichten überwältigen! Bewahre Abstand, halte fest an dem Glauben, verlier das Vertrauen nicht, auch wenn so vieles dagegen spricht. Nicht die Angst ist das Problem, sondern die Einstellung zur Welt, die die Angst macht.

Musik: Johann Philipp Förtsch, Aus der Tiefe rufe ich, Herr zu dir (Monika Mauch, Barbara Büble, Sopran, Alex Potter, Alt, Hans Jörg Mammel, Tenor, Markus Flaig, Bass, L’arpa festante unter Rien Voskuilen)

Die Kuppeln der orthodoxen Kirchen sind ein direktes Abbild des Himmels

Auf Reisen besuche ich gerne die Kirchen dort, wo ich gerade bin. Vor allem in Griechenland liebe ich die alten, schon verwitterten Dorfkirchen mit ihrer prächtigen Gestaltung im Inneren. Die orthodoxen Ikonen erscheinen mir wie Bildergeschichten, in denen ich stundenlang lesen könnte. Und am Ende des Besuchs geht mein Blick meistens nach oben zur Kuppel. In der Frömmigkeit der Orthodoxie ist sie das direkte Abbild des Himmels. Dort soll der Blick hingelenkt werden. Dort sollen die Gedanken verweilen, wenigstens für einen Moment.

Kruzifix oder leeres Kreuz - die Bedeutung ist unterschiedlich

Vieles von dem, was ich in den griechischen Kirchen entdecke, unterscheidet sich von dem, wie die Kirchen zuhause in Deutschland aussehen. Gerade deshalb wird mir einiges erst im Vergleich bewusst, Zusammenhänge, die ich sonst kaum hinterfrage, weil sie so selbstverständlich erscheinen. Zum Beispiel die Bedeutung des Kreuzes. Unsere Kirchen haben meistens ein Kreuz auf dem Altar, auf dem der Leib Christi zu sehen ist, ein sogenanntes Kruzifix. In den orthodoxen Kirchen hingegen ist das Kreuz stets leer. Und das ist keineswegs ein nebensächliches Detail. Es weist vielmehr auf eine sehr alte theologische Debatte hin.

Was unterscheidet die Frömmigkeit der Menschen in Griechenland und Deutschland?

Vor Jahren hatte ich auf Kreta beruflich zu tun und war dort in einer Akademie untergebracht, die an ein orthodoxes Kloster angeschlossen ist. Beim Rundgang über das Gelände kam ich mit einem Geistlichen ins Gespräch. Wir unterhielten uns über die Unterschiede in der Frömmigkeit der Menschen in Griechenland und Deutschland. So kamen wir auch auf das Kreuz in der Kirche zu sprechen. Alexandros Papaderos, so hieß der griechische Geistliche, sagte: „Ihr betet ja immer noch den gekreuzigten Jesus an, schaut auf seine Wundmale, wie er dort am Kreuz hängt und leidet. Wir orthodoxen Christen beten zu dem Auferstandenen, und der hängt natürlich nicht mehr am Kreuz, weil er ja auferstanden ist. Deshalb sind unsere Altarkreuze leer.“

Das Kruzifix hebt die Bedeutung des Todes Jesu als Opfer hervor

Im ersten Moment gefiel mir diese Gegenüberstellung überhaupt nicht. Ich wollte es nicht akzeptieren, weil es mir zu einfach erschien. Bei den katholischen Christen hat das Kruzifix eine besondere Bedeutung, zum Beispiel für das Gebet. So wird im Rosenkranzgebet die Aufmerksamkeit auf die Leiden Christi gelenkt, um die Bedeutung seines Todes als Opfer hervorzuheben. In evangelischen Kirchen ist das nicht so ausgeprägt, dort kann man beides finden: Kreuze mit dem Leib Christi und genauso welche ohne.

Was hilft gegen die Angst?

Aber dann, nach der ersten Reaktion komme ich ins Nachdenken: Es ist tatsächlich ein Unterschied, auf den mich der griechische Kollege da hingewiesen hat. Wonach richte ich mich aus: Ist es das leere Kreuz der Hoffnung darauf, dass Christus den Tod überwunden hat und auferstanden ist? Oder verweile ich mit meinen Augen und Gedanken bei dem Leid, das der gemarterte Christus am Kreuz so eindrucksvoll verkörpert? Welche Perspektive ist für mich wichtig? Woran hänge ich mein Herz? Was hilft mir gegen die Angst? Die Fixierung auf das Schlimme oder die Hoffnung auf Erlösung?

Musik: Georg Friedrich Händel, Sarabande aus der Suite in D Moll, HVW 437, (Ragna Schirmer)

Sodom und Gomorrah - Inbegriff der Schlechtigkeit

In Zeiten der Krise ist besonders wichtig, welche Perspektive ich einnehme. Gebe ich mich nur der Verzweiflung hin oder lasse ich Platz für die Hoffnung? Wie wichtig das ist, verdeutlicht eine Geschichte aus dem Alten Testament. Schon der Ort ihrer Handlung ist sprichwörtlich geworden: Sodom und Gomorrha. Davon sprechen wir, wenn alles aus dem Ruder läuft. In der Bibel sind diese beiden Städte ein Inbegriff dafür, wie Menschen sich falsch verhalten und dadurch eine Katastrophe auslösen.

Lot und seine Familie wollen raus aus dem Elend, die Bedingung: "Schau nicht zurück!"

In Sodom und Gomorrha kommt alles Schlechte zusammen: Die Einwohner verhalten sich asozial und gehen brutal gegen andere vor. Unruhen und Tumulte brechen aus. Es herrscht Chaos. Wo man hinblickt, tut sich ein neuer menschlicher Abgrund auf. Eine Klimakatastrophe steht bevor: Es wird Schwefel und Feuer regnen und die Städte vernichten. In einer der Städte befindet sich auch Lot, der Neffe von Abraham. Er will zusammen mit seiner Frau und seiner Familie raus aus dem Elend. Er sucht nach einem Ausweg, einem Weg in die Zukunft. Und er bekommt auch eine Chance, allerdings unter einer Bedingung. Zwei Boten Gottes raten ihm dringend: „Wenn du fliehst, schau nicht zurück!“ (1. Mose 19) Ich verstehe das so: Denk jetzt nicht an erlittenes Unrecht zurück. Klammer deine Ängste vorübergehend aus. Fixiere dich nicht auf das Schlechte, sonst erstarrst du. Schau stattdessen in die Zukunft!

Lots Frau blickt zurück

Lot beherzigt das. Aber seine Frau schafft es nicht. Sie möchte wenigstens einen kurzen Blick zurückwerfen, noch einmal innehalten.Ich kann das gut nachempfinden: Die Versuchung ist groß, immer wieder auf das zu schauen, wovor ich mich fürchte. Aber ihr, der Frau von Lot, wird dieser Moment zum Verhängnis. Indem sie sich umdreht und zurückblickt, erstarrt sie und wird zu einer Salzsäule.

In Zeiten von Krieg und Krise kann nicht zurückzuschauen Sinn machen

Bleib nicht stehen und schau nicht zurück! Psychologen werden diesen Rat wohl eher kritisch betrachten. Immerhin gehört es zum Kern der psychoanalytischen Beratung, die Aufmerksamkeit gerade auf die Vergangenheit zu lenken. Man spricht dann davon, die Vergangenheit zu verarbeiten. Aber in Zeiten der Krise ergibt die Empfehlung, nicht zurückzuschauen, dennoch Sinn.

Die eigene Angst wächst, wenn auch andere keinen Ausweg sehen

Die Erzählung von Lot und seiner Frau ist eine Angstgeschichte. Wer Angst hat, sucht nach Auswegen. So wie Lot, der mit seiner Familie einfach nur weg will. Angst entsteht dort, wo ich den Eindruck bekomme: Ich habe die Probleme nicht mehr im Griff. Ich verliere die Übersicht. Und meine Angst wird dann noch größer, wenn auch die anderen ratlos sind, wenn ich selbst den Politikern keinen Ausweg mehr zutraue. Die eigene Ohnmacht auszuhalten, ist schon schlimm. Besonders schwer aber ist es, auch alle anderen als ohnmächtig zu erleben, ohne Perspektive.

Bleib nicht stehen und schau nicht zurück! Diese Empfehlung wird genau in diesem Moment sinnvoll. Um nicht zu blockieren, damit ich mich nicht von den Problemen überwältigen lasse und mich nicht in den Ängsten festkralle.

In der biblischen Geschichte wird Lot in seinem Blick nach vorne unterstützt. Zwei Engel sind es, die ihn begleiten. Sie nehmen ihn vorübergehend an die Hand, damit ihn der Mut nicht verlässt. Damit er einen Weg aus der Angst findet.

Musik: Johann Philipp Förtsch, Der Herr hat seinen Engeln befohlen, (Magdalena Podkoscielna, Andrea Lauren Brown, David Erler, Hans Jörg Mammel, Harry van der Kamp, Bremen Weser-Renaissance unter Manfred Cordes)

Engel mit therapeutischer Wirkung

In biblischen Erzählungen kommen gerne Engel ins Spiel, wenn die Situation vertrackt ist. Die Engel sind dann Ausdruck dafür, dass du nicht alleine bist, dass jemand dich vorübergehend an die Hand nimmt. So gesehen haben diese himmlischen Gestalten eine therapeutische Wirkung. Sie helfen dabei, Ängste anzunehmen und trotzdem zuversichtlich nach vorne zu blicken.

Auch die Musik kann Menschen von Ängsten befreien

In den Krisen unserer Zeit brauche ich auch so ein Geleit, das mich spüren lässt: Du bist nicht allein, du kannst Vertrauen schöpfen. Aber so leicht wie früher ist das nicht mehr. Die Aufklärung hat die Vorstellungen von Hölle und Teufel als mittelalterlich beiseitegeschoben. Dadurch ist zugleich die Hoffnung auf Hilfe durch Engel zweifelhafter geworden. Aber es gibt andere Ausdrucksformen, die die Aufgabe der Engel übernommen haben. Es gibt Möglichkeiten, den verängstigten Menschen an die Hand zu nehmen und ihn in die Zukunft zu führen. Eine davon ist die Musik. In einem Interview hat der Dirigent Lorin Maazel einmal gesagt, Musik hätte die Aufgabe, Menschen von ihren Ängsten zu erlösen.[i]

Orpheus erweicht mit seinem Gesang die Götter

Diese geheimnisvolle Kraft der Musik, Menschen von ihren Qualen zu befreien, wird schon Orpheus in dem antiken Mythos zugesprochen. In der Erzählung von Orpheus und Eurydike beeindruckt der legendäre Sänger die Götterwelt dermaßen, dass sie ihm etwas Außergewöhnliches gestattet: Er darf seine geliebte, tragisch jung verstorbene Eurydike aus der Unterwelt zurück ins Leben holen. Sein Gesang soll überwältigend gewesen sein. Sogar der Höllenhund Cerberus verstummt andächtig, als Orpheus zu seiner Lyra greift.

Orpheus blickt zurück

So gelangt er ins Reich der Toten. Eurydike darf ihm zurück in die Oberwelt folgen. Einzige Bedingung: Orpheus darf sich auf dem Weg nicht nach seiner Geliebten umdrehen. Aber er scheitert. Auf halber Strecke wird er unsicher, ob sie hinter ihm ist, weil er ihre Schritte nicht hört. Er bleibt stehen und schaut zurück. Es ergeht den beiden ähnlich wie in der Bibel Lot und seiner Frau. Eurydike entschwindet wieder in die Unterwelt. Der Blick zurück hat den Neuanfang verhindert.

Wenn Musik und Religion zusammen wirken

Trotzdem. Was bleibt, ist: Orpheus‘ Gesang hat in dieser Sage die Kraft, sogar die Grenze zwischen Lebenden und Toten zu überwinden. Wie kommt die Musik zu so einer hohen Einschätzung? Warum kann sie Menschen trösten? Eigentlich ist das ja die Aufgabe der Religion, Menschen von ihren Ängsten zu befreien und ihnen Hoffnung über den Tod hinaus zu schenken. Aber offenbar geht das am besten, wenn die Religion mit der Musik Hand in Hand geht. Vielleicht weil es im Fluss der Töne immer stetig vorangeht, niemals zurück. Die dahinfließenden Klänge ziehen mich mit, und sie lassen niemanden zurück. Sie schaffen sogar ein bisschen Distanz zur Welt, so dass die Probleme zumindest vorübergehend in den Hintergrund rücken und ich durchatmen kann.

Musik ist die Sprache der Seele

Aber dazu braucht die Musik noch etwas mehr, eine Art Überschuss. Denn nicht jede Schlagermelodie kann trösten; nicht jeder Marschrhythmus zeugt von der Wärme der Mitmenschlichkeit. Musik ist die Sprache der Seele und bedient dabei unsere Gefühle: Sehnsüchte und Schmerzen, Hoffnungen und Ängste kommen dabei gleichermaßen vor. Wenn diese Gefühle ernst genommen werden, wenn der Klang der Musik die Seele in die Hand nimmt und sie mit Würde auf ihrem Weg leitet, dient sie nicht mehr nur der Unterhaltung und dem Zeitvertreib. In dem Moment, in dem die Musik über sich selbst hinausweist, auf etwas ganze Anderes, etwas Großes, gewinnt sie diesen gewissen Funken an Transzendenz, in dem die Herrlichkeit Gottes aufleuchtet.

Und wenn dabei beides zusammenkommt, der Glaube und die Musik, dann kann wirklich nichts so gut trösten wie der Klang einer Melodie. Dann wirkt die Musik tatsächlich befreiend.

Musik: Christoph Willibald Gluck, Che farò senza Euridice, aus der Oper Orpheus und Eurydike, Wq. 30 III. Akt, (Philippe Jaroussky)

Woran hänge ich in der Krise mein Herz?

Woran hänge ich in der Krise mein Herz? Sind es die Probleme, die mich in den Bann ziehen und nicht mehr loslassen? Oder ist es eher die Hoffnung auf Lösungen, die mitunter etwas naiv wirkt? Diese Alternative lässt sich auch theologisch ausdrücken: Stelle ich den gemarterten Leib Christi in den Vordergrund und sehe darin die Leiden unserer Zeit widergespiegelt? Oder bete ich zu dem auferstandenen Christus, der dieses Leid überwunden hat?

Probleme zu übersehen oder in Hoffnungslosigkeit versinken ist keine Lösung

Wahrscheinlich ist beides wichtig, ja gar nicht voneinander zu trennen. Auf der einen Seite hat es keinen Zweck, die Probleme einfach zu übersehen oder sie wegzureden. Auf der anderen Seite hilft es nicht weiter, wenn ich in Hoffnungslosigkeit versinke und vor der Größe und Zahl der Probleme erstarre. Deshalb mag der Blick zurück wohl verständlich sein. In einigen Situationen ist er sogar wichtig. Aber wenn ich den Eindruck habe, dass alle Dämme brechen und die Hoffnungslosigkeit mich überflutet, wird es immer wichtiger, strikt nach vorne zu schauen.

Im Glauben Hilfe finden

Und dann darf ich mich auch getrost bei der Hand nehmen lassen. Dazu müssen nicht plötzlich Engel auftreten, die mich führen und leiten. Der Glaube kann auch in anderer Weise helfen und mir zeigen, wie ich aus der Krise herauskomme, wie ich neue Stärke gewinne. Zum Beispiel indem ich meine Hände falte und innerlich still werde. Damit fängt es an, denn so findet meine Seele Ruhe.

Still werden und Beten

Statt Stille halten kann ich auch Worte sprechen, die mir vertraut sind: etwa das Vaterunser, den 23. Psalm „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln“ oder eine Seligpreisung aus der Bergpredigt von Jesus: „Selig sind, die Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden“ oder „Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen“. Dann kreise ich nicht um die immer gleichen Gedanken, die mich sorgen und ängstigen. Auf diese Weise findet die Seele Hoffnung.

Mir hilft außerdem, wenn ich mit anderen an einem Tisch sitze, etwa ein Brot teile oder gemeinsam ein Glas Wein trinke. Dann fühle ich mich nicht alleingelassen, kann mit anderen teilen, was mich bedrückt, und hören, ob es ihnen ähnlich geht. In der Gemeinschaft findet meine Seele einen Weg aus der Isolation.

Und dann ist da noch die Musik als Mittel, um getrost zu werden. Singen. Das muss nicht immer laut sein. Schon das innere Mitsummen einer vertrauten Melodie, das Hören einer wunderbaren Musik genügt, um den Staub des Alltags hinter sich zu lassen und der Seele Flügel zu verleihen.

Kleine Schritte können die Erstarrung lösen

Meine Erfahrung ist: Der Glaube kann mir tatsächlich helfen, Zeiten der Hoffnungslosigkeit zu überwinden und einen Weg aus der Krise zu finden. Es gibt einige Möglichkeiten, gegen die Resignation anzugehen. Es sind für sich genommen nur kleine Schritte, aber sie lösen die innere Erstarrung. Die Probleme sind damit zwar nicht verschwunden, aber sie werden kleiner, wirken nicht mehr wie unüberwindbare Berge. Es ist so wie bei meinem Blick auf das Kreuz: Der leidende Christus ist noch gegenwärtig. Ich denke rückblickend an das, was er ertragen hat, und an das Leid, das es in der Welt gibt. Aber zugleich ist das Kreuz leer. Da hängt kein geschundener Körper. Der gekreuzigte Christus ist vom Tod auferstanden. Seine Auferstehung schenkt mir Hoffnung.

Musik: Evaristo Felice Dall'Abaco, Concerto IX Op. 6, 3. Satz, (Alberto Rasi, Davide Monti, Il Tempio Armonico Orchestra Barock)


[i] Zitiert nach: Luise Rinser, Die Aufgabe der Musk in der Gesellschaft von heute. S. Fischer Verlag Frankfurt a.M. 1986.

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