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Juden und Christen auf Augenhöhe
GettyImages/Fizkes

Juden und Christen auf Augenhöhe

Dr. Peter Kristen
Ein Beitrag von Dr. Peter Kristen, Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt
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Aus rechtlichen Gründen können wir die Kunstpostkarte nicht zeigen, von der Autor Peter Kristen spricht. Das Foto oben zeigt ein gleichberechtigtes Gespräch, Ziel des Verhältnisses von Juden und Christen. 

Neben meinem Schreibtisch hab‘ ich eine Kunstpostkarte aufgehängt. Sie zeigt zwei Frauenfiguren. Die eine heißt Ekklesia und stellt die christliche Kirche dar, die andere die jüdische Synagoge. Es sehen erfrischend anders aus als Figuren von früher.

Kunst ist nicht harmlos

Seit dem Mittelalter gibt es diese beiden Frauenfiguren lebensgroß in Stein gemeißelt an vielen Kirchenportalen. Auch in Worms und Trier stehen sie sich gegenüber. Sie stellen die angebliche Überlegenheit der Kirche über die Synagoge vor Augen. Da hält die Frau, die die Kirche darstellt, einen Abendmahlskelch in der rechten Hand und ein Kreuz in der linken. Der Frau, die die Synagoge darstellt, rutscht dagegen die Krone vom Kopf. Eine Augenbinde lässt sie blind erscheinen. Ihr Stab ist zerbrochen und die beiden Tafeln mit den Geboten Gottes hält sie kraftlos und verkehrt herum.

Figuren, die Jahrhunderte das Bild von Juden und Christen neagitv prägten

In Stein gemeißelt ist hier die Behauptung, das Christentum sei dem Judentum überlegen. Die Gnade Gottes sei vom Volk Israel auf die übergegangen, die sich unter dem Kreuz versammeln. Das hat das gesellschaftliche Klima vergiftet: Es hat dazu beigetragen, dass jüdische Menschen immer wieder verfolgt und dann in der Nazizeit entrechtet und ermordet werden konnten.

Der Jude Jesus von Nazareth

Viel zu lang hat die Christenheit gebraucht, um neu zu entdecken: der Jude Jesus und seine Botschaft sind fest verwurzelt in der jüdischen Tradition; ohne sie gäbe es kein Christentum. Kirche und Synagoge sind eng verwandt, wie Geschwister oder Mutter und Tochter.

Wie umgehen mit negativen Kunstwerken?

Einfach abbauen kann man die Figuren an den Kirchenportalen natürlich nicht in Paris und Bamberg, Trier oder Worms. Aber man kann ihnen neue Bilder entgegensetzen.

Neue, bessere Bilder

In Philadelphia in den USA  steht eine Skulptur. Sie stellt dieses neue, geschwisterliche Bild von jüdischen und christlichen Menschen dar. Die ist auf der Postkarte neben meinem Schreibtisch abgebildet.

Sich kennenlernen. Voneinander lernen. 

Zwei junge Frauen, Synagoge und Kirche, sitzen eng beieinander. Noch ein bisschen vorsichtig, aber erwartungsvoll wenden sie sich einander zu. Beide tragen eine Krone. Sie halten ihre heiligen Schriften geöffnet bereit, als wollten sie ein Gespräch beginnen, miteinander diskutieren und voneinander lernen. Was für eine wunderbare Perspektive! Was in Stein gemeißelt ist, kann lange halten, aber überwunden werden kann es auch.

 

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