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Der Griff nach oben – Psalm 23
pixabay /Shri Ram

Der Griff nach oben – Psalm 23

Jörg Ahlbrecht
Ein Beitrag von Jörg Ahlbrecht, Evangelischer Pastor, Marburg
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Ich habe die Situation völlig falsch eingeschätzt. Meine Tochter hatte sich gewünscht, mit mir in einem Hochseilgarten klettern zu gehen. Ich habe zugestimmt.

Von unten sah das auch gar nicht so hoch aus. Aber jetzt – auf dieser Plattform in sechs Metern Höhe – das war eine völlig andere Nummer.

Die erste Etappe war eine Art Hängebrücke aus schwankenden Planken bis zum nächsten Baum. Meine Tochter war schon auf der anderen Seite. "Papa, kommst du?"

Mein Verstand wusste: Ich bin gesichert. Meinem Bauch war das egal

Ich machte den ersten Schritt. Es ging. Dann den zweiten und dritten. Die Brücke fing an zu schwanken. Mein Verstand wusste: Ich bin zweifach gesichert an einem Drahtseil über mir. Ich kann nicht abstürzen. Aber dem flauen Gefühl in meinem Bauch war das egal. 

Mein Trick gegen die Angst

Instinktiv griff meine Hand nach oben zu dem einzigen Punkt, der mir irgendwie fest schien: dem Haken an der Sicherungsleine. Ich merkte, wenn ich mich an diesem Haken festhalte, habe ich das nötige Vertrauen, um über den schwankenden Abgrund zu kommen.

Von Station zu Station funktionierte es mit meinem Griff nach oben besser. Als selbst meine Tochter Schwierigkeiten beim Klettern bekam, habe ich ihr meinen kleinen Trick verraten. 

Wir klettern gerade über viele Abgründe

Zurzeit denke ich öfter mal an die Kletterpartie im Hochseilgarten. Das Leben erscheint mir aktuell ähnlich zu sein. Krieg, Inflation, steigende Energiekosten, Klimakrise – wir klettern da gerade über eine ganze Reihe von Abgründen. Da brauche ich ebenfalls einen Griff nach oben. Einen festen Punkt, einen Halt.  

Für mich ist ein altes Gebet aus der Bibel so ein "Griff nach oben". Das Gebet heißt Psalm 23 und beginnt: "Der Herr ist mein Hirte! Mir wird nichts mangeln."

Ich muss nicht alles verstehen. Aber ich kann vertrauen

Ich finde den Gedanken tröstlich: Gott ist wie ein Hirte, der sich um mich und um die ganze Welt kümmert. Der Hirte hat mehr Überblick. Ich muss nicht alles verstehen. Aber ich kann vertrauen. 

Ich vertraue darauf, dass Gott mich mit dem versorgt, was ich wirklich brauche. Liebe. Hoffnung. Freude. Sinn. Verbundenheit mit anderen Menschen.

Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Ich bete diesen Satz immer wieder. Denn jeder Tag hat seine Herausforderungen. Da hilft mir dieser Griff nach oben. 

Als ich mit meiner Tochter aus dem Hochseilgarten auf dem Weg nach Hause war, sagte sie: "Du Papa, das mit dem Griff nach oben war wirklich super!"
 

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