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Zu früh gestorben

Zu früh gestorben

Clemens Weißenberger
Ein Beitrag von Clemens Weißenberger, Katholischer Pastoralreferent, Frankfurt
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Ich sehe sie noch immer vor mir sitzen, die junge Frau, die in einem eigentlich ganz anderen Zusammenhang dann plötzlich sagte: „Und ich habe mein Kind verloren.“ Da brach plötzlich die ganze Trauer aus ihr heraus. Die Trauer über den Verlust des Kindes, das sie nie kennenlernte. Die Trauer über das Unverständnis ihrer Familie, die sie hat stumm werden lassen. Und die Trauer darüber, das Gefühl zu haben, als Mutter versagt zu haben. Das ist schon über 20 Jahre her, und dennoch/trotzdem steht mir die Szene bis heute lebendig vor Augen.

Jede zehnte Schwangerschaft weltweit endet so

Es war schwer für die junge Frau damals, sie Situation auszuhalten. Sie konnte einfach nicht begreifen, dass Frühgeburten eine Laune der Natur sein können. Und dass das, was ihr passiert ist, auch vielen anderen Frauen passiert: Weltweit kommen eine Million Kinder zu früh zur Welt und sterben. Jede zehnte Schwangerschaft endet so. Gut nur, dass eine würdevolle Bestattung der Kinder heute eher die Regel ist. Das alles ist aber eine Sache des Verstandes. Ich finde es viel wichtiger, auch dem Herz und dem Schmerz Raum zu geben. Die Trauer zuzulassen und die Tränen zu trocknen.

Trauer der Eltern ermöglichen und an die Kinder denken

Darüber reden, das passiert besonders heute, am Tag der Frühgeburt. Und es ist wichtig, auf Mütter und Väter und deren Leid, aber auch die verstorbenen Kinder hinzuweisen. Und Orte der Trauer zu ermöglichen. Und an die Kinder zu denken. Das geschieht in diesen Tagen in vielen Gottesdiensten. Wie am vergangenen Sonntag in Frankfurt. Oder am kommenden Samstag in Darmstadt.

Gemeinsam trauern und einen Ort der Erinnerung schaffen

Vor mehr als 20 Jahren haben wir das auch gemacht. Freundinnen der jungen Frau haben den Gottesdienst gestaltet. Wir haben zusammen geschwiegen, gesungen, gebetet und geweint. Wir haben versucht, gemeinsam aufzufangen, was der jungen Frau widerfahren ist. Und was wir doch nicht auffangen oder ausgleichen können. Aber wir waren da, haben gezeigt, dass wir mit ihr leiden. So haben wir unseren Glauben geteilt und auch darauf gehofft, dass Gottes Guter Geist bei uns ist. Wir haben uns auch daran erinnert: Auch dieses verstorbene Kind ist von Gott bejaht und geliebt. Und es soll auch deswegen einen würdigen Ort der Erinnerung haben.

Ein Wort, das damals und heute Kraft und Trost spendet

Noch immer ist mir ein Wort der Bibel in Erinnerung, das der Frau vor so vielen Jahren und mir noch heute Kraft und Trost ist: „Denn jeden, der nach meinem Namen benannt ist, / habe ich zu meiner Ehre erschaffen, / geformt und gemacht“ (Jesaja 43,7).

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