Toleranz ist mehr
Es fehlt weltweit an Toleranz, dachte sich die UNO und rief 1995 den heutigen Tag aus, den „Tag der Toleranz“. Der frühere UN- Generalsekretär Ban Ki-moon erklärte 2012: Wir müssen dem Anstieg an Ignoranz, Extremismus und auf Hass basierender Politik entgegenwirken. Echte Toleranz brauche “einen freien Fluss von Ideen, hochwertige Bildung für alle, Respekt vor den Menschenrechten und interkulturelle Verständigung”.
Gegensätzliche Standpunkte tolerieren ist nicht leicht
Toleranz meint vor allem, einen anderen vernünftigen Standpunkt auszuhalten, auch wenn es nicht meiner ist. Auch ich finde das manchmal gar nicht so leicht. Andere politische Meinungen in meiner Familie aushalten, andere religiöse Vorstellungen in meiner Kirchengemeinde – oder auch eine andere religiöse Praxis von Gläubigen anderer Religionen. Wir in Deutschland haben die durchs Grundgesetz garantierte Freiheit, Religion ausüben zu können. Aber was an der Praxis in anderen Religionen muss ich aushalten oder gar tolerieren?
Respektieren, dass jemand anderen Glaubens ist
Es ist schwer, religiös tolerant zu sein, wenn ich der Überzeugung bin, dass mein Glaube allein der richtige ist und der Glaube andere Menschen eben falsch ist. Deswegen ist es eine riesengroße Haltung, die Religion von jemandem anderen wertzuschätzen. Sie fordert, den Anderen mit seinen abweichenden Glaubensüberzeugungen nicht nur zu dulden, sondern die Unterschiede zu sehen und seine abweichende religiöse Auffassung als ebenso legitim anzusehen. Wenn sie vernünftig und nachvollziehbar ist. Ich bin davon überzeugt: Ich kann an meinem Glauben festhalten und zugleich gut aushalten, dass jemand anderer etwas anderes glaubt. Dabei denke ich, dass Toleranz gerade das ist: Auch auszuhalten, dass jemand anderer Meinung, anderen Glaubens ist.
Jesus hat alle Menschen respektvoll behandelt und Toleranz gelebt
Ich sehe vor allem im Leben Jesu die Idee der Toleranz grundgelegt und gelebt. Er hat jedem Menschen geholfen, hat jedem Menschen geantwortet, der sich an ihn wandte, egal, woher er kam, ob die anderen ihn für wertvoll erachteten oder als Teil der Gesellschaft. Ihm war jeder Mensch gleich wichtig, und er hat es ausgehalten, dass die Menschen eben auch unterschiedlich sind.
Nicht nur ich bin frei, sondern jeder Mensch
Für mich beginnt das alles schon damit, dass die anderen und ich selber existieren. Ich glaube: Die Welt und wir Menschen sind Geschöpfe Gottes und von ihm abhängig. Dadurch aber bekomme ich eine einzigartige Würde. Ich bin frei geschaffen. Aber nicht nur ich bin frei, sondern jeder Mensch. Im Glauben erkenne ich an: Wir Menschen sind aufeinander angewiesen, wir müssen uns einander ertragen, nicht in bloßer Duldung, sondern in Hochschätzung und Respekt gegenüber dem Anderen. Eben in gelebter Toleranz.