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Gott hat keine Lust auf unsere Schablonen
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Gott hat keine Lust auf unsere Schablonen

Simone Twents
Ein Beitrag von Simone Twents, Katholische Dezernetin für Glaubenskommunikation und Pastorale Innovation, Fulda
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Ein Zitat, das ich sehr liebe und das mich in meiner gut geordneten kirchlichen Behörde immer wieder gegen den Strich bürstet, habe ich mir in meinem Büro über den Schreibtisch gehängt: "Jesus Christus kann die langweiligen Schablonen durchbrechen, in denen wir uns anmaßen, ihn gefangen zu halten, und überrascht uns mit seiner beständigen göttlichen Kreativität." Das ist aus einer Papstenzyklika von Papst Franziskus.

Gott berührt auch heute Menschen. Inmitten unserer säkularen Postmoderne. Zwischen Himmel und Erde geschieht viel mehr, als wir ahnen. Gott ist nicht müde geworden. Er hat nur oft keine Lust auf unsere Schubladen. Er nimmt sich das Recht heraus, neben meinen gerade gezogenen Gleisen zu wirken.

Schlüsselerlebnis

Um das zu begreifen, war ein Schlüsselerlebnis nötig. Ich hatte es an meiner vorigen Arbeitsstelle im katholischen Stadthaus in Düsseldorf, als ich noch relativ neu war. Ich kam aus der Jugendarbeit in ein sehr gediegenes und gehobenes kulturelles Ambiente und sollte dort Programm gestalten. Da war auch immer die Frage: Was ist denn wie inhaltlich und wie viel vom Evangelium, von der Frohen Botschaft Jesu, kommt rüber? Ich habe zum Beispiel eine Jazzkonzertreihe verantwortet, hatte aber immer diesen inhaltlichen Vorbehalt. An einem Tag war morgens eine Sitzung mit Vertretern verschiedener katholischer Bildungswerke zum Thema 50 Jahre 2. Vatikanisches Konzil. Wir wollten dazu eine Veranstaltungsreihe anbieten und ich habe gedacht: "Endlich mal wieder was Inhaltliches!" Aber die Sitzung wurde zur reinen Selbstbeweihräucherung. Eine typische "Guckt-mal-was-wir-alles-Tolles-machen"-Sitzung.

Gott wirkt auch beim Jazzkonzert

Am Abend hatte ich dann ein Jazzkonzert zu moderieren und als Veranstalterin zu begleiten. Beim Jazz geht es viel um Improvisation. Das braucht ganz viel Hören auf den anderen und Sensibilität. Und auch abseits der Musik war der Pianist sehr sensibel, denn vor der Tür des Jazzlokals stand immer Herr Hamid und verkaufte Obdachlosenzeitungen. Während des Konzertes sagte der Pianist zum Publikum: "Vor der Tür steht ein netter Herr und verkauft eine wertvolle Zeitung. Sie wissen alle, wofür das ist, und ich freue mich, wenn Sie beim Rausgehen eine Zeitung kaufen."

Göttliche Kreativität

Als ich am Abend auf der Bettkante meinen Tag Revue passieren ließ, habe ich mich gefragt: "Wo ist heute mehr Evangelium passiert? Am Vormittag bei der Sitzung, bei der es inhaltlich um das Evangelium gehen sollte oder am Abend beim Jazzkonzert?"

Die Antwort war für mich klar. Ich habe eine Erfahrung mit der göttlichen Kreativität gemacht und mit seiner Weise, neben den vermuteten kirchlichen Gleisen Menschen zu berühren. Damit möchte ich auch heute wieder rechnen.

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