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Gott in allen Dingen finden?
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Gott in allen Dingen finden?

Simone Twents
Ein Beitrag von Simone Twents, Katholische Dezernetin für Glaubenskommunikation und Pastorale Innovation, Fulda
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"Die Welt ist Gottes so voll. Aus allen Poren der Dinge quillt er gleichsam uns entgegen." Dieses Zitat von Alfred Delp ist ein typischer christlicher Kalenderspruch. Mir gefällt er. Ich habe das Zitat bei mir im Büro hängen, ganz groß. Gleichzeitig könnte ich sagen: Tja, der hat gut reden – es ist heute alles so schwierig – das war vielleicht früher so, dass Gott einem einfach aus den Dingen entgegengequollen ist und selbstverständlich war, heute ist das nicht mehr so! 

Hoffnung in dunklen Stunden

Aber: Auch für den Jesuitenpater Alfred Delp war es nicht einfach, Gott in den Dingen zu finden. Denn diesen berühmten Satz hat er geschrieben, als er 1945 in einer Todeszelle der Nazis saß. Es war ein letztes heimliches Schriftstück, das er aus der Zelle herausschmuggeln konnte. Es war ihm also wirklich brennend wichtig. "Die Welt ist Gottes so voll. Aus allen Poren der Dinge quillt er gleichsam uns entgegen." Also gilt auch in schwierigen Zeiten ganz genau so: Gott ist überall da. Und ich kann ihn in allem entdecken. Alfred Delp sieht eher das Problem darin, dass wir zu schnell in schön und böse sortieren, statt durchzuschauen bis an den tieferen Punkt, an dem die Dinge aus Gott herausströmen. Denn, so sagt er: "In allem will Gott Begegnung feiern."

Unsicher und nicht vorhersehbar

Wie kann ich in einer Zeit, in der viel von meiner bisherigen Sicherheit gefühlt den Bach runtergeht, von "Gott in allen Dingen" sprechen? Meine Friseurin sagte kürzlich: "Ich bin sauer, dass es meine schöne alte Bundesrepublik nicht mehr gibt." Was sie damit meint: Das Leben ist unsicherer und weniger vorhersehbar geworden. Stecke ich mich mit Corona an? Kann ich diesen Winter heizen? Kommt der Krieg bis zu uns? Diese Fragen hätte sich vor 4 Jahren noch kaum jemand von uns gestellt.

Gott ist schon da

Im Fernsehen habe ich kürzlich einen buddhistischen Mönch gesehen, der ganz friedlich und lächelnd sagt: "Es ist alles ganz und gar ungewiss, nicht wahr?" Und ehrlich gesagt funktioniert das Leben eigentlich immer schon so. Auch wenn ich mein Leben aus dem Glauben lebe: Gott ist gar nicht so vorhersehbar und greifbar, wie wir Christen ihn gerne hätten. Ich habe ihn nicht in der Tasche. Im Gegenteil, es geht um eine Schule im Vertrauen und im Loslassen.

"Die Welt ist Gottes so voll. Aus allen Poren der Dinge quillt er uns gleichsam entgegen. In allem will Gott Begegnung feiern." Also auch in meiner heutigen, sich schnell verändernden Welt des 21. Jahrhunderts: Gott ist schon da. Er wartet heute auf mich – in den unsicheren, nicht vorhersehbaren, schönen und doofen Ereignissen meines Alltags. Das macht mir Lust, ihn zu suchen!

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