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Immer alles richtig gemacht?
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Immer alles richtig gemacht?

Johannes Meier
Ein Beitrag von Johannes Meier, Evangelischer Pfarrer und Journalist, Kassel
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Anfang der Woche hat sie endlich ihr dröhnendes Schweigen gebrochen: Ex-Bundeskanzlerin Merkel gab ein abendfüllendes Interview auf der Bühne eines Theaters in Berlin. Mit Spannung war erwartet worden, was Angela Merkel wohl zur aktuellen Weltlage zu sagen hätte, vor allem zum Krieg in der Ukraine, zu Russland und Wladimir Putin. Tatsächlich nutze sie dann die Gelegenheit, um ihre Russlandpolitik zu erklären – und will im Umgang mit Wladimir Putin alles richtig gemacht haben.

Immer alles richtig gemacht?

Natürlich: Alles hat sie richtig gemacht. Kein Hauch von Reue oder Selbstkritik. Viele werfen der Altkanzlerin das jetzt vor. Hätte sie nicht schon vor Jahren ganz anders mit Russland und Putin umgehen müssen? – »Diplomatie ist ja nicht falsch, wenn sie nicht gelingt,“ sagt Angela Merkel in dem Interview. Deshalb werde sie sich nicht entschuldigen. – Das klingt schon fast nach den Worten eines anderen Altkanzlers: "Ich mache jetzt nicht einen auf Mea Culpa. Das ist nicht mein Ding", so Putin-Freund Gerhard Schröder.

Wer übernimmt eigentlich noch Verantwortung von "denen da oben"?

Typisch Politiker, könnte man jetzt sagen. Wer von „denen da oben“ übernimmt eigentlich noch Verantwortung, steht wirklich ein für die Konsequenzen seines Tuns und Lassens? Und sofort würden mir noch weitere Namen einfallen, von Verkehrs-, Gesundheits- und anderen Minister:innen, von denen man doch recht gerne mal eine Entschuldigung, ja, so ein „Mea Culpa“ gehört hätte!

Gebe ich selbst gerne zu, wenn ich mich geirrt habe?

Aber noch während ich in Gedanken eine immer längere Namensliste von solchen „Immer-alles-richtig-Machern“ bastle, muss ich an den alten Spruch mit dem Zeigefinger denken. Wenn ich den auf andere richte, weisen die übrigen Finger der Hand zurück auf mich selbst. Gebe ich es selbst etwa gerne zu, wenn ich daneben gelegen habe?

Andererseits: Bin ich Minister oder Bundeskanzler? Könnte man von denen nicht ein besonderes Verantwortungsbewusstsein verlangen, eine größere Bereitschaft, Fehler zuzugeben? Mea culpa!

Mea culpa!

Diese lateinische Wendung stammt übrigens aus dem alten Schuldbekenntnis, das am Beginn jeder katholischen Messfeier gesprochen wird. Auf Deutsch heißt es da: "Ich bekenne, dass ich Gutes unterlassen und Böses getan habe. Ich habe gesündigt in Gedanken, Worten und Werken durch meine Schuld."

Meine Schuld: Genau das, was kein Mensch gerne hört und noch weniger gerne zugibt, nicht nur als Politiker. Deshalb finde ich die vielen anklagenden Zeigefinger, die in diesen Tagen besonders auf die Bundeskanzlerin a.D. gerichtet werden, ziemlich heuchlerisch.

Gott vergibt am Ende alle Schuld

Mir selbst hilft da die Hoffnung, dass Gott mir meine Schuld am Ende vergeben wird. Aber wenn das so ist, dann brauche ich mir und anderen doch eigentlich nichts mehr vormachen, oder? Dann könnten wir Fehler doch auch mal zugeben – und ohne Furcht vor Gesichtsverlust um Entschuldigung bitten. Denn niemand muss, niemand kann immer alles richtig machen. Das gilt für mich, für Dich – und auch für Angela Merkel.

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