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"Jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näher kommen"
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"Jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näher kommen"

Verena Maria Kitz
Ein Beitrag von Verena Maria Kitz, Katholische Pastoralreferentin in St. Michael, Zentrum für Trauerseelsorge, Frankfurt
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„Jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näher kommen“, so heißt das neue Buch von Navid Kermani, dem deutsch-iranischen Schriftsteller. Jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näher kommen! Erst dachte ich bei dem Titel: „Was, einen Schritt näher? Es muss doch heißen: Einen Schritt weiter weg, Abstand halten, selbst wenn die Corona-Regeln gelockert sind.“

Besser als der Platzanweiser hätte der Prophet es nicht sagen können

Ich finde aber, die Aufforderung: Jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näher kommen, passt trotzdem. Gerade jetzt. Es geht ja nicht um Corona-Regeln. Navid Kermani hat diesen Titel in einer Erzählung im Tagebuch seines Großvaters gefunden: Über einen Mystiker Abu Said aus dem 11. Jahrhundert nach Christus. Als der für eine Predigt nach Tus im heutigen Iran kam, gab es einen Auflauf in der Moschee. Der Platzanweiser war völlig verzweifelt und rief: „Jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näher kommen.“ Da schloss Abu Said die Versammlung, heißt es, und sagte: „Alles, was ich sagen wollte und sämtliche Propheten gesagt haben, hat der Platzanweiser bereits gesagt.“

In diesem kleinen Satz steckt die ganze Weisheit der Welt

Jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näher kommen. In diesem kleinen Satz steckt die ganze Weisheit der Welt, sagt die Geschichte von Kermanis Großvater. Ich finde, er hat Recht. Und für mich hat das auch ganz viel mit Ostern zu tun: Einen Schritt näher kommen - sich ein Herz fassen – einander trauen. Es klingt so leicht und ist so schwer. Die vielen Bedenken gegen diesen einen kleinen Schritt kennen die meisten bestimmt.   

So fängt Frieden an

Den Mut, aber trotzdem einen Schritt näher zu gehen, sehe ich zum Beispiel bei Menschen, die Geflüchteten beistehen, Menschen aus der Ukraine oder schon länger anderen Geflüchteten. Aber auch nur mit jemandem in der Straßenbahn kurz zu reden, kann so ein Schritt näher sein. Das braucht etwas Mut, aber es kann helfen, sich besser kennenzulernen, vielleicht besser zu verstehen. So fängt Frieden an. Jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näher kommen. Ich finde, jeder Schritt dazu lohnt sich, gerade jetzt.

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