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Liebe funktioniert auch ohne „rosarote Brille“
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Liebe funktioniert auch ohne „rosarote Brille“

Christoph Schäfer
Ein Beitrag von Christoph Schäfer, Katholischer Religionslehrer, Rüsselsheim
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Für die Autorin Jane Austen kann ich mich immer wieder begeistern. Da geht es mir wie vielen anderen Fans auch. Denn auch wenn sie schon vor rund 200 Jahren gestorben ist: Vor allem ihre bissigen psychologischen Bemerkungen find ich aktuell und alltagstauglich. Elegant streut sie die immer wieder in die Handlung ihrer Liebesromane ein. Gerade hab ich wieder ihren Roman „Stolz und Vorurteil“ hervorgekramt. Und bin beim Lesen an einem Zitat hängen geblieben, über das ich immer wieder nachgedacht hab: Die ebenso scharfsichtige wie scharfzüngige junge Heldin Elizabeth Bennet erklärt da ihrer Schwester: „Es gibt nur wenige Menschen, die ich wirklich liebe. Und noch weniger sind es, von denen ich eine hohe Meinung habe.“

Diese beiden Dinge einfach mal trennen

Als ich das gelesen hab, hab ich mich nämlich gefragt: Gehört das eigentlich nicht immer zusammen - jemanden lieben und eine hohe Meinung von ihm haben? Aber dann hab ich gedacht: Es lohnt sich wirklich, diese beiden Dinge einfach mal zu trennen. Und dann ein bisschen über sein eigenes Umfeld nachzudenken. Ich fand das ziemlich befreiend. Denn ich hab tatsächlich gemerkt, dass ich mir dann leichter eingestehen kann: Ich mag viele Menschen um mich herum, hab sie sogar wirklich lieb. Aber manchmal versuch ich krampfhaft, Schwächen dieser Leute mit Hilfe einer rosaroten Brille auszublenden. Damit sie auch in meinem inneren Bild stets gut dastehen. Ein guter Freund von mir ist aber nun mal bis zum Exzess penibel. Da gibt es nichts zu rütteln. Und eine gute Bekannte geht mir mit ihrer Launenhaftigkeit manchmal ziemlich auf die Nerven.

Die Fehler....mit Humor zu nehmen

Allerdings würd ich, anders als die Romanfigur Elizabeth, nicht so weit gehen und sagen: Ich hab definitiv keine hohe Meinung von diesen Freunden oder Bekannten. Aber das Schöne an Romanzitaten ist ja, find ich: Ich muss sie nicht als feste Lebensregel zu 100 Prozent ernst nehmen. Schließlich verkündet diese Weisheit ja kein allwissender Guru, sondern nur eine, wenn auch ziemlich clevere Romanfigur.

Aber das Romanzitat regt mich an, die Liebe zu Mitmenschen, die ich mag, mit einer Portion Realismus zu verbinden. Ich möchte sie respektieren, aber nicht alle Fehler schönreden. Dieser Gedanke tut mir gut. Denn er gibt mir die Möglichkeit, die Fehler meiner Mitmenschen zwar nicht zu beseitigen. Aber: sie mit Humor zu nehmen.

 

 

 

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