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Nicht nur zur Weihnachtszeit
Bild: medio.tv / Zerhau

Nicht nur zur Weihnachtszeit

Kathrin Mantey
Ein Beitrag von Kathrin Mantey, Evangelische Pfarrerin, Marburg
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Zum Glück ist Weihnachten heute noch nicht vorbei. Der Heiligabend mit kleinen und großen Aufregungen, mit Kerzenschein und Geschenken liegt zwar hinter uns. Und auch der erste Weihnachtstag ist schon vergangen. Viele Menschen haben schöne Momente erlebt.

Schöne Momente am Weihnachtsfest

Manche haben in gemütlicher Runde am Tisch gesessen. Sie haben es sich mit der Familie oder mit Freunden richtig gutgehen lassen, egal ob mit einem großen Festmenü oder mit Würstchen und Kartoffelsalat. Manche haben bei der Bescherung einen lang ersehnten Wunsch erfüllt bekommen. Andere haben sich gefreut, weil das Geschenk, das sie ausgesucht hatten, richtig gut angekommen ist. Es gab fröhliche Gesichter, gute Gespräche, Musik und schöne Weihnachtsgottesdienste. 

Enttäuschungen am Fest

Für manche aber verlief das Fest bisher ganz anders. Es gibt Menschen, die heute Morgen enttäuscht denken: „Es ist doch noch gar nicht richtig Weihnachten gewesen.“ Vielleicht hat sich so mancher Wunsch nicht erfüllt und manche Erwartung wurde enttäuscht. Zumal das, was wir uns von Herzen wünschen, oft nicht für Geld zu kaufen ist. 

Sehnsucht nach Harmonie und Frieden

Das merke ich selbst: Mehr als nach irgendwelchen Geschenken sehne ich mich an Weihnachten nach Harmonie und Frieden! Was ich das restliche Jahr über ganz gut aushalten kann, macht mir in der Weihnachtszeit zu schaffen. Ich denke: Jetzt könnte es doch endlich mal gut sein! 

Könnten denn beispielsweise nicht wenigstens jetzt in der Ukraine die Waffen schweigen? Kann dieser grauenvolle Krieg nicht endlich enden? Ich spüre mehr als sonst, wie sehr ich mich nach Frieden sehne. 

Weitere Wünsche zu Weihnachten

Auch andere haben große und wichtige Wünsche: Kinder, die sich Frieden und Liebe in ihrer Familie wünschen. Der Streit der Eltern soll doch wenigstens an Weihnachten einmal ruhen. Die alte Dame, die sich endlich nette Nachbarn wünscht. Der Neue im Team, der sich wünscht, dass die anderen ihn sehen und wertschätzen. 

Diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Es gibt mindestens so viele Wünsche, wie es Menschen gibt. Und selten beschränken sie sich auf die Weihnachtszeit. Die meisten Wünsche haben mit unserem Alltag zu tun. Wir hoffen, dass es dort heller wird, wärmer und freundlicher. 

Dabei vergessen wir oft: An Weihnachten geht es eigentlich um den Alltag, um das, was zählt, wenn die letzten Reste vom Festmenü längst aufgegessen sind. Wenn kein Weihnachtsbaum mehr das Wohnzimmer schmückt. 

Das Licht des Sterns von Bethlehem

Wie Weihnachten mit unserem ganz normalen Leben verbunden ist, das zeigt für mich beispielhaft der Stern in der Weihnachtsgeschichte: Er leuchtete in der Nacht, als Jesus geboren wurde, besonders hell am Himmel. So erzählt es die Bibel. Man konnte ihn so gut sehen, dass sein Licht Sterndeuter von weither bis nach Bethlehem geführt hat, bis zum Kind in der Krippe. Das Licht, das damals die Nacht erleuchtet hat, kann ich auch heute entdecken.

Ein Blick auf die Sterne hilft zu verstehen

In Bethlehem leuchtete über dem Jesus-Kind im Stall ein besonders heller Stern. Und auch heute hilft ein Blick in den nächtlichen Himmel, um sich vorstellen zu können, wie die Geschichte dieses Kindes mit unserem Leben heute verbunden ist: Die Sterne, die wir sehen, schaffen mit ihrem Licht eine ganz besondere Verbindung von Raum und Zeit. Manches Sternenlicht, das wir am Himmel sehen, ist Jahrtausende, ja sogar Jahrmillionen lang zu uns unterwegs gewesen. Ich muss mir das immer wieder klar machen, so verrückt ist es eigentlich.

Das Licht mancher Sterne kommt mit zeitlicher Verzögerung bei uns an

Manche Sterne sind so weit von der Erde entfernt. Ihr Licht kommt erst mit großer Verzögerung bei uns an. Vielleicht hat der Stern, an dem ich mich jetzt gerade orientiere, dieses Licht schon vor Generationen losgeschickt. Aber genau jetzt sehe ich es. In dieser Nacht, in diesem Moment, macht es mein Leben etwas heller. 

Und andererseits ist manches, was jetzt gerade im Kosmos blitzt und strahlt, für uns noch gar nicht zu sehen: Bis es seinen Weg zur Erde gefunden haben wird, werden wiederum Generationen vergehen. 

Diese Verzögerung gibt es auch an Weihnachten

Diese Verzögerung zwischen dem, was jetzt ist und dem, was ich wahrnehme, die gibt es auch Weihnachten. Denn einerseits ist das, was wir da feiern, schon vor über 2000 Jahren geschehen: Auf wunderbare Weise ist Gott damals Mensch geworden. Im Kind in der Krippe ist er uns ganz nah gekommen. Er hat seine Liebe und seinen Frieden der ganzen Welt geschenkt. Aber wie das Sternenlicht, das über die Jahrtausende herüberscheint, sind sie nicht einfach vergangen. Sondern Gottes Liebe und Frieden sind über die Zeit hinweg bis heute wahrnehmbar.

Was damals geschehen ist, kann auch heut geschehen 

Was damals geschehen ist, hat auch heute die Kraft, das Leben nachhaltig zu verändern und es hell und warm zu machen. Auch wenn wir das manchmal nicht spüren. Ja, auch wenn die Kriege und Konflikte auf dieser Welt das Gegenteil vermuten lassen.

Gottes Liebe und Frieden sind in der Welt. Das Licht leuchtet und will sich ausbreiten – und zwar nicht nur an Weihnachten. Es ist Licht für das ganz normale Leben, auch jenseits der Festtage. Es bringt Liebe und Frieden dorthin, wo sie so dringend gebraucht werden: zu Kindern und Eltern oder Großeltern, zu Nachbarn oder zu Menschen, die miteinander arbeiten müssen. Vielleicht ist es dort, wo Unfriede herrscht, nur als kleiner Funken wahrzunehmen. Aber er ist in der Welt.

Es geschieht nicht automatisch am Heiligabend

Ich vertraue darauf: Das, was durch das Kind in der Krippe geschehen ist, kann ich spüren und erleben. Aber es ist nicht immer wahrnehmbar und vor allem: Es geschieht nicht unbedingt pünktlich zum Heiligabend. Sondern Weihnachts-Momente geschehen, wenn wir es nicht unbedingt erwarten. 

Weihnachtsmomente geschehen oft unerwartet

Weihnachtsmomente geschehen, wenn wir es nicht unbedingt erwarten. Ich habe es so erlebt: Wir waren als Familie vor Weihnachten gerade in eine neue Stadt gezogen. Manche Kisten standen noch unausgepackt in der Ecke. Unser Abschiedsschmerz war ganz frisch und die neue Umgebung erschien uns fremd. Weihnachten in diesem neuen Zuhause fühlte sich ungemütlich an. Außerdem steckten uns noch die Anstrengungen vom Umzug in den Knochen. Richtige Feststimmung ist jedenfalls nicht aufgekommen. Die Weihnachtstage vergingen.

Mein Weihnachtsmoment

Einige Tage später wollte ich mich nachmittags einfach mal ins Wohnzimmer setzen. Draußen hatte es geschneit. Die bunten Sterne aus Transparentpapier, die noch an der Fensterscheibe klebten, leuchteten intensiv. Und da war er plötzlich: Mein Weihnachtsmoment. Vor meinem inneren Auge habe ich die ältere Dame, aus unserem alten Heimatort gesehen, die uns diese Sterne gebastelt hat: „Ich glaube, bei Ihnen am Fenster leuchten die im Winter richtig toll“, hat sie gesagt, als sie mit dem selbstgemachten Weihnachtsschmuck vor unserer Türe stand. Sie hat damit unser altes Zuhause gemeint.

In den gebastelten Sternen leuchtet das Gute, was ich erlebt habe

Aber jetzt leuchteten die Sterne am neuen Ort schöner denn je. Und plötzlich hatte ich das Gefühl: In ihnen leuchtet all das Gute, was ich durch andere Menschen erlebt habe.  

In diesem Moment spürte ich nicht nur die Freundlichkeit dieses Geschenks. Sondern mit ihm viele andere gute Beziehungen: Unsere buntgewürfelte Nachbarschaft, die in der Corona-Zeit so gut zusammengehalten hat. Die Freunde unserer Kinder und deren Eltern, mit denen uns seit der Krabbelgruppe und dem Fußballplatz so viel verbindet. Ein tolles Arbeits-Team, mit dem man gut arbeiten und genauso gut Spaß haben konnte. 

Durch gute Beziehungen Gott erfahren

Wenn an Weihnachten von Liebe und Frieden auf Erden die Rede ist, dann sind ja auch diese Dinge gemeint. Um Frieden und Liebe zu erfahren, brauchen wir Beziehungen, die gelingen und die auch in schwierigen Zeiten tragen. Für mich ist Gott auch darin gegenwärtig. Und er gibt mir Mut und Hoffnung, dass ich auch in Zukunft solche oder ähnliche Erfahrungen machen werde.

Das Licht des Sterns kann uns immer erreichen

Es waren nur Sterne aus Papier, aber durch sie konnte ich plötzlich sehen: Ein wenig Licht von Bethlehem leuchtet auch in meinem Leben - auch oder vielleicht gerade in den eher dunklen Zeiten. 

Zum Glück ist Weihnachten noch nicht vorbei: Ein ganzer Tag liegt heute vor uns. Und danach kommt bald ein neues Jahr. Und wer weiß schon, an welchem dieser 365 Tage das Licht des Sternes uns dann erreichen wird.
 

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