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Meine Entscheidung
Bild: Pixabay / 3D Animation Production Company

Meine Entscheidung

Hermann Trusheim
Ein Beitrag von Hermann Trusheim, Evangelischer Schulpfarrer, Hanau
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Ich konnte den Namen ‚Grabowski‘ noch nicht richtig schreiben, da war ich schon Fan des Spielmachers. Wir Frankfurter nennen ihn ‚Unser Denkmal‘. Auch wenn ich aus Nordhessen komme, ich bin schon immer Eintracht-Fan.

Dann kam die erste Pfarrstelle im Rhein-Main Gebiet. Die sehr nette Familie Nachtweih habe ich über den Konfirmandenunterricht ihrer Kinder kennen gelernt. 

Anthony Yeboah war mein Gemeindeglied!

Und auch Anthony Yeboah, der Eintracht-Stürmer der 90ger, war mein Gemeindeglied! Mit seiner Familie hat er bei uns im Gemeindehaus Feste gefeiert – ein total fröhlicher und hilfsbereiter Typ. Als ich ihm im Dorf mal die Vorfahrt genommen habe, hat er nur gelächelt und freundlich gewinkt. Wir waren drauf und dran, einen extra Fanclub für ihn zu gründen – der sollte ‚Zeugen Yeboahs‘ heißen, aber dann erschien uns der Name doch ein wenig heikel … schmunzeln tun wir immer noch darüber.

Ich bin ein echter Fußballfan

Sie merken, ich bin wirklich Fan. Inzwischen bin ich Schulpfarrer am Gymnasium Hohe Landesschule in Hanau. Genau wie meine Schüler:innen zeige ich Schal und Trikot, wenn’s für die Eintracht wichtig ist.

Und dann das Jahr der internationalen Reisen! Das Spiel in Rom! Einer meiner Schüler musste unbedingt hin – Auch wenn da eigentlich Unterricht war …. Was soll man da machen? Für mich gab’s nur eine Lösung: ‚Auch für Evangelische ist Rom eine Reise wert‘, habe ich zu ihm gesagt, und so was wie ein außerschulischer Lernort, das ist wichtig gerade in Reli. Also machen Sie danach eine Präsentation ihrer Pilgerreise im Unterricht.‘

Zum Fußballspiel in Rom per Handy zugeschaltet

Was soll ich sagen? Wir waren teilweise über Handy sogar live zugeschaltet. Bilder vom Petersdom und Kolosseum gab’s natürlich auch. 

Damit dürfte klar sein: Ich finde Fußball toll und bin schon mal bereit, mich auf unkonventionelle und kreative Lösungen einzulassen, wenn’s darum geht, dabei zu sein.

Aber jetzt? Fußballweltmeisterschaft in Katar. Das stellt mich vor eine Entscheidung.

Kurzfassung der Ereignisse in Katar im Vorfeld der WM

Wahrscheinlich wissen so gut wie alle, worum es geht. Aber noch einmal in Kurzfassung: 
Ja, es war an der Zeit, dass auch mal in einem Land mit sehr heißen Sommern die WM ausgetragen wird. Dann muss man halt auf den Winter ausweichen. Die Stadien müssen trotzdem runtergekühlt werden, angesichts des Klimawandels hätte das bedacht werden sollen.

Korruption und Menschenrechtsverletzungen

Es fing schon bei der Vergabe an. Inzwischen ist bewiesen: Da war Korruption und Bestechung ‚Im Spiel‘, im wahrsten Sinne des Wortes – Konsequenzen gab es keine. Erschütternd sind die Nachrichten über die menschenrechtswidrige Behandlung der Arbeiter, die die Stadien bauen – es sind meist Arbeitsmigranten, denen wenig oder sogar gar nichts gezahlt wird. Sie werden nicht versichert, müssen in menschenunwürdigen Behausungen leben.

6500 Menschen kamen beim Bau der Stadien in Katar um

Die britische Zeitung ‚The Guardian‘ nennt die erschreckende Zahl von 6.500 Menschen, die beim Bau der Stadien umgekommen sind. In blutigen Arenen wird diese WM stattfinden – das erinnert an das Kolosseum in Rom.

Immer geht es ums Geld. Die einen verdienen ungeheure Summen, nicht nur auf dem Rücken der Armen, sondern auch über ihre Leichen hinweg. Und niemand hat dem Einhalt geboten. 

Gott dienen oder dem Mammon

Es gibt ein hartes Wort von Jesus. In der Bergpredigt sagt er: ‚Niemand kann zwei Herren dienen. Du kannst nicht Gott dienen und dem Mammon.‘ (Mt. 6,24)
Mammon wird heute noch als Ausdruck für Geld gebraucht. In der Zeit Jesu war Mammon der oberste Gott der Phönizier. Man opferte dem Mammon Kinder, damit dieser Gott die Wünsche seiner Gläubigen nach Reichtum erfüllte.

Den Gläubigen des Mammons geht es nur ums Geld und die Gier nach mehr. Ist Mammon auch der Fußball-Gott? Wohl schon, wenn die Umstände der Spiele zum Himmel schreien.

Ich muss mich entscheiden

Und deshalb muss ich mich entscheiden.

Eine Entscheidung fällt leicht – hinfliegen werde ich nicht. Kommt gar nicht in Frage: Das ist zu umweltschädlich und zu teuer.

Aber Fußball gucken? Wenigstens das? Spannende Spiele, wenigstens die mit deutscher Beteiligung, mit Familie und Freunden schöne Abende vor der Glotze verbringen? 

Spiele der WM schauen oder lieber nicht?

Oje, schöne Bescherung in der Vorweihnachtszeit: Auf Druck der Kataris beginnt die WM einen Tag früher, damit der Gastgeber exklusiv das erste Spiel hat. Das ist der 20. November – Ewigkeitssonntag. Für mich eigentlich ein stiller Tag, dem Gedenken der Verstorbenen vorbehalten. 

Im Advent dann die Spiele – ob da noch Raum ist für Besinnung? Übrigens ist das Maskottchen der Spiele diesmal ein Gespenst, passt ja irgendwie zu den Umständen der Spiele, aber auch zum Geist der Weihnacht?

Am vierten Advent ist das Endspiel angesetzt – oje du Fröhliche, unter Umständen keine schöne Bescherung. 

Nach all‘ den Informationen und Überlegungen denke ich: Fußball dient dem Mammon, wenn er für Unmenschlichkeit und Gier nach Geld missbraucht wird.
Daher muss ich mich entscheiden.

Die WM findet ohne mich statt

Ich habe lange überlegt. Mit Freunden geredet, diskutiert. Und eine Entscheidung getroffen.

Die WM wird ohne mich stattfinden. Ich glaube nicht, dass Sport politikfreie Zone ist. Ich will nicht, dass Fußball immer weiter zu einem miesen Geschäft verkommt. 

Die Verantwortlichen im Sport und Gottes Gebote

Ich glaube daran: Gott hat jedem Menschen eine unverlierbare Würde verliehen, die geschützt werden muss. Ich glaube daran: Gottes Gebote wollen ein Leben in Freiheit und Gerechtigkeit ermöglichen - für jeden Menschen: ‚Du sollst nicht töten, Du sollst nicht stehlen, du sollst nicht lügen‘, das gilt. - Ich glaube daran: Die Verantwortlichen in Sport, Politik und Wirtschaft müssen sich an Gottes Geboten messen lassen.

Was ich nun im Advent mache 

Ich habe mich entschieden – für den Advent. Ich werde nicht mit schlechtem Gewissen Fußball gucken. Ich zünde lieber eine Kerze an, für mich und für alle, die Licht in dunkler Zeit brauchen. Und auch ein Licht für die Hoffnung auf Spiele unter fairen Bedingungen.
 

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