Ihr Suchbegriff
Beitrag anhören:
In Kommunikation sein: Die Buchmesse und der Turmbau zu Babel
Bild: Pixabay

In Kommunikation sein: Die Buchmesse und der Turmbau zu Babel

Stephanie Rieth
Ein Beitrag von Stephanie Rieth, Bevollmächtigte des Generalvikars und Dezernentin im Bistum Mainz
Beitrag anhören:

„Man kann nicht gleichzeitig in der Buchhandlung und vernünftig sein!“ Dieser Spruch ist mir letztes Jahr beim Besuch der Buchmesse in Frankfurt begegnet und er stimmt für mich – wenn es um Buchhandlungen geht, aber noch viel mehr auf der Buchmesse selbst. Heute ist es wieder so weit, ich besuche die Buchmesse und werde wieder unvernünftig sein. Ich werde mir Bücher kaufen, bei denen ich jetzt schon nicht weiß, wann ich sie lesen soll. Und eigentlich habe ich ja einen Ebook-Reader, der gerade unterwegs enorm praktisch ist - aber so ein echtes Buch in den Händen, das ist schon etwas ganz Anderes.

Wie wichtig sind Übersetzungen

Translate, Transfer, Transform – ums Übersetzen in all seinen Facetten geht es bei der diesjährigen Buchmesse - das finde ich auch als Theologin spannend. 

Wie wichtig sind Übersetzungen, wenn wir einander verstehen wollen, uns untereinander verbinden und gemeinsam etwas bewirken wollen! 

Translate words – Worte übersetzen. Auch ich denke oft zuerst an das Übertragen eines Wortes oder Textes von einer Sprache in eine andere. Es ist toll, welche Möglichkeiten wir heute haben, um uns das Leben einfacher zu machen. Wenn ich mit meinem Schwager aus Spanien spreche und mit meinen dürftigen Spanischkenntnissen nicht weiterkomme, dann hilft mir mein Handy. Im Nu habe ich die richtigen Worte parat – zumindest so, dass ich mich verständlich machen kann. Manchmal trägt die App auch zur Erheiterung bei oder auch zu Verwirrung, wenn sie Übersetzungen liefert, die nicht ganz oder gar nicht passen, weil dem Programm der Zusammenhang fehlt. Zur Verständigung braucht es eben mehr als bloße Worte. Gedanken, Vorstellungen, Zusammenhänge – alles das wird oft eher zwischen den Zeilen transportiert. Transfer ideas – so heißt entsprechend das zweite Themenschlagwort der Buchmesse. Ich verstehe es genauso: Worte helfen uns, Ideen zu vermitteln und manchmal damit auch eine ganze Gedankenwelt. 

Mit Mimik und Gestik eine Brücke gebaut

Und wenn Worte nicht reichen, helfen Hände und Füße dabei. Bewegung, Mimik und Gestik - all das kann dazu beitragen, uns verständlich zu machen, einander zu verstehen.

Besonders eindrucksvoll habe ich das mal bei einem Gottesdienst anlässlich einer Erstkommunionfeier erlebt. Eines der Kinder, die zur Erstkommunion gingen, war taubstumm. Ein Pfarrer, der die Gebärdensprache beherrschte, hat die Worte und sogar auch die Lieder übersetzt. So konnte das Mädchen Teil dieser Gemeinschaft sein, weil die Übersetzung der Worte in Mimik und Gesten eine Brücke gebaut hat.

Das Mädchen hat dieses Erlebnis sichtlich genossen. 

Eine Wissenschaft für sich

Worte können Brücken sein, um einander zu verstehen. Aber Kommunikation ist noch viel mehr und vielfältig, eine Wissenschaft für sich - und nicht immer gelingt sie. 

Sie steht für die Verbindung von einem Menschen zum anderen und ist damit ganz wesentlich für unser Menschsein. Von solchen ganz allgemeinen Überzeugungen erzählt die Bibel in der sogenannten Urgeschichte: Wie verhält es sich grundsätzlich mit der Welt, den Menschen - und wie bringt sich Gott da ein? Diese Fragen haben Menschen offenbar schon immer beschäftigt. Und weil sie eben so zentral und grundsätzlich waren, hat man sie irgendwann aufgeschrieben: Fragen und mögliche Antworten, als Basis für ein gemeinsames Verständnis ihres Glaubens über Gott und die Welt. Und nie würde man diesem Verständnis gerecht werden, würde man es wortwörtlich nehmen, denn hinter diesen Worten und Geschichten stecken ganze Gedankengebäude, Ideenwelten - und die Einladung, sie weiterzudenken.

Die gemeinsame Vorstellung und Plan

Die Geschichte vom Turmbau zu Babel bildet den Abschluss dieser biblischen Urgeschichte. In ihr geht es um Sprache, Kommunikation und Verstehen, um die Beziehung zwischen den Menschen und um die Beziehung zwischen den Menschen und Gott.

„Die ganze Erde hatte eine Sprache und ein und dieselben Worte“, so beginnt diese Erzählung. Und offensichtlich geht es auch hier schon um mehr als bloße Worte. Die ganze Erde hatte eine Sprache – das ist auch die Idee davon: Die Menschen waren sich einig, hatten eine gemeinsame Vorstellung und einen gemeinsamen Plan. „Auf, bauen wir uns eine Stadt und einen Turm mit einer Spitze bis in den Himmel! So wollen wir uns einen Namen machen, damit wir uns nicht über die ganze Erde zerstreuen“, so erzählt die Geschichte weiter. Das ist der Plan, über den sich die Menschen einig sind.

Warum mischt sich Gott ein?

Die Menschen bauen an dieser Stadt und ihrem Turm, bis Gott sich einmischt. Und warum mischt Gott sich ein? In der Erzählung heißt es: „Siehe, ein Volk sind sie und eine Sprache haben sie alle. Und das ist erst der Anfang ihres Tuns. Jetzt wird ihnen nichts mehr unerreichbar sein, wenn sie es sich zu tun vornehmen.“ Eine Erklärung dafür, dass Gott sich einmischt, ist immer: Die Menschen denken, sie selbst wären allmächtig wie Gott. Das aber darf nicht sein. Ich persönlich glaube ja nicht, dass Gott dadurch beschädigt wird in seinem Gottsein. Ich bin überzeugt, wenn der Mensch handelt, als wäre er Gott, beschädigt er sich in seinem Menschsein, weil er sich von dem entfernt, was das Menschsein ausmacht.

In Auseinandersetzung zu gehen

Ein Volk, eine Sprache, ein Plan. Was erst einmal gut klingt, ist genau genommen eine ganz gefährliche Einmütigkeit: kein Bedarf mehr, miteinander in Kommunikation, in Beziehung zu sein, nach links und rechts zu schauen, in Auseinandersetzung zu gehen.

Und mir scheint, als möchte Gott genau diesen Zustand verhindern. Und was zunächst einmal sehr irritiert, wird auf diesem Hintergrund vielleicht besser verständlich. Gott sagt: „Auf, steigen wir hinab und verwirren wir dort ihre Sprache, sodass keiner mehr die Sprache des anderen versteht.“ Gott spricht von sich sogar als „Wir“, im sogenannten „Pluralis majestatis“.

Eine Welt mit vielen Völkern, Staaten und Sprachen

Für mich steckt da drin: Gott selbst ist für den Menschen der Bibel einer, zu dessen Wesen Kommunikation und Beziehung ganz grundsätzlich dazu gehören – eine Erklärung dafür, dass Gott von sich im Plural spricht. Dahinter steckt die Vorstellung eines Königs, der sich mit seinem Hofstaat berät, bevor er eine Entscheidung trifft. Die Menschen der Bibel sind also überzeugt: Gott selbst ist Beziehung. Und weil das bei Gott so ist und der Mensch Ebenbild Gottes ist, gehören Beziehung, Kommunikation und Auseinandersetzung mit dem anderen auch zum Menschsein dazu.

Am Ende der Geschichte heißt es: „Der HERR zerstreute sie von dort aus über die ganze Erde und sie hörten auf, an der Stadt zu bauen.“ Das zeigt zum einen die Welt, wie wir sie heute erleben: eine Welt mit vielen Völkern, vielen Staaten und vielen Sprachen. Zugleich zeigt uns dieses Bild aber auch die Aufgaben, vor denen wir als Menschheitsfamilie heute stehen. 

Die eigene Sprache bzw. Gedanken neu übersetzen

Wir sind viele in der großen Menschheitsfamilie – viele Völker, viele Staaten, mit vielen Sprachen und Weltentwürfen - das bringt große Herausforderungen mit sich. Wir müssen immer wieder übersetzen, wie wir über etwas denken und was wir sagen wollen - im Großen wie im Kleinen. Missverständnisse ausräumen, Vereinbarungen treffen, Kompromisse schließen. Es braucht den Willen und die Bereitschaft, sich immer wieder um Verständigung zu bemühen – verstanden werden wollen, aber auch den anderen, die andere verstehen wollen. Das heißt auch: Die eigene Sprache, die eigenen Gedanken immer wieder neu übersetzen.

Am Geist und den Ideen anderer teilhaben

Translate words, transfer ideas, transform minds: Worte, Ideen, Geisteshaltungen übersetzen: Das ist oft mühsam und gelingt nicht immer. Aber: Es birgt auch eine riesengroße Chance: miteinander kreativ zu werden, aneinander zu wachsen und gemeinsam Neues zu schaffen. Gemeinsam ÜBERsetzen zu einem neuen Verständnis.

Als Christin schöpfe ich Mut und Kraft aus der Bibel. Sie ist für mich Wort Gottes, das sich täglich neu in mein Leben übersetzt. Sie schenkt mir durch ihre Geschichten immer wieder neu Wegweisung und Inspiration für mein Leben, für unsere Welt.  Als Buch der Bücher hat sie in dieser Weise viele Menschen für sich begeistern können und miteinander in Verbindung gebracht. In Verbindung sein und am Geist und an den Ideen anderer teilhaben - das motiviert mich auch heute wieder, wenn ich auf der Buchmesse unterwegs bin – unvernünftig und vernünftig zugleich.

 

 

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren