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Louis Armstrong: What a Wonderful World
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Louis Armstrong: What a Wonderful World

Hermann Trusheim
Ein Beitrag von Hermann Trusheim, Evangelischer Schulpfarrer, Hanau
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I see trees of green - Red roses too
I see them bloom – for me and you
And I think to myself:  What a wonderful world

Es gibt Applaus. Zu Recht. Genauso begrüßt man einen Star. Schon nach den ersten Takten, spätestens, wenn die Stimme einsetzt, wissen viele: So klingt nur einer. Das ist Satchmo, Louis Armstrong.

Ein Lächeln in der Stimme

Ich höre sein Lächeln, mit dem er singt. Das steckt mich an. Ich lächle mit. Erst recht, wenn die Bilder aus dem Songtext in meinen Kopf kommen: „Ich sehe grüne Bäume, rote Rosen, sie blühen für mich und dich.“

Eine Ballade zum Glücklich-Sein

Wundervolle Bilder, und das Lied heißt ja auch: „What a Wonderful World“. Rausgehen, grüne Bäume und rote Rosen sehen und sich wohlfühlen. Das mache ich auch sehr gerne. Weil die Natur so schön ist. Das macht glücklich. „What a Wonderful World“ ist für mich eine Ballade zum Glücklich-Sein.

I see skies of blue – and clouds of white
The bright blessed day – the dark sacred night
And I think to myself: What a wonderful world

In schönen Bildern schwelgen

Louis Armstrong schwelgt weiter in schönen Bildern: „I see skies of blue, clouds of white“: Blauer Himmel, weiße Wolken. „The bright blessed day, the dark sacred night“:  der helle, selige Tag und die dunkle Nacht, die sich heilig anfühlt – da schwelge ich mit, da stimme ich ein: Was für eine wundervolle Welt!

Der legendäre Trompeter spielt gar nicht sein Instrument in dem Stück. Lässig hält er die ganze Zeit seine Trompete mit einem weißen Taschentuch. Typisch für ihn: Das schützt das Instrument vor Handschweiß.

Ein Tromperter, der singt

Ein anderer spielt die Soli. Der Posaunist Trummy Young. Der untermalt mit seinem warmen Ton und einem Glissando, das ich als Posaunist bewundere, die Melodie und schmückt sie aus. Das trägt dazu bei, dass dieser Song irgendwo zwischen Swing und Blues zu einem der bekanntesten Stücke von Armstrong wird. „What a Wonderful World“ fehlt auf keinem seiner Konzerte.

Ein idyllisches Lied in Zeiten des Protests

Es ist 1967, als Louis - er selbst sagte „Lewis“ - Armstrong diesen Song aufnimmt. Er kommt so idyllisch daher. Dabei sind es keine idyllischen Zeiten: Proteste gegen den Vietnamkrieg, Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung sind damals die Themen in den USA.

Satchmo - eine Ikone des Jazz

Das alles kommt in dem Song nicht vor. Armstrong lächelt sogar beim Singen. Mit seinem „Satchel Mouth“ – ein Mund, groß wie ein Schulranzen bedeutet das übersetzt -  wie ein Scheunentor würde es bei uns heißen. Aus „Satchel Mouth“ wird Satchmo. Mit seinem lächelnden Mund wird er zur Ikone des Jazz.

Wie kann er nur lächeln? Wie kann er nur von einer wunderbaren Welt singen, wenn so vieles gar nicht wunderbar ist?

Lächeln als Protest

Das Lächeln ist sein Protest. Seine Botschaft. „Schaut doch mal“, sagt es. „Schaut doch mal die Welt mit diesem Blick an: dem Blick für das Wunderbare. Das gibt es. Und genauso sollte die Welt sein: ein wunderbarer Ort zum Glücklich sein.“ Und gerade weil es so oft nicht so ist, geht von diesem Lächeln eine Kraft aus, die Welt besser zu machen. Wie ein Traum, der Wirklichkeit werden soll.

The colours of the rainbow, so pretty in the sky
Are also in the faces of people going by
I see friends shaking hands, saying ‚How do you do?‘
They’re really saying ‚I love you‘

Das Bild vom Regenbogen in der Bibel

„The colours of the rainbow so pretty in the sky.” Der Regenbogen. Hübsch anzusehen am Himmel. Seine Farben spiegeln sich in den Gesichtern der Leute. Der Regenbogen spannt sich nicht über einer heilen Welt. Auch in der Noah-Geschichte nicht. Aus dieser biblischen Erzählung stammt das Bild vom Regenbogen.

So geht die Geschichte los: Die Menschen sind schlecht. Sie handeln übel, gegen Gottes Willen. Also: Zeit für ein Strafgericht Gottes. Der große Regen kommt. Alles geht unter. Nur Noah und seine Familie sowie ein Paar von jeder Tierart werden in der Arche gerettet. Dann ist die Katastrophe vorbei, die Erde wieder bewohnbar. Jetzt könnte Gott doch einen Neuanfang machen, alles verändern, verbessern, besonders die Menschen. Aber so ist das nicht.

Gott ändert die Menschen nicht - er hält sie aus

Ja, es gibt einen Neuanfang. Es gibt eine Veränderung. Aber nicht beim Menschen, sondern bei Gott. Am Ende der Noah-Geschichte sind die Menschen genauso übel wie vor der Sintflut. Aber sie können Gott neu sehen. Nicht als einen, der bestraft, sondern als den, der es gut mit ihnen meint. Gott hält die Menschen aus, so wie sie sind, und das wird Gott für alle Zeit tun. Als Zeichen dafür gibt’s den Regenbogen – als Versprechen der Güte Gottes.

Die Natur als Bilderbuch Gottes

Wenn mir bewusst wird, wie gut es Gott mit der Welt, mit allen Lebewesen, also auch mit mir meint, kann die Natur zum Bilderbuch Gottes werden, so wie Louis Armstrong es in „What a Wonderful World“ zeichnet. Dann spiegeln sich die Farben des Regenbogens auch in meinem Gesicht wieder. Und das Lächeln von Satchmo steckt mich an. Ich stimme ein in die Ballade vom Glücklichsein.

How do you do?

Wie eine Sehschule für die Seele ist dieser Song: „I see friends shaking hands, saying ‚How do you do?‘“ Armstrong beschreibt die Idylle der Kleinstadt, in der er lebt. Man gibt sich die Hand und fragt „Wie geht’s‘ dir?“ Aber es steckt mehr dahinter. „They’re really saying: I love you.“ In Wirklichkeit sagen sie dir damit: „Ich liebe dich.“

Alle reichen sich die Hand

Es geht um mehr als Nettigkeiten. Hinter einem „Wie geht’s?“ kann wirklich Liebe stecken oder ich kann Liebe hineinlegen. Gerade, wenn ich so kräftig die Hände schüttle, wie es das Stakkato der Bläser vormacht. Und alle reichen sich die Hand: Menschen verschiedener Hautfarben, verschiedener Religionen, unterschiedlicher politischer Überzeugungen.

„What a wonderful world“ ist Armstrongs Einspruch, eine Widerrede gegen das Übel in der Welt. Und zwar mit einer Perspektive:

I hear babies cry, I watch them grow,
They’ll learn much more than I’ll ever know.
And I think to myself: What a wonderful world

Ich höre Babies weinen, ich sehe sie aufwachsen und sie werden viel mehr lernen als ich je wissen werde – und ich denke mir: was für eine wundervolle Welt.“

Das Bild einer besseren Zukunft für unsere Kinder

Es geht um Zukunft, um eine bessere Zukunft. Kinder aufwachsen sehen ist ein starkes Bild dafür. Erst recht, wenn ich mir eingestehen kann: Sie werden mehr lernen, als ich je wissen werde. Armstrong und ich sprechen da aus Erfahrung.

Es geht um das Vertrauen: Es geht weiter. Da wächst wieder eine Generation heran, die ihre Träume verwirklichen will, vielleicht besser als ich. Es geht um Vertrauen auf Gott, der es gegen manchen Augenschein gut mit mir und seiner Schöpfung meint, auch wenn die Welt nicht immer wunderbar ist. Gott hat seinen Regenbogen gerade deswegen an den Himmel gesetzt.

"I have a dream"

Es geht um Hoffnung, um einen Traum. Für mich ist Louis Armstrongs „What a Wonderful World“ ein musikalisches Echo auf die berühmte Rede von Martin Luther King „I have a dream“: Ich habe einen Traum. Martin Luther King hat die Vision, dass eines Tages die Kinder eine bessere Welt haben werden. Zusammen spielen ohne Vorurteile, gemeinsam aufwachsen. Das soll kein Traum bleiben. Das setzt den Albträumen meiner Gegenwart etwas entgegen: Mut, Hoffnung, manchmal Trotz.

Hoffnung und neue Kraft aus der Schöpfung nehmen

Mein Teil ist es, mir und allen anderen diesen Traum nicht nehmen zu lassen. Neue Kraft und Inspiration dazu gibt mir die gute Schöpfung. Ich werde rausgehen, auch als „Opa for future“.

Ein Lied für die Momentaufnahmen des Glücks

Ich will „What a Wonderful World“ dabei mitnehmen - als Ballade zum Glücklich-Sein. Denn es gibt sie, diese Momentaufnahmen des Glücks. Glück geht nicht immer, aber trotzdem und vielleicht gerade jetzt, wenn ich rausgehe in die Natur, gibt’s Glück. Da sind grüne Bäume. Da blühen Rosen für mich und dich.

Also raus mit uns, nachdenklich, wenn‘s geht mutig - zuweilen trotzig. Angesteckt von Satchmos Lächeln. Die Schrittfolge ist sein bluesiger Swing. Und am besten mit einem fröhlichen „Oh Yeah“.

Yes, I think to myself: What a wonderful world … Ooh yeah!

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