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Geistvolle Lichtgestalten
Bild: pixabay

Geistvolle Lichtgestalten

Sebastian Pilz
Ein Beitrag von Sebastian Pilz, Katholischer Referatsleiter Diakonische Pastoral/Seelsorge in besonderen gesellschaftlichen Herausforderungen
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Mit einem Kaffee in der Hand gehe ich durch die Altstadt von Fulda. Die Sonne scheint und es ist eine angenehme Mittagspause. Nach einiger Zeit gehe ich zurück zum Büro, das in der Nähe des Fuldaer Domplatzes liegt. Vor mir läuft eine Schulklasse mit ihrer Lehrerin am Ende der Gruppe. Die Schülerinnen und Schüler sind um die 12 Jahre alt und kommen nicht aus Hessen. Das verrät ihr Dialekt. Wir laufen durch eine schmale Gasse mit Häuserfronten links und rechts. Nach einer kleinen Biegung wird mit Blickrichtung geradeaus die Kuppel des Fuldaer Doms sichtbar. Ein Schüler fragt sofort: „Ist das da vorne der Kölner Dom?“ Daraufhin schmunzelt die Lehrerin etwas und sagt: "Du bist mir ‘ne geografische Lichtgestalt. Wir sind doch in Fulda." Schüler und Lehrerin schauen sich an und lachen gemeinsam über den kleinen Versprecher. Vergnügt gehen die beiden dem Dom entgegen, während ich zum Büro abbiege. Auch ich habe ein Lächeln auf den Lippen. Nicht wegen der Frage des Schülers, sondern eher wegen der Reaktion der Lehrerin. Ihre Worte von der "geografischen Lichtgestalt" hallen in mir nach.

Pfingstfest

Am heutigen Sonntag steht eine andere Gestalt im Mittelpunkt, nämlich die des Heiligen Geistes. An Pfingsten feiern Christen das Fest des Heiligen Geistes. Das Wort Pfingsten kommt aus dem Griechischen und heißt übersetzt 50. Somit sagt der Name des Festes nichts über dessen Inhalt aus, sondern lediglich wann es gefeiert wird, nämlich 50 Tage nach Ostern. Aber wer oder was ist denn nun dieser Heilige Geist?

Das deutsche Wort "Geist" ist überaus vielseitig. Vom Poltergeist über den Zeitgeist bis hin zum Himbeergeist ist alles dabei. Das Wort kann sich also auf den Verstand eines Menschen beziehen, ob er beispielsweise geistesgegenwärtig ist oder träumt. Gleichzeitig bezeichnet das gleiche Wort auch die Seele eines Verstorbenen oder, wieder ganz anders, ein Gespenst. Im Sinne einer Quintessenz meint das Wort "Geist" eine Art Grundidee, die hinter einer Handlung oder einem Kunstwerk steckt. Und mit dem schon erwähnten Himbeergeist gibt es eine weitere Bedeutung, die mit alkoholischen Getränken in Verbindung steht.

Die Bedeutungen sind vielschichtig und kommen auf den Kontext an. Es gibt negative Assoziationen, wie etwa bei der Angst vor Gespenstern. Andere dagegen sind positiv belegt, wie beispielsweise der Entdeckergeist einer Forscherin oder eines Forschers. Diese Vieldeutigkeit bildet sich auch in Redewendungen ab: So will ich zum Beispiel jetzt, niemandem auf den Geist zu gehen. Stattdessen hoffe ich, dass deutlich wird, welches Geistes Kind ich bin. Bei all diesen Bedeutungen bleibt weiterhin meine Frage offen: Was ist nun der "Heiligen Geist"?

Was kann "Geist"  bedeuten?

Die Vieldeutigkeit des Wortes "Geist" nimmt im religiösen Kontext nur wenig ab. Die Bibel kennt zum Geist Gottes viele Texte, von denen einige auch heute im katholischen Sonntagsgottesdienst vorgetragen werden. In der Apostelgeschichte zum Beispiel wird der Heilige Geist als Feuerzunge beschrieben, die in einem Brausen auf die Anwesenden niederkommt. Danach können alle sich in verschiedenen Sprachen verstehen und "Gottes große Taten verkünden"1, wie es am Ende der heutigen ersten Lesung wörtlich heißt.

In einem anderen Text baut der Apostel Paulus sprachlich eine Brücke zwischen der Gemeinde und den einzelnen Gläubigen2. Demnach sind alle durch die eine Taufe auf Jesus miteinander verbunden und bilden so einen Leib mit vielen Gliedern. Die einzelnen Menschen bringen darin ihre verschiedenen Fähigkeiten und Talente ein. Dank des Wirkens des Geistes entsteht so eine Einheit im Glauben an Jesus. In der Musik wird der Heilige Geist in Kirchenliedern besungen. Lieder aus dem 1. Jahrhundert, die Hymnen heißen, betiteln den, Heiligen Geist als Lebensatem, Tröster, Schöpfer oder Gottes Beistand.

Die Aufzählung lässt sich sicherlich noch fortführen, worauf ich verzichte. Mir fällt auf: Das Wort "Geist" im christlichen Kontext ist häufig positiv konnotiert. Mehr noch: Es ist direkt mit dem Wesen Gottes verbunden. Der Heilige Geist sagt also zutiefst etwas über Gott aus, nämlich dass er das Leben fördert und dem Glauben dienen will. Das macht auch das vorangestellte Attribut "heilig" deutlich. Und noch etwas wird deutlich: Die vielen Bedeutungen des Heiligen Geist laden mich ein, sich eine auszusuchen. Die Bibel, die Musik oder die christliche Kunst können dabei helfen.

Meine Erklärung für den Heiligen Geist ist für mich am besten im Bildmotiv der licht umfluteten Taube ausgedrückt. In Kirchen findet sich dieses Bild oft in Form von einer Skulptur oder in Gemälden auf der Wand oder an der Decke. Die Taube ist dort dann zwischen den zwei Personen von Gott Vater und Sohn dargestellt. Sie schwebt entweder zwischen den beiden Figuren oder ist darüber oder darunter zu sehen. Oft geht von der Taube ein Lichtstrahl aus und umstrahlt alle drei göttlichen Personen.

Darin entdecke ich, dass der Heilige Geist Mediator ist. Er ist der Beziehungsstifter in der Mitte. Er sorgt dafür, dass sich Gott Vater und Sohn lieben und verstehen. Aber er sorgt eben auch dafür, dass diese zweitausend Jahre alte Botschaft von der Liebe Gottes für mich heute eine Bedeutung hat. Dabei steht die Taube für Lebendigkeit, Freiheit und Frieden. Will heißen, überall dort, wo ich das in meinem Leben erfahre, bin ich Gott nahe. Das Licht symbolisiert für mich Zuversicht in Situationen, wo ich um Entscheidung ringe. Es steht dann auch für eine gute Erkenntnis, die mich im Alltag weiterkommen lässt. Eben einen Geistesblitz.

Zurück zum Spazierung durch Fulda

Zurück zu meiner Mittagspause in Fulda: Wie oft bin ich schon abgestumpft "vom ach ja so alltäglichen Blick" durch diese eine Gasse gelaufen. Doch dank der Frage des Schülers habe ich wieder eine neue Perspektive bekommen: Der Fuldaer Dom ist nicht Köln, doch er hat auch Größe und Schönheit zu bieten. Ich gehe also fröhlicher und aufmerksamer durch diese Straße. Geistesblitze von anderen machen mich also achtsamer im Leben.

Die Reaktion der Lehrerin, die den Schüler als "Lichtgestalt" bezeichnete, bewegt mich auch noch. Und das nicht im ironischen, sondern im Ernst gemeinten Sinn. Jeder Mensch ist eine Lichtgestalt, weil alle die gleiche, einmalige Würde haben. Und zusätzlich können Menschen durch gutes Handeln einander Licht und Leben bringen. Manchmal werden solche dann auch als "gute Geister" bezeichnet. Das sind oft Lichtgestalten, die ganz verborgen im Alltag für andere Gutes tun. Wenige werden dafür auf eine große Bühne gestellt. Schön, wenn es beispielsweise durch staatliche Auszeichnungen von Zeit zu Zeit exemplarisch geschieht.

Im katholischen Kontext ist eine Lebensauszeichnung ganz anderer Art, die sogenannte Heiligsprechung. Die findet nämlich erst nach dem Tod der betreffenden Person, in einem aufwendigen Verfahren beim Papst im Vatikan statt. Klar ist, dass jede und jeder durch sein alltägliches Leben in Liebe und Glauben heilig werden kann. Viele Heilige sind deshalb auch namentlich gar nicht bekannt. Manche sind es. Und so ist im Laufe der Kirchengeschichte eine lange Kette dieser Lichtgestalten entstanden. Ihre Biografien zeigen, wie Gottes Geist durch einzelne Menschen die ganze Geschichte bis heute prägt.

Bonifatius ist mit Fulda eng verbunden

Einer von diesen Lichtgestalten war im 8. Jahrhundert der Heilige Bonifatius. Er war Mönch in Südengland und leitete sogar ein Kloster. Im damals hohen Alter von 45 Jahren verließ er für immer seine Heimat und zog nach Germanien, um den Glauben an Jesus zu verkünden. Das brachte ihm später auch den Beinamen „Apostel der Deutschen“ ein. Sein Stützpunkt war Fulda, wo er am Ort des heutigen Domes ein Kloster gründete. Am 5. Juni des Jahres 754 oder 755 starb er bei einer Missionsreise zu den Friesen. Sein Leichnam wurde in Fulda beigesetzt und eine Kirche darüber errichtet. Die Gebäude veränderten sich, das Grab blieb. Anfang des 18. Jahrhunderts wurde über seiner Ruhestätte der heutige Fuldaer Dom errichtet. Traditionell versammeln sich um seinen Namenstag viele Gläubige in verschiedenen Wallfahrten und Prozessionen am Grab. Die meisten Wallfahrerinnen und Wallfahrer kommen morgen um 10 Uhr zum sogenannten Bonifatiusfest auf dem Fuldaer Domplatz zusammen.

Pfingsten und der Heilige Bonifatius zeigen, dass es allerorts und in jeder Zeit Lichtgestalten des Heiligen Geistes gibt. Sie sind überall dort zu entdecken, wo Hoffnung und Zuversicht, Liebe und Leben miteinander aufstrahlen. Na, ist Ihr Entdeckergeist geweckt? Dann halten Sie doch Ausschau nach solchen Lichtgestalten in Ihrem Umfeld. Von Herzen wünsche ich Ihnen frohe und gesegnete Pfingsten.

 

 

1Apostelgeschichte 2,1 – 11, hier Vers 11

2 1 Korinther 12,3 - 13

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