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Karfreitag - Welttag für Hoffnungszeichen
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Karfreitag - Welttag für Hoffnungszeichen

Stefan Claaß
Ein Beitrag von Stefan Claaß, Evangelischer Pfarrer und Professor, Theologisches Seminar Herborn
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Es gibt in unserem Kalender über 100 Welttage. Den allerersten haben die Vereinten Nationen 1947 ausgerufen. Seitdem sind viele dazugekommen. Es gibt den Welttag des Tanzes, des Buches, der psychischen Gesundheit und des Meeres.

Es gibt witzige und sehr ernsthafte Welttage. Heute ist Karfreitag. Soweit ich weiß, hat ihn noch niemand als Welttag bezeichnet. Aber ich will das heute Morgen tun. Ich möchte Ihnen den Karfreitag als „Welttag für Hoffnungszeichen“ ans Herz legen.

Das Kreuz Jesu steht für Willkür-Justiz und Staatsgewalt

Sein Ursprung liegt knapp 2000 Jahre zurück. Jesus von Nazareth wurde verhaftet, in einem Scheinprozess verurteilt und durch die römische Besatzungsmacht in Jerusalem am Kreuz hingerichtet. Auch heute werden unschuldige Menschen aus politischen Gründen vor Gericht gestellt. An vielen Orten der Welt, ich denke zum Beispiel an Oppositionelle in Russland. Das Kreuz Jesu steht für Willkür-Justiz und Staatsgewalt, die über Leichen geht. Gewalt nimmt keine Rücksicht, jede und jeder kann zum Opfer werden. Trotzdem ist der heutige Karfreitag ein „Welttag für Hoffnungszeichen“. Wo ist da die Hoffnung? Ich meine: Hoffnung braucht die Erinnerung an das Dunkel. Das Kreuz erinnert an die, die zu Opfern gemacht werden, an alle, die unter Willkür leiden.

Karfreitag ein Gedenktag an die, die Gewalt erleiden

Sie nicht zu vergessen, sie zu betrauern, das ist ein erster Schritt, der Gewalt nicht das Wort zu überlassen. Nicht der Drohung und der Angstmacherei. An Karfreitag, an diesem Welttag der Hoffnung denke ich im Namen Jesu an alle Menschen, die Gewalt erleiden. Manche Namen von politisch Verfolgten kenne ich aus den Nachrichten. Aber auch um die, die mir unbekannt bleiben, trauert jemand und beklagt die Brutalität, die ihnen angetan wurde. Dafür muss Zeit sein. Erinnern – der erste Schritt.

Das Kreuz ein starkes Symbol gegen die Gewalt, die Angst einjagt

Als zweiten Schritt setzen wir neben Namen auch Bilder und Zeichen. Viele demonstrieren zurzeit für Frieden mit Fahnen in Blau und Gelb, den Farben der Ukraine, das Land, das Putin mit Krieg überzogen hat. Solche Attacken passieren schrecklicherweise nicht nur in der Ukraine. Ich schaue auf das Kreuz als starkes Symbol gegen die Gewalt, die Angst einjagt. Ausgerechnet aus dem Kreuz, einem Todesinstrument ist ein Lebenszeichen geworden für neue Zuversicht und neuen Aufbruch. Wie kam das?

Musik

Das Kreuz wurde zum Anti-Zeichen

Vor 2000 Jahren haben Soldaten im Namen der römischen Machthaber Kreuze aufgestellt. Sie haben Menschen daran festgebunden und auf deren Tod gewartet. Sie hätten sich niemals vorstellen können, dass ausgerechnet das Kreuz weltweit zum Anti-Zeichen werden würde, zum Widerspruch gegen Gewalt und Tod. Vermutlich hätten sie geschrien: Das Kreuz ist das Ende!

Der Glaube wächst, dass mit diesem Tod nicht alles aus ist

So kann man sich irren. Im Rückblick auf die Ereignisse haben die Anhänger Jesu ihre Furcht verloren. Unser Kalender erzählt die Geschichte chronologisch: Erst kommt der Tod am Kreuz für Jesus am Karfreitag. Danach kommen die erstaunlichen Erfahrungen am Ostersonntag. Der Glaube wächst, dass mit diesem Tod nicht alles aus ist. Gott weckt Jesus, den Gekreuzigten von den Toten auf. Gott schenkt neues Leben über den Tod hinaus. So steht es in der Bibel. Kann man dann nicht einfach nur Ostern feiern und den finsteren Karfreitag weglassen? Auf keinen Fall!

Am Ende siegt das Leben!

Denn eigentlich ereignet sich diese Geschichte umgekehrt: Sie schaut von Ostern her auf den Karfreitag. Weil die Jüngerinnen und Jünger erfahren, dass Gott den Tod überwindet und neues Leben schenkt, darum erinnern sie sich gegenseitig an den Karfreitag: Weißt du noch, wie verzweifelt und hoffnungslos wir waren? Wir fühlten uns komplett ohnmächtig angesichts der waffenstrotzenden Macht der Besatzer. Die Angst hat uns gelähmt. Die Brutalität hat uns mundtot gemacht.

Aber dann haben wir erlebt: Die Gewalt hat nicht gesiegt. Am Ende triumphieren nicht die skrupellosen Machthaber. Am Ende siegt das Leben. Es ist gut, sich daran zu erinnern. Auch heute. Damit wir bei Krisen mit dieser Erinnerung eine Medizin gegen Angst und Terror haben, uns anstacheln können zu Widerstand und neuem Lebensmut.

Karfreitag "Welttag für Hoffnungszeichen"

Karfreitag als „Welttag für Hoffnungszeichen“ erinnert an das, was Menschen erlitten haben. Er setzt darauf, dass Gott sie nicht verlassen hat. Gleichzeitig steht das Kreuz als starkes Zeichen dafür, dass keine Gewaltherrschaft auf Dauer Bestand haben kann. Kaiser, Despoten, Heerführer und kriegerische Präsidenten werden alle abtreten müssen. Bisher sind alle Großmachtphantasien geplatzt.

Mir gibt der Karfreitag heute Energie, weil er meine Hoffnung stärkt: Es gibt nicht nur die kriegerische, mörderische Seite der Welt. Es gibt die andere Seite, die Welt, in der Menschen füreinander da sind, einander helfen und an die gute Macht des Lebens glauben.

Musik

Der Blick auf das Kreuz hilft hinzuschauen, ohne den Mut zu verlieren

Ich nenne den Karfreitag heute einen Welttag für Hoffnungszeichen. Ich schaue am Karfreitag auf das Kreuz von Jesus und habe damit die Erfahrung im Rücken, dass das Leben in Gottes Namen stärker ist als die Gewalt, die Menschen sich gegenseitig antun. Stärker als der Tod. Gewalt und Leiden gibt es nach wie vor. Die Schreckensnachrichten konfrontieren mich täglich damit – die Nachrichten aus der Ukraine, aber auch aus Syrien, dem Jemen, aus Afghanistan, aus vielen Ländern, in denen Krieg und Willkür herrschen. Der Blick auf das Kreuz hilft mir hinzuschauen, ohne den Mut zu verlieren. Das Mögliche tun, so gut ich kann.

Und auf die Gewalttätigen schauen, als wären sie schon Vergangenheit. Wie werden wir in einigen Jahren auf Wladimir Putin und sein dann hoffentlich untergegangenes Regime schauen? Ich werde dankbar sein, dass es vorbei ist. Hoffentlich dankbar dafür, dass andere Kräfte und Menschen in Russland friedliche Politik machen und Lügenpropaganda nur noch eine schaurige Erinnerung ist.

Wenn der Krieg vorbei ist, darf man nicht die vielen Hoffnungszeichen vergesen ...

Und ich will dann, wenn der Krieg Vergangenheit ist, die vielen Hoffnungszeichen nicht vergessen: die Aufnahmebereitschaft für Flüchtlinge, die Spenden und die Aufbauhilfe in der Ukraine. Ich werde Gott danken für alle Kräfte, die nicht resigniert haben in schweren Zeiten. Ich werde danken dafür, dass Gott die Menschen nicht verlassen hat, auch wenn es manchmal danach aussah. Ich glaube, Gott wirkt unter uns so, wie Jesus von Nazareth das getan hat: ermutigend, kraftvoll, ausdauernd. Einer, der Leiden, Unrecht und Gewalt kennt bis hin zum Tod am Kreuz. Einer, der den Sieg des Lebens gebracht hat.

Hoffnung, um in die Zukunft zu gehen

Darum ist der Karfreitag heute für mich ein „Welttag für Hoffnungszeichen“. Wir schauen hin. Wir halten es aus. Wir tun, was wir können. Und ich hoffe: Es bleibt nicht dabei, Leiden ertragen und aushalten zu müssen. Es bleibt nicht beim Karfreitag. Wir gehen in Richtung Ostersonntag. Gewalt und Tod werden ihr Ende finden. Gott erweckt von den Toten. Das Leben siegt. Das ist ein großes Reservoir an Hoffnung, um in die Zukunft zu gehen. Das gibt mir Kraft für die Gegenwart.

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