…der werfe den ersten Stein
Sie will nicht an die Konsequenzen denken! Sie folgt einfach nur ihrem Herzen und denkt: Es wird schon gut gehen. Seit Jahren behandelt ihr Ehemann sie wie eine Angestellte. Erwartet, dass sie das Haus in Ordnung hält, pünktlich das Essen auf den Tisch stellt, sich um die Kinder kümmert. Wie es ihr geht - interessiert ihn nicht. Sie hat versucht mit ihm zu reden, aber er geht nicht auf sie ein.
Eine heimliche Affäre
Dann hat sie durch Zufall einen anderen Mann kennengelernt. Er hat ihr Komplimente gemacht, kleine Geschenke mitgebracht zu ihren heimlichen Treffen. Jedes Mal, wenn sie sich von zu Hause wegschleicht, denkt sie: Heute treffe ich ihn das letzte Mal. Wenn unsere heimliche Affäre rauskommt, bin ich geliefert.
Natürlich gibt es immer viel Ärger, wenn ein Ehepartner fremdgeht, viel Wut und Enttäuschung bei dem betrogenen Partner.
Ehebruch wird damals mit Steinigung bestraft
Aber wenn ihr Ehebruch bekannt wird, hat das tödliche Konsequenzen. Sie lebt nämlich vor über 2000 Jahren in Israel. Ehebruch wird in der damaligen Gesellschaft mit Steinigung bestraft. Was Männer sich damals einfach erlauben können, das gilt für Frauen noch lange nicht. Sie geht ein hohes Risiko ein.
Ertappt auf frischer Tat
Jetzt ist die Frau ertappt worden auf frischer Tat. Es ist sinnlos zu leugnen. Vor diesem Moment hat sie sich immer gefürchtet.
Klar liebt sie den anderen, aber gesteinigt werden will sie nicht. Aber Strafe muss sein!, so fordert es ihr Ehemann und auch andere. Die Konsequenzen müssen getragen werden. Damit andere ihr nicht nacheifern. Damit es gerecht zugeht.
Sie bringen die Ehebrecherin Jesus
Deshalb ergreifen die Schriftgelehrten und Pharisäer sie. Sie bringen die Frau zum Tempel, um sie zu steinigen. Dort sitzt Jesus und predigt zu einigen aus dem Volk. Sie stellen die Frau vor ihn, bilden einen Halbkreis um sie und sagen:
"Meister, diese Frau ist beim Ehebruch ertappt worden. Unser Gesetz schreibt vor, sie zu steinigen. Was sagst du dazu?"
"Was sagst Du dazu?"
Ich bin mir sicher: Die verzweifelte Frau horcht auf, als ihre Ankläger Jesus diese Frage stellen: Was sagst Du dazu? Vielleicht ist da ein Funken Hoffnung, das ihr Schicksal sich noch wendet.
Und Jesus: Er antwortet erstmal nichts. Er bückt sich und schreibt etwas mit dem Finger auf die Erde. Dann richtet er sich wieder auf, sieht die Ankläger an und sagt: "Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!"
"Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein"
"Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein." Mit einer solchen Antwort haben die Pharisäer und Schriftgelehrten nicht gerechnet.
"Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein." Einfache Worte mit großer Wirkung. Denn was jetzt geschieht, gleicht einem Wunder. Sie sagen nicht: Wir halten uns an die Zehn Gebote, wir bemühen uns um Gerechtigkeit. Fehler macht zwar jeder, aber im Vergleich zu dieser Frau sind wir höchstens kleine Sünder. Also steht uns ein Urteil zu. Wir dürfen sie richten".
Die Pharisäer und Schriftgelehrten bedenken Jesu Worte
Nein, sie bedenken ernsthaft die Worte Jesu. Und sie erkennen: Auch wir sind schon schuldig geworden, haben nicht immer nach dem Gesetz gelebt.
Und deshalb wirft niemand Steine. Einer nach dem anderen geht.
Am Ende ist der Platz leer. Nur die Frau steht noch da und Jesus. Kann es selbst nicht fassen, was gerade passiert ist. Sie wird nicht gesteinigt. Von so einer Wendung hat sie noch nie gehört.
Die Steinigung bleibt aus
Ich bewundere, wie ehrlich die Schriftgelehrten und Pharisäer gegenüber sich selbst sind. Sie tun die Worte Jesu nicht ab, sondern sie ziehen Konsequenzen. Die Steinigung bleibt aus. Gott sei Dank!
Ich bin froh, dass ich in einer Zeit und einem Staat lebe, in dem solche Gesetze abgeschafft sind. Wir werfen keine Steine. Nun – Steine sicher nicht. Aber sind wir wirklich humaner und zivilisierter als die Menschen zurzeit Jesu?
Steinigungen gibt es in symbolischer Form immer noch
Steinigungen gibt es in symbolischer Form immer noch:
Der Sohn einer Familie ist auf Abwege geraten, weggelaufen mit 14, hat Probleme mit Alkohol, auch Drogen. "Kein Wunder, bei der Erziehung", sagen viele im Ort. „Die Eltern haben sich nicht genug gekümmert, nicht mal mit der Faust auf den Tisch gehauen. "Mir kann das nicht passieren, ich erziehe meine Kinder ordentlich."
Ein Politiker hat Fehler gemacht, große Fehler. Er hat sich Reisen schenken lassen und reiche Freunde haben ihn beim Hausbau mit billigen Krediten unterstützt. Nein, kein aufgebrachter Mob stürzt sich mit Steinen und Stöcken auf ihn.
Aber Journalisten belagern sein Haus, fragen Freunde und Bekannte, suchen nach weiteren Fehltritten. Wie mag er sich fühlen? Und seine Frau? Seine Kinder? Schuldige werden gesucht und schließlich gefunden.
Das würde ich mir heute wünschen!
Ich wünsche mir heute auch, dass wir heute in uns gehen. Plötzlich ganz still werden. Uns mit Verurteilungen zurückhalten. Jesus ist das, was geschieht nicht gleichgültig und sollte es auch nicht gleichgültig sein. Schuld bleibt Schuld. Schuldig werden trennt mich von Gott und anderen. Das bleibt unbestritten.
Wie gehe ich mit Schuld anderer um?
Nachdenkenswert ist aber, wie ich mit der Schuld anderer umgehe. Prangere ich sie laut an? Mache ich die Schuldigen nieder? Und, vor allem: Bin ich vielleicht deswegen unbarmherzig laut mit der Schuld anderer, damit ich die eigenen Fehler vergesse und mich besser fühle? Darauf legt Jesus seine Finger, wenn er auf die Erde schreibt. Man soll beurteilen – aber nicht nur andere, sondern im gleichen Licht zuerst sich selbst. Das verändert die Welt. Meine Welt. Ihre Welt. Ich werde ehrlicher zu mir - und zugleich vorsichtiger und behutsamer mit anderen.
Von Jesu Verhalten eine Scheibe abschneiden
Das wäre mein Traum: Wir schneiden uns von Jesu Verhalten eine Scheibe ab. So das andere durch uns Gottes Liebe und Barmherzigkeit erfahren -
Zum Bespiel die Familie des Sohnes. Statt Häme erfährt sie Unterstützung und Anteilnahme.
Oder ich stelle mir vor, wie der Politiker in seinem Haus sitzt. Ringsherum die Fotografen, die Apparate gezückt, die Reporter, die Mikrofone im Anschlag. Die Zeitungsjournalisten haben die Überschriften, schwer wie Steine, bereits in der Feder. Und dann hören sie alle die Stimme Jesu: "Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!" Und sie bauen ihre Kameras ab, packen die Mikrofone in den Kasten, schreiben die Überschrift um. Der Schuldige könnte seine Schuld zugeben und es besser machen. Seine Frau, seine Kinder, könnten aufatmen.
Jesus eröffnet der Frau eine Zukunft
Ich denke wieder an Jesus und die Ehebrecherin: Alle sind gegangen. Er sagt: "Hat dich niemand verdammt?" "Nein", sagt sie. "Dann verdamme ich dich auch nicht", erwidert Jesus.
Und er fügt hinzu: "Geh hin und sündige hinfort nicht mehr".
Für die Frau eröffnet sich eine Zukunft. Trotz Schuld.
Und wo Jesus handelt, sehen wir Gott. So geht Gott mit den Menschen um.
Sie erfährt Vergebung. Nur Vergebung eröffnet Zukunft - auch dort, wo wir Steine weglegen.
Die Frau kann ihr Glück nicht fassen. Verändert diese Erfahrung ihr Leben? Geht sie in ihre unglückliche Ehe zurück oder geht sie jetzt ihren Weg und denkt: Puh, nochmal gut gegangen?
"Geh und sündige hinfort nicht mehr"
"Geh und sündige hinfort nicht mehr" - Was es bei der Frau heißt, weiß ich nicht. Ich weiß aber: Wo ich Vergebung dankbar annehme, da verändert sich was. Da freue ich mich nicht, mit einem blauen Auge davongekommen zu sein. Mache nicht weiter wie bisher.
Worauf ich vertraue
Da vertraue ich: Gott schenkt einen Neuanfang. Und er gibt auch uns die Kraft, keine Steine zu werfen. Wo Menschen so miteinander umgehen, da wird Gottes Liebe spürbar.