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Ein HerzensFeuerwerk für 2022!
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Ein HerzensFeuerwerk für 2022!

Stefan Herok
Ein Beitrag von Stefan Herok, katholischer Pastoralreferent i.R. in der Pfarrei St. Bonifatius, Wiesbaden
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Guten Morgen und einen schönen Sonntag!

Heute darüber hinaus natürlich auch: ein gutes neues Jahr!

Das war jetzt das zweite Silvester ohne Feuerwerk zum Jahreswechsel. Wegen der Sorge, dass außer Corona auch noch Feuerwerksunfälle die Krankenhaus-Situation strapazieren.

Ich weiß, viele Leute hören den folgenden Gedanken nicht so gerne, aber mit frischem NeujahrsMut sage ich jetzt mal was Unpopuläres: Vielleicht hilft uns der coronabegründete Verzicht aufs Feuerwerk ja, endgültig Abschied zu nehmen von diesem böllernden Privatvergnügen! Aus Umweltgründen ist es doch schon lange fragwürdig geworden! Das vergangene Jahr hat uns mit den weltweiten UnwetterKatastrophen bis vor unsere „Haustüre“ im nahegelegenen Ahrtal doch ausreichend Zeichen gegeben – oder? Ich fände am besten, wenn möglichst viele Privatleute dies von sich aus persönlich einsehen würden und freiwillig auf Feuerwerk verzichten. Dann müsste die Politik nicht immer wieder die „VerbotsKeule“ schwingen. Große Hoffnung habe ich da allerdings nicht! Ich bin immer noch erschüttert, wie krass das mit der persönlichen Einsicht zurzeit zum Beispiel beim Thema Impfen daneben geht. Ich meine ja auch, das SilvesterFeuerwerk müsste nicht ganz verschwinden. Es könnte vielleicht in kommunale, öffentliche Hand gegeben werden. Wir Privatleute könnten uns dann daran erfreuen.

Aber wir könnten auch ganz andere und neue Rituale entwickeln, um das alte Jahr zu verabschieden!

Statt Feuerwerk – Feuerbestattung des alten Jahres

Meine Frau und ich – schon lange Jahre abstinent beim Abschießen von Feuerwerk – haben zu diesem Jahreswechsel schon mal mit etwas Neuem begonnen: Wir haben das alte Jahr begraben, feierliche Feuerbestattung! Das ging zwar nicht gänzlich ohne CO2-Ausstoß ab, aber wir haben ihn so gering wie möglich gehalten. Zunächst saßen wir beisammen und haben auf kleine Zettel geschrieben, was vom vergangenen Jahr wir hinter uns lassen wollen und keineswegs mit ins neue hinübernehmen. Da kam einiges zusammen. Dazu ein Stück Zeitung von der Silvesterausgabe, aus dem Internet ein paar Blätter mit verabschiedungswürdigen Bildern aus dem zurückliegenden Jahreslauf, das Titelblatt vom abgelaufenen Küchenkalender, die Papphülle vom letzten CoronaSchnelltest und die letzten Tannenzweige vom Adventsgesteck… Das alles haben wir nacheinander in ein kleines Feuer im Kamin auf der Gartenterrasse geworfen. All dem haben wir noch einmal ausdrücklich „Tschüss“ gesagt und jeweils mit einem Schluck 2021-Wein vom Winzer aus unserem Dorf auf diesen Abschied angestoßen.

Noch etwas Zucker auf das Grab des alten Jahres gestreut

Mit der letzten Glut von diesem Feuer haben wir schließlich eine große Wunderkerze angezündet, damit der Übergang der Jahre doch nicht ganz ohne jeden GlitzerSternchenFunkenflug wäre. Das war unser „Feuerwerk 2.22“! Die Asche haben wir schließlich in einem kleinen Erdloch im Garten vergraben. Dann streuten wir mit Zucker die Zahl 2021 darauf, damit wir gegen alle Bitternis und mit etwas Süße noch so lange auf das alte Jahr zurückschauen können, bis die Zahl mit der Feuchtigkeit im Erdreich versickert ist…

Wunsch – Schluck Sekt – Kuss

Als dann später in der Nacht der Zeiger ins neue Jahr gesprungen war, haben wir mit Sekt und einem dicken Kuss gute Wünsche für 2022 ausgetauscht. Das hat hübsch gedauert: immer ein Wunsch und ein Schluck Sekt und ein Kuss! Ja, wir hatten und wir haben viele gute Wünsche für das neue Jahr…

Corona werden wir leider nicht so schnell begraben können

In Sachen Corona wurde uns bei unserem neuen Silvester-Ritual klar, dass wir das leider nicht so schnell werden begraben können. Dafür haben wir uns umso mehr gewünscht: Wir mögen alle damit gut zurechtkommen! Was heißt das für 2022?

Die immer egoistischere Vorstellung von Freiheit

Wer mich persönlich kennt oder vielleicht auch hier im Radio meine letzten Beiträge gehört hat, der weiß, wie sehr mich der zunehmende Hass in unserer Gesellschaft beschäftigt. Und eine – wie ich finde – immer egoistischere Vorstellung von Freiheit. Rücksicht zu nehmen, fällt vielen Menschen offensichtlich zunehmend schwerer. Und damit zu akzeptieren, dass die eigene Freiheit durch die Freiheit anderer begrenzt wird. Menschen können und wollen dann persönlich nicht einsehen, was sowohl die Wissenschaft wie auch die Politik, vor allem aber die Not anderer Menschen, der Kranken, der Gefährdeten, der Sorgenden und Pflegenden von ihnen fordert. Für mich ein höchst dramatischer Mangel an Mitgefühl! Menschen ohne diese Einsicht ertragen dann nicht, wenn andere sie auf Freiheitsgrenzen hinweisen. Wenn Freiheitsbeschränkungen von ihnen gefordert und gegen sie durchgesetzt werden. Dabei sind sie doch nötig, um andere zu schützen.

Wut und Hass erzeugen Ratlosigkeit und Ohnmacht

Aus all dem entsteht nun bei den einen immer mehr Wut und Hass, bei den anderen immer größere Ratlosigkeit und Ohnmacht. Wie soll jetzt daraus ein gutes Jahr 2022 werden?

Ich mache jetzt mal – mit dem schon erwähnten NeujahrsMut – was ich als KirchenMensch hier sonst im Radio eher vermeide: Ich klage über den allgemeinen Rückgang und Verlust an Religion in unserer Gesellschaft.

Nächstenliebe kann Opfer und Demut abverlangen

Die christliche Religion setzt sich idealerweise für umfassende „Liebe" ein. Sie wirbt dafür, sie wirklich als lebensgestaltende Kraft zu nutzen. Und zwar nicht nur die „romantische Partnerliebe", sondern eine fundamentale AllroundLiebe, die grundsätzlich für alle Menschen offen ist, auch für die fremdesten, sogar für die späterer Generationen. Die dabei bereit ist, wirklich etwas für andere zu tun, auch wenn es einem selbst nichts nutzt, unter Umständen sogar schmerzhaft wird. Selbstlos für andere etwas von mir hergeben: Zeit, Geld, Kraft – oder eben auch ein Stück eigener Freiheit. Altruismus und Empathie und Engagement nennt das unsere moderne Sprache. Religiös und bisschen altmodisch würden wir sagen: Nächstenliebe und Opfer und Demut.

Liebe als Geschenk des Himmels zum Weiterschenken

An der christlichen Religion finde ich gut, dass sie menschliche Verantwortung und Rücksichtnahme, also diese notwendige Selbstbegrenzung, von der ich gerade sprach, kosmisch verankert, weil sie uns Menschen einem Gott gegenüber verantwortlich sieht. Weil sie die Liebe als ein Geschenk des Himmels deutet, das unser Herz so entzündet, dass wir gar nicht anders können, als sie – in einer Art „heiliger Verpflichtung“ - anderen weiter zu schenken. Rücksichtnahme wird damit mehr als nur ein vages „Almosen" des Einzelnen, zu dem er nur bereit ist, wenn er es gerade zufällig einsieht und keine eigenen Interessen dagegenstehen.

Woher kommt sonst die Kraft zu selbstloser Liebe?

Meine christliche Religion hat auf diese Wertorientierung kein Monopol. Es kann auch anders, auch ohne sie gehen. Und natürlich ist mir klar, wie schlimm gerade ReligionsMenschen und unsere kirchlichen Institutionen bis heute in dieser Liebe immer wieder versagen.

Aber die Frage steht für mich im Raum, woher soll sonst heute die Kraft und Motivation zu Rücksicht und selbstloser Liebe kommen? Wer setzt sich wo dafür ein? Wer bekehrt die FreiheitsEgoisten zu mehr Rücksicht? Und wer vermag den wachsenden Hass zu bremsen?

Den Hass weglieben, Rücksicht vorlieben

Ich glaube: Empörung, so sehr ich auch selbst welche empfinde, wird uns da nichts helfen. Es helfen ja nicht mal Argumente. Der einzige Weg: den Hass weglieben! Gegen den Hass anlieben. Dieser aufgewüteten Welt Rücksicht vorlieben.

Wie groß ist die Gruppe derer, die ihre Freiheit bedroht sehen?

Die Politik sagt zwar, diese Gruppe sei klein, aber kennen wir nicht alle jemanden, recht nah unter Kollegen, Nachbarn, Familienmitgliedern, die zu denen gehören, die ihre Freiheit bedroht sehen und Angst haben vor Opfer und Selbstverlust? Und die in ihren Urteilen darum immer härter und bitterer werden?

Aktiv im Gespräch bleiben, damit die Gräben sich nicht vertiefen

Ich möchte Sie, die Sie mir hier zuhören, herzlich einladen und inständig bitten: Unterstützen Sie im neuen Jahr aktiv und wo Sie können ein solches Zeugnis, eine solche Parteinahme für Liebe und Rücksicht. Sprechen Sie mit den Skeptischen. Bemühen Sie sich um sie. Meine Frau und ich, wir wollen es auch versuchen. Das ist oft nicht leicht. Und manchmal muss man sich vielleicht auch distanzieren. Aber ich möchte zumindest verhindern, dass ich selbst dabei auf die Wütenden wütend und böse werde. Kann ich ihnen vielleicht Offenheit und menschliche Annahme signalisieren und trotzdem zu meiner anderen Meinung stehen. Sicher eine Gratwanderung. Ich möchte jedenfalls aktiv etwas dafür tun, dass sich die Gräben zwischen uns nicht vertiefen.

Zünden wir 2022 ein großes HerzensFeuerwerk! Dann können wir den Verzicht auf Böller und Raketen locker verschmerzen. Und dann, dann wird es bestimmt ein gutes neues Jahr!

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