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Mein schönstes Weihnachtslied
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Mein schönstes Weihnachtslied

Martin Vorländer
Ein Beitrag von Martin Vorländer, Evangelischer Pfarrer und Senderbeauftragter für den DLF, Frankfurt
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hr4 Gottesdienstübertragung am 2. Weihnachtstag, Montag, 26.12.2022, 10.05 - 11.00 Uhr aus der Evangelischen Heiliggeistkirche in Frankfurt am Main

Hier finden Sie die Predigt von Martin Vorländer, die Lieder und Musik und alle Mitwirkende: 

Predigt von Pfarrer Martin Vorländer

"Es ist ein Ros entsprungen". Das ist eines meiner liebsten Weihnachtslieder. Vielleicht schon deshalb, weil ich Rosen so mag. Ihre Blütenblätter sind kunstvoll ineinander gefaltet. Der Blütenkopf einer Rose ist kräftig, aber gleichzeitig zart und sieht elegant aus. Wohl wegen ihrer Schönheit steht die Rose für die Liebe.

Die Rose ist keine Rose

Inzwischen habe ich gelernt: Das Ros ist ursprünglich ein Reis, also ein Zweig. „Es ist ein Ros entsprungen“ meint: Aus einer Wurzel wächst ein neuer Zweig. Und das ist ja so ähnlich, wie aus einem Stiel eine Blüte hervorkommt. Ich finde es schön, mir diese Blüte als Rose vorzustellen.

Dornige Zeiten

Der Rosenstiel hat Dornen. Darauf die schöne Blüte. Das drückt für mich die Hoffnung aus: Am Ende von dornigen Zeiten kann das Leben neu aufblühen.

In Zeiten, in denen es mir nicht gut geht, wenn ich mir Sorgen mache oder mich leer und einsam fühle, dann versuche ich mich daran zu erinnern: Wer weiß, was für eine Rose am Ende dieser dornigen Zeit hervorkommt? Ich werde wieder gesund sein. Wieder Freude am Leben finden. Wieder Hoffnung haben für mich und die Menschen um mich herum.

Mitten im kalten Winter

Das Lied geht weiter: „Und hat ein Blümlein bracht.“ Die Blüte öffnet sich „mitten im kalten Winter, wohl zu der halben Nacht“. Nicht im Frühling oder Sommer, sondern mitten im Winter. Und nicht bei Sonnenschein, sondern im Dunkeln der Nacht. Das ist ein schönes, tröstliches Bild für die frostigen Zeiten in meinem Leben und für die Nächte, in denen ich nicht schlafen kann.

Wie uns die Alten sungen von Jesse kam die Art

Im Lied heißt es weiter: „Wie uns die Alten sungen von Jesse kam die Art.“ Die Alten, das verbinde ich mit den Menschen, die vor mir waren, die bereits gestorben sind, aber weiterhin zu meinem Leben dazugehören. Ich erinnere mich bei dem Lied an das letzte Weihnachten mit meiner Mutter, als sie bereits sterbenskrank war. Wir, ihre erwachsenen Kinder mit unseren Familien, waren gekommen.

Erinnerungen an liebe Menschen, die bereits gegangen sind

Wir saßen im Wohnzimmer und sangen Weihnachtslieder. Meine Schwester am Klavier, einer meiner Brüder holte die Blockflöte heraus, mein Vater und ich spielten Cello. Die Stimme meiner Mutter war brüchig. Aber bei den Weihnachtsliedern sang sie mit. Das war ein Moment, in dem sie nochmals aufgeblüht ist. „Es ist ein Ros entsprungen… wie uns die Alten sungen… und hat ein Blümlein bracht mitten im kalten Winter.“

Menschen, die frieren

Wir feiern Weihnachten mitten im Winter. Wir wissen alle besonders in diesem Jahr, dass warme Wohnungen und geheizte Zimmer nicht selbstverständlich sind. Mitten im kalten Winter, da denke ich an die Menschen, die es richtig kalt haben. Die auf der Straße leben. An die, die in zerbombten Häusern frieren.

Wenn Gefühle eingefroren sind

Das Leben kann auch im übertragenen Sinn kalt sein. Wenn die Gefühle, die man füreinander hatte, eingefroren sind. Wenn eine Freundschaft erstarrt ist. Mitten im kalten Winter, so kann ich mir selbst vorkommen, wenn ich das Gefühl habe, ich verkümmere. Andere wachsen und blühen auf, stehen mitten im Leben. Aber ich bin abseits.

Aufblühen

"Und hat ein Blümlein bracht." Das Lied gibt der Seele Hoffnung: Es gibt Aufblühen mitten im Winter. Das geschieht in dem Weihnachtslied ganz vorsichtig und behutsam. "Von einer Wurzel zart", die bringt ein "Blümlein".

Die Wende zum Guten zeigt sich in zarten Zeichen, die ich vielleicht manchmal übersehe. Achte auf das Kleine! Freu dich daran, an jeder kleinen Blüte, die es in deinem Leben gibt! Mit ihr kann Wundervolles beginnen. Hören wir die erste Strophe.

Die Wende zum Guten zeigt sich in zarten Zeichen

Die Wende zum Guten zeigt sich in zarten Zeichen. Und damit sind wir mitten in der Weihnachtsgeschichte, der Geschichte von Maria, Josef und dem neugeborenen Jesus.

Im Lied heißt es: "Das Blümlein, das ich meine, davon Jesaja sagt, hat uns gebracht alleine Marie, die reine Magd." Maria, die Mutter von Jesus, ist gemeint mit dem Zweig, der mitten im Winter eine Blüte trägt. Und die Blüte, das Blümlein ist Jesus selbst.

Diese Hoffnung gab es schon lange vor Weihnachten bei den Menschen. Im Buch des Propheten Jesaja ist davon die Rede. Da steht: „Es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen. Auf ihm wird ruhen der Geist Gottes.“ (Jesaja 11,1)

Mit einem Neugeborenen fängt das große Reich Gottes an

Die ersten Christinnen und Christen haben das auf Jesus bezogen. Auf Jesus, dem Kind in der Krippe, ruht der Geist Gottes. Mit diesem Neugeborenen fängt das große Reich Gottes an.

Der Glaube an Jesus Christus wurzelt in den Hoffnungen des Alten Testaments. Diese untrennbare Verbindung des Christentums zum Judentum besingt das Weihnachtslied „Es ist ein Ros entsprungen“.

Das ewige Fressen und Gefressen werden hört auf

Der Prophet Jesaja hat sich ausgemalt, wie das Reich Gottes sein könnte. Da wird denen, die arm sind und im Elend leben, Gerechtigkeit widerfahren. Brutalität und Gewalt finden ein Ende. Das Reich Gottes kommt nicht nur für die Menschen, sondern für die ganze Schöpfung. Das ewige Fressen und Gefressen werden hört auf.

Die Wölfe wohnen bei den Lämmern. Löwen futtern Stroh so wie Ochs und Esel. Ein Säugling kann neben einer Schlange spielen, und weder beißt die Schlange den Säugling noch schlägt der Säugling nach der Schlange. Mensch und Natur sind keine Gegner mehr.

Ich brauche solche Hoffnungsbilder

Das klingt wie im Paradies. Es ist ein Traum, der sich noch erfüllen muss. Ich brauche solche Hoffnungsbilder, dass die Welt auch so sein könnte. Keiner wird unterdrückt. Niemand führt Kriege. Die Welt ist nicht kalt und dunkel. Sondern freundlich und hell.

Diese große Hoffnung fängt im Kleinen an: mit dem Jesuskind in der Krippe. Die Geburt eines Kindes bedeutet Glück.

Und wo das nicht so ist, weil die Situation bedrückend ist, da müssen wir alles dafür tun, dass es so wird, die Eltern unterstützen, damit sie sich wirklich über ihr Kind freuen können.

Ein Neugeborenes zeigt: Alles auf Anfang!

Die Welt, die einem manchmal abgeschabt und grau geworden vorkommen kann, erscheint im neuen Licht. Denn da ist ein Kind, das sie mit seinen kleinen Händen neu begreift, neu entdeckt.

Wie schön ist es, wenn Kinder dabei sind, wenn wir Weihnachten feiern, wenn sie staunen und voller Freude die Lichter sehen und uns teilnehmen lassen an ihrem Staunen und ihrer Freude. Und Weihnachten erinnert immer auch daran, wie es war, als wir selber Kinder waren. 

Kind in der Krippe

Die große Hoffnung fängt im Kleinen an. Mit dem Kind in der Krippe. Das ist Jesus, Gottes Sohn. Er macht uns selig. Er bringt die Hoffnung: Gott schenkt einen neuen Anfang, wo wir am Ende sind.

Hören wir Strophe 2 und 3 von "Es ist ein Ros entsprungen."

Die kleine Blume bewirkt Großes. Mit ihrem hellen Schein vertreibt’s die Finsternis. Die kleine Blume steht für Jesus. Und er ist "wahr‘ Mensch und wahrer Gott".

Echt Mensch

Echt Mensch. Jesus lebt, wie wir leben. Er wird geboren, wie wir geboren wurden. Er hat Windeln an und ist darauf angewiesen, dass seine Eltern sich um ihn kümmern.

Aber er ist nicht nur wahrer Mensch, sondern auch wahrer Gott. Er hat die Macht, aus allem Leid zu helfen, von Sünd und Tod zu retten.

Der erwachsene Jesus stirbt am Kreuz. Aber er bleibt nicht im Grab, sondern steht von den Toten auf zu neuem Leben.

Meine kleinen Anfänge

Mit seinem hellen Scheine vertreibt er die Finsternis. Sogar die Finsternis des Todes. Meine Hoffnung ist: Wenn ich sterbe, ist Christus wie ein Licht, das mir den Weg zum ewigen Leben leuchtet.

Das fängt mit diesem kleinen Kind Jesus in der Krippe an, mit dem „Blümelein“, wie es im Weihnachtslied heißt. Im Kleinen beginnt das Große. Das stärkt meine kleinen Anfänge.

Krach unterm Christbaum

Und oft bleibt es auch bei kleinen Anfängen, selbst an Weihnachten. Denn das ist nicht nur ein Fest voller Seligkeit. Es kann kräftig krachen und Streit geben.

Schön, wenn es danach die große Versöhnung gibt. Man spricht sich aus, klärt, was eigentlich los war, und nimmt sich schließlich wieder in die Arme.

Zum Hörer greifen und anrufen

Das gelingt nicht immer. Aber das Große kann im Kleinen beginnen. Wenn nach einer Zeit der Funkstille der eine zum Hörer greift und anruft. Und die andere lässt den Anruf nicht ins Leere laufen, sondern geht ran.

Die beiden reden über nichts Besonderes, sondern über kleine Dinge wie: Was gibt es bei dir heute am zweiten Weihnachtstag zu essen? oder: Ich mache nachher einen Spaziergang, wenn das Wetter einigermaßen ist. - Nichts Großes. Ein Blümlein eben. Aber ein Anfang. Mit seinem hellen Scheine vertreibt’s die Finsternis.

Die Kraft zum Guten

Es ist ein Ros entsprungen. Das ist ein Weihnachtslied für die zarten Anfänge, die eine große Kraft zum Guten entfalten. Das Lied ende mit einem Gebet. Ich sage das in meinen Worten: Gott, lass uns solche Anfänge erleben. Lass uns Kraft zum Guten erfahren. Darum bitten wir dich. Amen.

Mitwirkende:

Liturgie + Predigt:                  Pfarrer Martin Vorländer
Moderation und Lesung:        hr4 Moderator Hermann Hillebrand
Liturgische Mitwirkung:        Dore Struckmeier-Schubert 

Ü-Technik hr:                         Wulf Schnaase, Artur Büschel

Telefonseelsorge:                    Pfarrerin Martina Schmidt,
                                                Telefonseelsorgerin Annette Isheim

Kirchliche Redaktion:             Pfarrerin Heidrun Dörken

Musizierende: 

Orgel:                                     Frank Hoffmann
Klavier und Gesang:              Gerald Ssebudde
Horn:                                      Alkim Köker
Gesangs-Quartett:                  David Christian Sixt, Aaron Paul Schmitt,
                                               Anna Magdalena Risser, Clara Wacker                   
Musikalische Leitung:           Gerald Ssebudde

Musik und Lieder:

Hark the Herald Angels sing

Herbei, o ihr Gläubgen, (Evangelisches Gesangbuch = EG 45)

Maria durch ein Dornwald ging (EG plus 2)

Hört der Engel helle Lieder (EG 54)

Ich steh an deiner Krippen hier (EG 37)

Stille Nacht, heilige Nacht (EG 46)

All I Want for Christmas is You

Es ist ein Ros entsprungen (EG 30)

Instrumental Medley aus den Wunschliedern der hr4 Hörer:innen

O du fröhliche (EG 44)

Gordon Young, Prelude in classic Style

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