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Die Sprache meines Herzens
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Die Sprache meines Herzens

Dr. Annegreth Schilling
Ein Beitrag von Dr. Annegreth Schilling, Evangelische Pfarrerin, Frankfurt
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hr4 Gottesdienstübertragung am 5. Juni von 10.05 - 11.00 Uhr aus der Christuskirche in Frankfurt-Nied

Hier geht es zur hr4-Übertragung. Nachhören können Sie den Gottesdienst auf hr4.de.

Nach dem Gottesdienst können Sie mit Pfarrerin Dr. Annegreth Schilling und dem Seelsorgeteam von 11.00 - 13.00 Uhr telefonieren, unter der Nummer 069 - 92 107-333.

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Predigt von Pfarrerin Dr. Annegreth Schilling

Liebe Hörerinnen und Hörer, liebe Gemeinde,
es ist Pfingsten! Eines der drei großen christlichen Feste, nach Weihnachten und Ostern. Pfingsten – das Fest des Heiligen Geistes.

Auf Festtage bereite ich mich gern vor: An Weihnachten bastle ich mit meinen Kindern Sterne und backe Plätzchen, an Ostern säen wir Ostergras. Und ich frage mich: Wie kann ich eigentlich meine Wohnung für Pfingsten schmücken? Was könnte ich ins Fenster stellen, was können die Kinder basteln für das Fest?

Pfingsten auf die Spur kommen

Ich möchte Pfingsten auf die Spur kommen und genauer hinschauen und hinhören, was Christinnen und Christen seit über 2000 Jahren an diesem Feiertag zu Herzen geht und sie berührt.

An Pfingsten geht es darum, was geschieht, dass Menschen nicht stumm bleiben. Nicht mutlos, sondern wieder ihre Sprache finden. Und ihre Hoffnung. Das geschieht an Pfingsten, damals und hoffentlich auch heute.

Was geschah damals?

Was geschah damals? Die biblische Geschichte von Pfingsten steht in der Apostelgeschichte. Wir haben sie eben gehört von Hermann Hillebrand.

In Jerusalem geht es unglaublich zu: 50 Tage nach der Auferstehung und Himmelfahrt Jesu sitzen seine Freundinnen und Freunde, die Apostel, zusammen. Sie sind traurig, dass Jesus nicht mehr bei ihnen ist.

Vom Himmel kommt ein Rauschen und Brausen

Auf einmal kommt vom Himmel ein Rauschen, ein Brausen wie von einem starken Wind. Und dieser Sturm erfüllt das ganze Haus. Ich stelle mir vor, wie sich die Freunde Jesu ängstlich ansehen. Sie fragen sich: Was ist das? Was soll das werden?

Ich kenne das: Wenn etwas Unerwartetes geschieht, da zieht sich mein Herz zusammen. Ich werde zögerlich und frage mich, ob ich der Situation gewachsen bin, die da auf mich zukommt. Das ging mir in der Pandemie oft so: Ich bin stumm. Ohne Worte. Ohne Hoffnung. Kann ich die Sprache meines Herzens überhaupt noch hören? Und kann ich mutig sprechen? Einfühlsam und voller Hoffnung.

Feuerflammen für jeden

In der Pfingstgeschichte bleibt es nicht bei dem Sturm, der durch Jerusalem fegt und die Menschen in Bewegung setzt. Dazu kommen kleine Feuerflammen. Sie bringen Licht und wärmen. Sie breiten sich in Windeseile aus und erreichen jede einzelne Person.

Die Kraft des Heiligen Geistes

Hier ist die Kraft des Heiligen Geistes am Werk. Der Heilige Geist erobert im Sturm die Herzen der Jüngerinnen und Jünger. Und die werden von diesem Feuer angefacht. Sie sind sprichwörtlich Feuer und Flamme. Ihre Herzen legen die Traurigkeit ab und füllen sich mit dem Feuer der Liebe Gottes.

Die Jüngerinnen und Jünger sind angezündet von der Kraft des Heiligen Geistes. Sie beginnen zu erzählen -  in verschiedenen Sprachen von Gottes großen Taten. Sie erzählen davon, wo sie Gott erfahren haben in ihrem Leben. Wofür sie dankbar sind. Was ihre Herzen bisher noch beschwert hat, das ist durch Gottes Geistkraft wie weggeblasen.

Die Sprache des Heiligen Geistes kommt aus dem Herzen und geht zu Herzen

Der Heilige Geist verwandelt die Sprache der Herzen: Nicht mehr traurig, sondern dankbar, nicht mehr resigniert, sondern voller Hoffnung. Die Jüngerinnen und Jünger beginnen in Jerusalem die Sprache des Heiligen Geistes zu sprechen. Die Sprache, die aus dem Herzen kommt und zu Herzen geht. Eine herzliche Sprache. So nötig zu allen Zeiten. Besonders heute. Besonders für uns.

Der Heilige Geist rührt das Innere von Menschen an. Er erfüllt ihre Herzen und gibt ihnen eine neue Sprache. Die Sprache ihres Herzens.

Von Jochen haben wir vorhin schon gehört. Er wurde wohnungslos und hatte den Kontakt zum Innersten seines Herzens verloren. Die Worte und Taten einer Sozialarbeiterin haben sein Herz berührt. Nach und nach hat er das Vertrauen zu sich selbst wiedergefunden.

Die Sprache des Herzens ist ehrlich, furchtlos, einfühlsam

Am Pfingstfest beginnen Menschen eine neue Sprache zu sprechen. Sie kommt aus ihrem Inneren. Die Sprache des Herzens ist ehrlich, furchtlos, einfühlsam. Sie findet Worte, die heilen. Und oft sind es gar keine ausgesprochenen Worte, da genügt eine Geste, ein Blick, eine ausgestreckte Hand.

Davon hat auch Gabi erzählt, von ihrem Therapiehund Ari. Ari ist ein Türöffner für Menschen, die krank an Körper oder Seele sind. Er ist da, ohne menschliche Sprache, doch öffnet das die Herzen der Patienten. Sie gehen mit ihm spazieren. Und sie haben wieder Lust zu leben.

Die fröhliche Sprache des Herzens lässt sich nicht erzwingen

Das sind Lebensgeschichten, wo es geklappt hat. Doch die fröhliche Sprache des Herzens lässt sich nicht erzwingen oder einfordern. Ulrika hat von ihrem Schmerz erzählt, weil ihr Mann plötzlich gestorben war. Tief in ihrem Inneren ist sie auch ein Jahr nach dem Tod noch traurig. Da hilft auch kein gut gemeinter Rat: „Das Leben geht weiter. Du musst darüber hinwegkommen.“

Ihre Enkel trösten Ulrika mit ihrer Sprache des Herzens. Sie sind im Hier und Jetzt für sie da. Die Kinder blenden das Traurige nicht aus, aber verwandeln es in Geschichten, die das Schwere leichtmachen: Da bringt das Eichhörnchen einen Gruß von Opa.

Mir gefällt diese Sprache. Sie kommt von Kinderherzen und ist gefühlvoll und reich an Phantasie. Ich glaube: Pfingsten öffnet die Phantasie dafür, wie sich mir Gott in meinem Leben zeigen kann. Für den einen ist das eine helfende Hand oder ein tröstendes Wort – und für eine andere sind Tiere Boten der göttlichen Liebe.

"Der Geist Gottes weht, wo er will"

Jesus selbst hat gesagt: „Der Geist Gottes weht, wo er will. Du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt.“ (Johannes 3,18)

Was ich aber weiß und woran ich glaube: Die Geistkraft Gottes fliegt Menschen zu. Sie verwandelt die Sprache der Herzen. Aus Trauer wird Freude, aus Ängsten wird Mut. Die Geistkraft Gottes kann Herzen verwandeln und Menschen eine neue Sprache geben. Das haben Menschen zu allen Zeiten erlebt.

"Komm Heiliger Geist! Verwandle die Herzen!"

Doch die Sprache des Herzens steht mir nicht zu freien Verfügung. Ich kann nicht jederzeit auf sie zurückgreifen. Ich kann sie nur von Gott erbitten: „Komm Heiliger Geist! Verwandle die Herzen!“ Dieses Gebet brennt mir besonders an diesem Pfingstfest auf der Seele.

Die Sprache der Gewalt trennt Menschen voneinander

Der Krieg in Ukraine zeigt: Die Sprache der Gewalt trennt Menschen voneinander. Sie ist laut, bedrohlich. Sie macht Angst. Ja, sie tötet Menschen. Doch es gibt in all dem Leid Menschen, die etwas gegen den Krieg tun – in mutigen Worten, Taten oder Melodien. Das sind für mich Zeichen der Geistkraft.

Die Geigerin Vera Lytovchenko gibt Menschen Hoffnung mit ihrer Musik

Wie die Geigerin Vera Lytovchenko. Sie hat schon kurz nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine ihre Sprache des Herzens gegen die Gewalt gefunden: In einem Luftschutzbunker mitten in Charkiw nimmt sie die Geige in die Hand und spielt für die, die mit ihr im Bunker sitzen, während draußen die Bomben fallen.

Mit ihrer Musik gibt Vera Menschen Hoffnung, die alles verloren haben. Musik ist eine leise Sprache. Sie scheint unter zu gehen im Lärm von Fliegern und Bomben. Aber sie geht zu Herzen. Und wir bitten und beten an Pfingsten: Komm, Heiliger Geist! Damit die Liebe gewinnt und nicht der Hass!

"Komm, Heiliger Geist! Damit die Liebe gewinnt und nicht der Hass!"

Für mich ist das ein starkes Bild für die Kraft des Heiligen Geistes: Ein Geist, der Menschen verbindet und tröstet. Sie kommt von Herzen und hat sich über die sozialen Medien in die Herzen von vielen Menschen auf der ganzen Welt eingebrannt.

Die Pfingstgeschichte ermuntert mich, aufmerksam für die Sprache des Herzens zu sein. Hinzuschauen, wo sich die Geistkraft Gottes im Hier und Jetzt zeigt.

Eine Pfingstrose als Zeichen der Liebe

Ich habe überlegt, wie ich in diesem Jahr meine Wohnung passend zum Pfingstfest gestalten kann. Und jetzt habe ich auch eine Idee: Ich brauche eine Vase und ein weißes Blatt Papier. In die Vase stelle ich eine Pfingstrose. Sie ist zartrosa und verströmt einen wunderbaren Duft. Die Rose steht für Liebe. Die Pfingstrose erinnert mich daran:

Die Sprache meines Herzens ist eine Sprache, die vor Liebe brennt und für andere da ist. Ich möchte mir Zeit nehmen für jemandem, der oder die allein ist und der ein Gespräch jetzt guttun würde. Die Liebe Gottes austeilen. Dafür steht die Pfingstrose.

Die Taube - Zeichen des Heiligen Geistes

Und das weiße Blatt Papier: Das nehme ich und bastle daraus eine Taube, die Kinder helfen dabei. Die Taube ist seit jeher das Zeichen des Heiligen Geistes – und es passt für mich in diesem Jahr besonders gut: Denn die Taube ist auch das Zeichen für den Frieden.

Beides, die Pfingstrose und die Taube an meinem Fenster, wecken meine Hoffnung, dass Gottes Geist uns Menschen eine neue Sprache schenkt. Und so bitte ich Gott zu diesem Pfingstfest:

Komm, Heil‘ger Geist, mit deiner Kraft! Pflanz in mein Herz, in unser Herz, in die Herzen der Welt die Sprache deiner Liebe und deines Friedens! Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

 

Mitwirkende:
Liturgie + Predigt: Pfarrerin Dr. Annegreth Schilling
Moderation und Lesung: hr4 Moderator Hermann Hillebrand
Liturgische Mitwirkung: Jochen Elser, Ulrika Ludwig, Gabi Ermentraut
Ü-Technik hr: Sigrid Reinehr und Wulf Schnaase
Telefonseelsorge: Annette Isheim, Markus Mütze
Kirchliche Redaktion: Ev. Senderbeauftragte für den hr Pfarrerin Heidrun Dörken

Musizierende:
Gesang: Verena Bachmann
Kammerchor Nied
Orgel: Manuel Knoll
Trompete: Astrid Brachtendorf und Edgar Sterkel
Saxophon: Martin Krieger
Klavier und Musikalische Gesamtleitung: Kantor Lukas Ruckelshausen

Musik und Lieder:
"Komm Schöpfer Heiliger Geist" (EG 126,1)
"O komm du Geist der Wahrheit" (EG136, 1+7)
Jacquess Berthier, Lobsinget der Völker alle (Taizé)
"Atem des Lebens" (EG plus 20, 1-3)
"Wohl denen, die da wandeln (EG 295, 1-3)
Martin Krieger, Heil'ger Geist, du Tröster mein (Stück für Saxophon und Klavier)
Daniel Kosmalski, Tröster, du kommst (Stück für Saxophon und Klavier)
"Ich sing dir mein Lied" (EG plus 96, 1-5)
"Zieh ein zu deinen Toren (EG 133, 1, 6-8)
Francesco Manfredini, Allegro in C-Dur für 2 Trompeten und Orgel
Johann Sebastian Bach, Komm Gott Schöpfer

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