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Aber bitte mit Sahne!
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Aber bitte mit Sahne!

Anne-Katrin Helms
Ein Beitrag von Anne-Katrin Helms, Evangelische Pfarrerin, Erlösergemeinde Frankfurt-Oberrad
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Ökumenische Morgenfeier mit Pfarrerin Anne-Katrin Helms und Prof. Dr. Ansgar Wucherpfennig

Anne-Katrin Helms:
Eine Frau hat mir vor der Beerdigung ihrer Mutter erzählt: „Bis vor zwei Wochen ist meine Mutter jeden Vormittag um 10 zum Kaffeetrinken in die Bäckerei gegangen. Sie hätte ja auch hier bei mir noch einen Kaffee gekriegt. Aber in der Bäckerei hat sie immer die anderen Mädels aus ihrem Jahrgang getroffen. Da wurde erzählt, gelacht, geschimpft und auch die traurigen Dinge des Lebens geteilt. Und viel Kaffee getrunken; und dazu all die süßen Stückchen, die sie aus gesundheitlichen Gründen besser stehen gelassen hätte. Der gemeinsame Vormittagskaffee war ihr viele, viele Jahre wichtig.“

"Jetzt hat sie keine Kraft mehr zum Leben"

Die Tochter erzählt weiter vom Kaffeekränzchen ihrer Mutter: „Drumherum hat sie ihre Arzttermine gelegt. Nur zur größten Not hat sie ihren Kaffeestammtisch ausfallen lassen. Als sie da eines Tages nicht mehr hinging, wusste ich: Jetzt hat sie keine Kraft mehr zum Leben. Und so war es auch: Zwei Wochen später war sie tot.“

Gemeinsam essen und trinken, das ist ein Lebenselixier

Gemeinsam essen und trinken, das ist ein Lebenselixier. „Zusammen schmeckt‘s mir besser“, hat mein Vater oft gesagt. „Wenn ich alleine am Esstisch sitze, ist das Essen nur Pflichtprogramm, reine Nahrungsaufnahme. Spaß macht es mir nicht.“

Das finde ich interessant: Dasselbe Essen schmeckt besser, wenn andere mit am Tisch sitzen. Die Gemeinschaft macht die Suppe würziger, den Braten knuspriger und den Salat frischer. So geht es vielen Menschen. Gerade in den letzten Monaten, wo wir uns nicht richtig treffen konnten aufgrund der Corona-Pandemie, haben viele das gemeinsame Essen vermisst. Gemeinsam zu essen steigert die Lust am Leben.

Opulentes Tafeln ist Kult für die Bibel

Mein katholischer Kollege Ansgar Wucherpfennig und ich, Anne-Katrin Helms, sprechen in dieser ökumenischen hr2 Morgenfeier übers Essen. Und zwar über richtig viel Essen, so dass sich die Tische biegen. Fett, süß, so dass jede und jeder mehr als satt wird. Denn opulentes Tafeln ist für die Bibel Kult.

Aber bitte mit Sahne!

Ansgar Wucherpfennig:
Bevor wir zur Bibel kommen, habe ich einen Schlager im Ohr. Gemeinsam schlemmen ist viel vergnüglicher als allein, das haben auch vier Frauen in einem der bekanntesten Lieder von Udo Jürgens begriffen. Mathilde, Ottilie, Marie und Liliane heißen sie. Beim Nachmittagskaffee in der Konditorei haben sie immer gemeinsam zum Sturm auf das Kuchenbuffet geblasen. Auf Buttercremetorte und Bienenstich, auf Sacher-, Linzer- und Marzipantorte. Als Zuschlag gab es am Ende einer jeden Strophe in der letzten Zeile alles: „Aber, bitte mit Sahne!“

Wie das Lied ausgeht, ist vorhersehbar: Die vier starben eine nach der anderen, als letzte Liliane. Der Pfarrer betet im Trauergottesdienst, „dass der Herrgott den Weg in den Himmel ihr bahne“. Bei dem letzten Refrain setzt dann eine Kirchenorgel ein, bevor es wieder heißt: „Aber bitte mit Sahne!“

Musik: Aber bitte mit Sahne (Udo Jürgens)

Eine kritische Satire auf die Ernährungsgewohnheiten der 70er Jahre

Udo Jürgens hat dieses Lied in den 70er Jahren geschrieben. Damals war Überernährung als Volkskrankheit verbreitet. Fette und fleischhaltige Nahrung, fast food und Fertiggerichte hatten den Hunger in der Nachkriegszeit längst vergessen gemacht. „Aber bitte mit Sahne“ war eine kritische Satire auf die Ernährungsgewohnheiten dieser Zeit und nebenbei auch auf eine heuchlerische Frömmigkeit. Zu oft haben Pfarrer den Leuten in der Kirche Wasser gepredigt und selber Wein getrunken, also zur Zurückhaltung ermahnt, aber selbst gern zugegriffen.  

Essen und Trinken haben sich in den vergangenen 50 Jahren sehr geändert

Anne-Katrin Helms:
Kann gut sein, dass Udo Jürgens mit seinem Lied die Essgewohnheiten der 70er aufs Korn genommen hat. Seitdem hat die Aufmerksamkeit für gesunde und umweltbewusste Ernährung zum Glück zugenommen. Essen und Trinken haben sich in den vergangenen 50 Jahren sehr geändert. Seit einigen Jahren sind auch Unverträglichkeiten, Allergien und Intoleranzen gegen bestimmte Bestandteile der Nahrung weit verbreitet. Wenn ich eingeladen bin, werde ich inzwischen oft nicht nur gefragt, ob es ein bestimmtes Gericht gibt, das ich nicht mag, sondern auch, ob es Speisen gibt, die ich nicht vertrage. 

Kaffeekränzchen: In Zeiten von Corona leider kaum möglich

Ansgar Wucherpfennig:
Leider gibt es inzwischen Kaffeekränzchen immer seltener. In den vergangenen eineinhalb Jahren mit den Schutzbestimmungen gegen Corona waren sie kaum möglich. Ich mag die vier rüstigen Damen Mathilde, Ottilie, Marie und Liliane in Udo Jürgens Lied gern. Sie vergnügen sich prächtig. Mit ihrem Kaffeekränzchen sind sie für mich auch Heldinnen der Frauen-Emanzipation. In den 70er Jahren gab es nämlich vor allem viele dominante Männerstammtische, über denen damals mit Bier und Kraftausdrücken die Probleme der Weltpolitik gestemmt wurden.

Musik: Mauricio Kagel, Marsch um den Sieg zu verfehlen (Ingo Metzmacher)

Die Bibel hat nichts gegen Genuss

Oft steht das Christentum in dem Ruf, Verzicht zu predigen. Wenn Menschen etwas Süßes gegessen haben, sagen sie schnell: „Da habe ich wieder gesündigt.“ Ein verantwortungsbewusster Umgang mit Essen und Trinken gehört zur christlichen Botschaft. Aber die Bibel hat nichts gegen Genuss. Sahne und Süßes gehören für die Bibel sogar zum Gottesdienst.

„Aber bitte mit Sahne!“ lässt sich als Überschrift über die Erzählung vom ersten Gottesdienst in Israel nach dem Exil schreiben. 587 vor Christus hatten babylonische Heere den Tempel in Jerusalem zerstört, die Stadt hatten sie weitgehend verwüstet zurückgelassen und große Teile des Volkes nach Babylon gefangen geführt. Dort lebten sie unterdrückt in der Fremde, und es war auch nicht klar, wie sie Gottesdienst feiern sollten. Wenn sie an den Tempel in Jerusalem dachten, kamen ihnen die Tränen.

Der erste Gottesdienst in Israel nach dem Exil

Erst Jahrzehnte später konnten die ersten Frauen und Männer aus Israel wieder in ihr Land zurückkehren. Als auch das Leben in Jerusalem langsam wieder begann, versammelten sich alle Israelitinnen und Israeliten auf einem Platz vor den Toren der Stadt. Für den Schriftgelehrten Esra wurde ein großes Holzpodium aufgebaut. Er trat vor das Volk. Alle lauschten ihm, als er vom ersten Morgenlicht bis zum Mittag aus der Bibel vorlas. Abschnitt für Abschnitt erklärten andere Schriftgelehrte, was die Aussagen der Bibel für das Volk und für die Einzelnen bedeuten. Als die Lesung zu Ende war, weinten alle, Frauen und Männer, jung und alt, so ergriffen waren sie. Aber sie sollten nicht traurig sein. Die Schriftgelehrten forderten sie auf:

"Esst Fettes und trinkt Süßes!"

Anne-Katrin Helms:
„Esst Fettes und trinkt Süßes! Schickt aber auch denen etwas, die selbst nichts haben; denn heute ist ein heiliger Tag zur Ehre unseres Herrn. Macht euch keine Sorgen: denn die Freude am Herrn ist eure Stärke.“ (Nehemia 8,9).

maschmannim und mamtaqim

Ansgar Wucherpfennig:
Dieser erste Gottesdienst nach dem Exil war ein Vorbild für alle Gottesdienste, die Jüdinnen und Juden in ihren Synagogen gefeiert haben, auch noch zur Zeit Jesu. Als die Bibel und die Predigt gehört waren, hieß es: „Esst Fettes und trinkt Süßes!“ Im hebräischen Original klingt das lautmalerisch. Fettes und Süßes heißt maschmannim und mamtaqim. Bei den beiden Wörtern hört man es Schmatzen und Mampfen. Das Wort Gottes wurde nicht nur einfach verkündigt und gehört. Erst beim gemeinsamen Mahl konnte es richtig verdaut werden, und dafür gab es nicht nur trocken Brot, sondern süße Getränke und saftige Speisen. „Aber bitte mit Sahne!“

Gott freut sich am gemeinsamen Essen und Feiern

Auch die, die nichts haben, dürfen mitschmatzen und mitmampfen. Gott freut sich daran, wenn es seinen Menschen gut geht. Er freut sich auch daran, wenn gemeinsam gefeiert wird, getanzt und gelacht und wenn sich die Tische biegen vor gutem Essen.

Musik: Bernard Andrés, Vanille (Cordula Poos, Harfe; Markus Reich, Percussion)

Die Bibel fordert aber ein Festessen für alle

Anne-Katrin Helms:
Wenn sich die Tische biegen vor gutem Essen, dann müssen aber diejenigen, die zu essen haben, den anderen abgeben. Für die Bibel ist unvorstellbar, dass Feste gefeiert werden, aber die Armen bekommen nichts ab. Im 5. Buch Mose wird gesagt:

Ansgar Wucherpfennig:
„Und (du) sollst fröhlich sein vor dem HERRN, deinem Gott, du und dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd und der Levit, der in deiner Stadt lebt, der Fremdling, die Waise und die Witwe, die in deiner Mitte sind“ (5. Mose 16,11)

Anne-Katrin Helms:
Ein Fest in der Bibel soll also keine exklusive Sache sein mit besonderen Gästen, Eintrittskarte und Security, sondern so etwas wie ein Straßenfest. Tische werden nach draußen gestellt. Alle bringen etwas mit: Essen, Trinken, Freunde, Musik. Jeder kann vorbeikommen und andere kennenlernen.

Das jüdische Laubhüttenfest - ein Straßenfest

Ein solches Straßenfest ist das jüdische Laubhüttenfest – dieses Jahr wird es ab dem 20. September gefeiert. Beim Laubhüttenfest feiern Jüdinnen und Juden, wie Gott sie aus Ägypten durch die Wüste in das verheißene Land geführt hat. In der Wüste konnten die Israeliten nur in provisorischen Hütten wohnen; die konnten sie schnell auf- und abbauen. Sie waren ja dauernd unterwegs. In Ägypten waren die Israeliten selbst Sklaven gewesen, Menschen ohne Rechte, Fremdlinge, Arme. Im 5. Buch Mose heißt es: „Denke daran, dass du selbst Knecht in Ägypten gewesen bist!“ Wer selbst schwere Zeiten erlebt hat wie die Israeliten in Ägypten und auf dem Weg durch die Wüste, soll die nicht vergessen, denen es jetzt schlecht geht. 

Eine Laubhütte auf dem Balkon

Das Laubhüttenfest habe ich selbst mal in Jerusalem miterlebt. Viele jüdische Familien hatten auf ihrem Balkon mit Palmwedeln und Zweigen eine Hütte aus Laub gebaut. Nachbarn von uns haben das auch gemacht. Eine ganze Woche wurde darin gefeiert, vor allem abends, wenn die Arbeit geschafft war. Alle waren eingeladen. Verwandte kamen und Leute von nebenan, Bekannte und Fremde, so wie ich. Es wurde geredet und gelacht. Ich habe auch erlebt, wie Leute ihre Sorgen erzählt haben und jemand weinte. Für alle und alles war Platz auf diesem kleinen Balkon.

Essen, dass sich die Tische biegen

Ganz wichtig war dabei das gemeinsame Essen. Es gab von allem übermäßig viel. Wirklich so, dass sich die Tische bogen. „Endlich ein Tag, an dem die Armen nicht betteln müssen“, hat eine jüdische Frau gesagt. „Wir füttern sie durch. Und das ist gut so.“

Das Land in dem Milch und Honig fließt

Das Laubhüttenfest erinnert an die karge Zeit der Wüstenwanderung. Aber Gott hat Israel durch die Wüste in das verheißene Land geführt. Wenn die Bibel von diesem Land spricht, nennt sie es das Land, in dem Milch und Honig fließen. Die Hungerzeiten waren vorbei.

Musik: Nino Rota, Le Molière imaginaire, IV Armande (Norrköping Symphony Orchestra unter Hannu Koivula)

Ansgar Wucherpfennig:
Alle sollen satt werden, und das nicht nur bei trocken Brot und Wasser. Das gilt nicht nur für das jüdische Laubhüttenfest, sondern auch für die Zusammenkünfte der ersten christlichen Gemeinden ein paar Jahrhunderte später. Wenn sie Gottesdienst feierten, erinnerten sie sich an Jesus. Jesus verehrten sie als ihren auferstandenen Herren. Beim Gottesdienst feierten sie deshalb ein „Herrenmahl“.

Das "Herrenmahl" in Korinth

Und in der Gemeinde in Korinth sah das wohl so aus: Die Gastgeberin oder der Gastgeber stellten den Raum zur Verfügung. Sie sorgten dort für angenehme Temperaturen, für frische Luft und dafür, dass alle einen bequemen Platz bekamen. Ohne große Absprachen brachte jede und jeder etwas mit, das für mehrere Personen ausreichte und unter allen geteilt werden konnte. So kam eine Vielfalt an Rezepten, Speisen, Getränken, an Antipasti und Desserts zusammen. Je mehr Menschen kamen, desto größer wurde die Auswahl auf dem Tisch, an dem sich alle bedienen konnten. (vgl. 1 Korinther 10,14–16; 11,17–34, v.a. 11,24)

Ein Eranos-Mahl

Anne-Katrin Helms:
Ein solches Mahl nannte man im Griechischen ein Eranos-Mahl, wie es Paulus offenbar in Korinth beschreibt: Eranos hieß der Beitrag, den die Einzelnen zum gemeinsamen Mahl beigesteuert haben. Der Name Eranos erinnert an das griechische Wort für „Liebe“ und „Leidenschaft“ eraô. „Liebesgabe“, so könnte man eranos vielleicht übersetzen.

Jesus war der eigentliche Gastgeber

Liebe geht durch den Magen. Liebe braucht es für ein solches Mahl, Liebe und sogar Leidenschaft für das große Ganze der Gemeinschaft und für die Bedürfnisse der Anderen. In dem Mahl feierte die Gemeinde Jesus als den auferstandenen Herrn. Er war ihr eigentlicher Gastgeber. Deshalb war es keine private Essenseinladung. Zusammen zu essen und zu trinken von einem reich gedeckten Tisch, das hat die ersten Christen verbunden: mit dem auferstandenen Herrn Jesus Christus und untereinander.

Musik: Markus Reich und Cordula Poos, Feel Good

So ein Mahl kann auch schiefgehen ...

Ansgar Wucherpfennig:
Das urchristliche Herrenmahl, bei dem alle was zu essen mitbringen, alle teilen und alle richtig satt werden. Das kann allerdings auch schnell schiefgehen. Nämlich dann, wenn es an Einsatz für die Gemeinschaft und an Rücksicht auf die einzelnen Gäste fehlt. Dann bringen einige nur das mit, was sie selber am liebsten mögen. Oder diejenigen, die bestimmte Speisen nicht vertragen, gehen leer aus, weil niemand an sie denkt. Wohlhabendere Spender blicken auf diejenigen herab, die nicht so viel beitragen können, weil sie weniger haben. Und auch das ist möglich: Einige nehmen mit ausgefahrenen Ellbogen die Plätze ein, die sie in der pole position schnell zum Buffet bringen. Wegen der unterschiedlichen, ungeregelten und spontanen Verteilung kann schnell die Gemeinschaft zerreißen.

Das eine gemeinsam geteilte Brot

So haben es die Leute in Korinth erlebt. Paulus hat den Christinnen und Christen daher von einem wichtigen Zeichen geschrieben, das sie beim Mahl einhalten sollten. Zu den verschiedenen Speisen wurde symbolisch ein großes Brot genommen. Jemand dankte Gott für dieses Brot und sprach einen Segen. Dann bekamen alle ein Stück von diesem einen Brot ab. Das gemeinsam geteilte eine Brot machte ihnen sinnenhaft deutlich: Sie, die vielen, sind eine Gemeinschaft.

„Dieses Brot ist mein Leib“

Anne-Katrin Helms:
Auch Jesus hatte bei seinem letzten Mahl ein solches Brot genommen und dazu gesagt hat: „Dieses Brot ist mein Leib.“ (1. Korinther 11,24) Daran hat Paulus die Gemeinde erinnert, deren Gemeinschaft beim Mahl zu zerbrechen drohte. Alle essen gemeinsam, was sie sind. Ihre Gemeinschaft ist ein Sakrament, ein heiliges Zeichen. Deshalb sollen sie beim Essen aufeinander warten und Rücksicht nehmen.

Es gibt nur viele leckere Sachen, wenn auch jeder etwas Gutes mitbringt

Jemand hat mir mal bei einem Büfett gesagt: „Jetzt müssen wir uns beeilen, bevor die ganzen Egoisten kommen.“ Ich glaube, das geht vielen so: Bei feinem und köstlichem Essen will ich nichts verpassen. Dabei entgeht mir aber schnell, dass es nur viele leckere Sachen gibt, wenn auch ich etwas Gutes mitbringe. Wenn am Ende nur noch matschiger Salat und labriges Brot übrig bleiben, stehen die anderen leicht mit enttäuschtem Gesicht da.

Musik: Jaime Mirtenbaum Zenamon, aus 3 Retratos, Dialogo (Sabine Dreier, Flöte;  Rudolf Klemisch, Guitarre)

Essen verbindet

Ansgar Wucherpfennig:
Essen verbindet. Das ist in der Bibel so und heute auch noch. Beim Essen und Trinken geht es nicht nur um mich, dass ich satt werde. Es geht immer auch um andere. Und das nicht nur am Buffet, wenn ich etwas zu feiern habe. Bei dem, was ich esse und trinke, haben viele Menschen mitgewirkt, nicht nur in meiner Küche, weltweit; von den meisten von ihnen bekomme ich gar nichts mehr mit. Selbst wenn ich ihnen Danke sagen wollte, könnte ich es nicht.

Menschen aus allen Weltteilen arbeiten für das, was ich mir schmecken lasse

Den Kaffee, den ich morgens trinke, haben Plantagenarbeiter in Südamerika angebaut. Der Tee kommt aus Indien. Den Reis auf dem Teller haben Menschen aus Indonesien geerntet, Gemüse und Früchte kommen aus Südafrika. Klar gibt es auch viele gute Sachen aus meiner Region. Aber wenn ich auf die Herkunftsländer der Nahrungsmittel achte, ist bei meinem Gang durch einen Supermarkt schnell der gesamte Globus präsent. Menschen aus allen Weltteilen arbeiten für das, was ich mir schmecken lasse. Oft leiden sie unter Billiglöhnen und schlechten Lebensbedingungen. Nicht nur Menschen sind davon betroffen, wie und was ich esse. Fleisch, Milch und Eier kommen von Tieren. Nicht selten werden sie massenhaft unter fabrikartigen Bedingungen gehalten, die den Tieren schaden.

Essen und Trinken verlangen deshalb heute Verantwortung für das gesamte Erdenrund, auf dem Menschen und Tiere leben. Ich kann mich nicht einfach darauf verlassen, dass die Anderen schon darauf achten und ihren Beitrag dazu leisten, die Erde zu erhalten.

Zum wirklichen Genuss gehört die Gemeinschaft

Anne-Katrin Helms:
In der Bibel steht: „Esst Fettes und trinkt Süßes!“ Gott freut sich, wenn wir das Essen genießen. Aber zum Genuss gehört Verantwortung. Das Herrenmahl, das Christinnen und Christen in Korinth gefeiert haben, erinnert mich daran: Zum wirklichen Genuss gehört die Gemeinschaft. Damit alle satt werden, kann es sein, dass ich auch selbst etwas dazu beitragen oder zurücktreten muss. Und vielleicht können wir unsere Feiern öffnen für Menschen, die uns eher fremd sind.

"Fünf sind geladen, zehn sind gekommen. Gieß Wasser zur Suppe, heiß alle willkommen."

Ansgar Wucherpfennig:
Mathilde, Ottilie, Marie und Liliane könnten Deriya, Leila, Beysa und Anjuschka einladen. Beim Stammtisch stößt Hermann mit Hassan an, Ole und Oliver kommen noch dazu. Bei meinen Großeltern stand über der Tür ihres Speisezimmers: „Fünf sind geladen, zehn sind gekommen. Gieß Wasser zur Suppe, heiß alle willkommen.“ Gott freut sich, wenn wir gemeinsam essen und dabei die Tische ausziehen, damit noch mehr daran einen Platz und Freude finden. So stellt sich die Bibel gemeinsames Feiern vor. Gern auch zu Sekt oder bitte mit Sahne.

Musik: Jean Francaix, aus "L'Horloge de Flore, Nycanthe Du Malabar (Albrecht Mayer, Oboe; Academy of St. Martin in the Fields unter Mathias Mönius)

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