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Weihnachten verwandelt
Bild: ExposureToday/Pixabay

Weihnachten verwandelt

Prof. Dr. Beate Hofmann
Ein Beitrag von Prof. Dr. Beate Hofmann, Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessenwaldeck
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hr4 Radiogottesdienst zum 1. Weihnachtstag aus der evangelischen Adventskirche in Kassel

Herzlich Willkommen!

Hier geht's von 10.04 Uhr bis 11.00 Uhr am 1. Weihnachtstag zur hr4 Übertragung.

Den Gottesdienst zum Nachhören gibt es nach Ausstrahlung auf der Seite hr4.de.

Nach dem Gottesdienst können Hörer*innen mit Bischöfin Beate Hofmann telefonieren: Sie ist von 11:00 bis 12.00 Uhr unter der Telefonnummer  0172 7460159 zu erreichen. 

Sie finden hier:

  • Hier und direkt auf dieser Seite oben mit dem Button können Sie den Gottesdienst nachhören.
  • Die Predigt von Bischöfin Prof. Dr. Beate Hofmann
  • Die Mitwirkenden im Gottesdienst
  • Die Pressemeldung, u.a. mit einem Foto der evangelischen Adventskirche in Kassel.

Lied: "Herbei all ihr Gläubigen" aus dem Evanglischen Gesangbuch Nr. 45 die Verse 1, 3 und 4

Lied: "Kommt und laßt uns Christum ehren" aus dem Evanglischen Gesangbuch Nr. 45 die Verse 1, 3, 6 und 7

Musik: Johann Sebastian Bach, Strophe 1, Ich steh an deiner Krippen hier, aus Weihnachtsoratorium, Teil 6

Musik: Jose Feliciano, Feliz Navidad, arr Paul Lang Gord

Lied: "Lobt Gott ihr Christen alle gleich"aus dem Evanglischen Gesangbuch Nr. 27 die Verse 1 - 3 und 6

"Weihnachten verwandelt"

Predigt Teil 1:

Liebe Gemeinde, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer,

haben Sie gestern schön gefeiert? Mit vielen Menschen, gutem Essen, Weihnachtsbaum und Geschenken? Oder war es eher ein stilles Fest für Sie, vielleicht trotzdem mit einem frohen Herzen, weil Sie sich über die Weihnachtsbotschaft und die vertrauten Lieder gefreut haben, oder weil ein lieber Mensch an Sie gedacht hat?

Weihnachten ist ein Fest, das unser Herz berührt und verwandelt. Es bringt Licht in die Dunkelheit und Hoffnung in Situationen, die ausweglos erscheinen. Weihnachten verändert Maßstäbe und Prioritäten. Aus Gott in der Höhe wird ein Kind in der Krippe; aus Maria und Josef, einem Paar ohne Dach über dem Kopf, werden stolze Eltern; aus armseligen Hirten werden Freudenboten.

Wie stark die verwandelnde Kraft von Weihnachten bis heute wirkt, habe ich im Sommer in einem spannenden Roman entdeckt. John Ironmonger erzählt in „Der Wal und das Ende der Welt“ von einem ganz besonderen Weihnachtsfest.

Der Roman spielt in England und erzählt aus der Perspektive von Joe, der als Investmentbanker in London arbeitet. Er hat für seine Bank ein Programm entwickelt, das Börsenkurse analysiert. Dadurch macht die Bank zunächst Gewinne. Doch dann verliert sie an einzigem Tag sehr viel Geld. Voller Angst und Verzweiflung flüchtet Joe an die Küste und geht ins Meer. Doch er überlebt, weil ein großer Walfisch verhindert, dass er weiter ins offene Meer hinaus schwimmt. Joe kehrt um und wird von Dorfbewohnern gefunden und aufgenommen. Nach ein paar Tagen strandet der Wal am Meeresufer vor dem Dorf. Joe organisiert das ganze Dorf und mit vereinten Kräften bringen sie den Wal zurück ins Wasser.

Kurz darauf erreicht Joe die Information, dass in Europa eine Grippeepidemie ausgebrochen ist. Joe beschließt, sein „Dorf“ zu retten. Er steckt all seine Ersparnisse in Lebensmittelvorräte, die er in umliegenden Supermärkten in großer Zahl einkauft. Er darf sie im Kirchturm lagern. Als die Epidemie dann tatsächlich die Küste erreicht, zerstören die Dorfbewohner die Zufahrt zum Dorf und igeln sich ein. Sie leben von den Vorräten und von dem, was Kühe, Meer und Gärten abwerfen. Doch nach ein paar Wochen sinkt die Stimmung merklich, die Vorräte gehen zur Neige. Dann werden auch noch die Kühe von hungrigen Menschen aus der Nachbarschaft des Dorfes gestohlen. Auch Strom und Wasserversorgung sind zusammengebrochen. Am Tag vor Weihnachten ist die Stimmung im Keller und die Hoffnung auf Überleben zerbrochen. Doch da strandet der Wal ein zweites Mal vor dem Dorf, verletzt von einer Harpune. Nach kurzer Zeit stirbt er und die Dorfbewohner schlachten den toten Wal aus.

Gemeinsam kochen sie ein großes Festmahl. Die Kirche des Dorfes wird in eine große Tafel verwandelt und von den Kindern geschmückt. Bei Kerzenschein versammelt sich das ganze Dorf. Als am Strand hungrige Menschen aus dem Nachbardorf auftauchen, werden sie nicht weggeschickt, sondern dazu geladen, denn es reicht für alle. Alle mobilisieren ihre geheimen Schätze, Whisky die einen, Eingemachtes die anderen. Und es wird ein fröhliches Fest. Alle werden satt und die trübe Stimmung und Zukunftsangst verschwinden.

Der Roman endet nicht in einer Katastrophe. Am ersten Weihnachtstag landet ein Boot im Hafen mit der Nachricht, dass die Pandemie überwunden ist und die Versorgung mit Strom, Wasser und Benzin wieder in Gang kommen wird.

Das Buch ist vor der Coronapandemie geschrieben worden, aber es bekommt durch die Pandemie große Aktualität. Ein Dorf feiert miteinander Weihnachten im Angesicht einer ungewissen Zukunft. Dieses Bild hat mich in diesem Jahr auf dem Weg zum Weihnachtsfest begleitet. Für mich wird in dieser feiernden Dorfgemeinschaft der Geist von Weihnachten mitten in den Sorgen unserer Zeit spürbar. Hier wird greifbar, wie das gemeinsam gefeierte Fest Menschen verwandeln und Verhalten verändern kann – im Stall in Bethlehem oder mitten unter uns.

Musik: Felix Mendelssohn Bartholdy, Hark! the Herald Angels Sing,arr by Alan Lol

Predigt Teil 2:

Was hat diese Geschichte mit der Weihnachtsbotschaft zu tun?

So, wie in dem Dorf an der englischen Küste miteinander gefeiert und geteilt wurde, so war das in der Heiligen Nacht auch im Stall von Bethlehem. Nachdem Jesus geboren war, blieben Maria und Josef nicht allein mit ihrem Kind. Das Lukasevangelium erzählt davon und unsere Krippen unter dem Weihnachtsbaum erzählen es nach: Nicht nur Ochs und Esel schauen zu, sondern die Engel sagen es den Hirten draußen vor der Stadt. Sie verkünden: „Fürchtet euch nicht“ Euch ist heute der Heiland geboren.“

Das wollen die Hirten mit eigenen Augen sehen. Sie machen sich auf den Weg nach Bethlehem und bringen mit, was sie entbehren können: Milch, Käse, ein Fell. Sie bestaunen das Kind und fühlen sich geehrt. Denn ausgerechnet sie werden als erste Zeugen davon, dass Himmel und Erde sich berühren.

Froh gehen die Hirten wieder nach Hause zu ihren Herden und erzählen weiter, was sie gesehen und erlebt haben. Bis heute singen wir von der fröhlichen und gesegneten Weihnachtszeit. Wir singen von dem Kind, in dem Gott zu uns kommt. Und wir singen davon, wie das Menschen verwandelt, Angst vertreibt, Hoffnung weckt, Freude schenkt.

Nicht alle werden dieses Weihnachtsfest in ihrer Familie oder in Gemeinschaft mit anderen feiern. Da sind die, die sich in diesen Tagen besonders einsam fühlen, so wie Luise, von der wir vorhin gehört haben. Manche haben niemanden mehr, andere wollen Einladungen nicht annehmen und niemand stören, darum bleiben sie allein. Und es gibt die, die im Moment aus Angst vor der Ansteckung durch Corona keinen Kontakt wollen und lieber zuhause bleiben. 

Die Botschaft von Weihnachten gilt allen: denen, die als Familie zusammen sein können und denen, die allein sind. Allen wünschen die Engel Frieden. Allen ist der Heiland gesandt, allen sagt Gott damit: Ich sehe dich, ich sehe, was in der Welt los ist, ich gehe da hinein, damit sich etwas verändert, damit Licht und Hoffnung dahin kommen, wo es dunkel und trostlos ist.

In dem Kind, das in Bethlehem geboren wurde, beginnt etwas, das die Welt verwandelt. Noch ist davon nicht überall etwas zu sehen und zu spüren, noch warten wir auf Gottes Reich und Frieden für die Welt. Aber immer wieder gibt es Momente, in denen wir schon etwas erahnen von dem, worauf wir hoffen. Das haben die Hirten im Stall von Bethlehem erlebt. Das haben die Menschen mit Jesus erlebt, wenn er sie gesund gemacht oder ihnen eine neue Perspektive geschenkt hat.

Auch so ein Fest wie das im Dorf von Joe an der englischen Küste ist so ein Fenster, so ein Hinschau-Moment auf das, was kommen wird: Frieden, Gemeinschaft, Leben, und Gottes Geist mittendrin.

So kommt mit der Geburt von Jesus Bewegung nicht nur in unser Herz, sondern in die Welt. Menschen gehen aufeinander zu, suchen Frieden, schöpfen Hoffnung. Das feiern wir an Weihnachten. Und das geschieht nicht nur damals in Bethlehem oder im Roman, sondern mitten unter uns.

Musik: Engelbert Humperdinck, Abendsegen

Predigt Teil 3:

Weihnachten ist ein Fest, das berührt und verwandelt. So wird in manchen Kirchengemeinden Weihnachten als ein Fest für alle gestaltet. Von einem Beispiel aus meiner Landeskirche möchte ich erzählen. Und ich habe jemand mitgebracht, der selbst erlebt hat, was da geschieht.

In der Karlskirche in der Innenstadt von Kassel ist am 24. 12. Offene Tür. Wer nicht zuhause bleiben will oder Weihnachten mal ganz anders erleben will, ist eingeladen zu kommen. Es gibt etwas zu essen, es gibt Geschenke, es wird zusammen gesungen, es gibt einen schönen Weihnachtsbaum, die Weihnachtsgeschichte und Musik. Und viele Menschen aus der ganzen Stadt sitzen Weihnachten nicht zuhause unter ihrem Weihnachtsbaum, sondern packen mit an. Einer ist Lutz Geydan, der uns jetzt erzählt, warum er das macht und was er da erlebt.

Lutz Geydan:

Es ist Heiligabend 2014 In der Karlskirche. Meine Frau und ich waren gerade nach Kassel gezogen. Die Kirche ist proppenvoll von Menschen, die auf Klappstühlen sitzen, sich unterhalten, essen, schweigen, oder einfach nur vor sich hinträumen. An 2 langen Tafeln wird von Ehrenamtlichen Essen und Trinken ausgegeben. Vorne am Altar sitzen zwei Musiker mit Gitarre. Sie spielen Weihnachtliches, Klassisches, mal auch etwas von Bob Dylan. Vorne rechts am Altar steht der leuchtende Weihnachtsbaum.

Sonst ist hier aber nicht viel von einem normalen Heiligabend zu sehen.

Offene Kirche, offen für alle. Hier sind heute Abend Einsame, Obdachlose, Suchende, Neugierige und mehr.

Ich stelle mich auf eine der Treppen und lasse das Treiben auf mich wirken. Hier kann ich das Gewusel gut sehen, riechen und wahrnehmen.

Jesu Geburt fühle ich mich hier besonders nah. Er ist der Bruder und der Freund der Armen, Einsamen und Suchenden. Hier stellt er sich ihnen an die Seite. Hier und jetzt in der Karlskirche.

Am Ende stellen wir uns in einen Kreis. Kerzen leuchten, wir beten und singen. Es ist gut. Die Menschen gehen nach Hause. Wir räumen auf, gehen dann selbst nach Hause und sind dankbar. Es ist Weihnachten.“ (Ende Geydan)

Die Offene Tür in der Karlskirche war auch gestern offen, mit Musik, der Weihnachtsgeschichte und Geschenken, aber leider ohne die gemeinsame Tafel. Die war wegen der Pandemie in diesem Jahr nicht möglich. Und trotzdem wurde es Weihnachten.

Trotzdem feiern wir ein Fest und erinnern uns an eine Botschaft, die uns und unsere Welt verwandelt. Da gehen traurige Menschen etwas beschwingter nach Hause und die, die ganz allein sind, waren für eine Weile nicht mehr einsam. 

Weihnachten holt das Gute, den Wunsch nach Frieden, die Sehnsucht nach einer besseren Welt in uns hervor, weil Gott uns sein Bestes gibt: sich selbst.

Manchmal wird unter uns etwas sichtbar von diesem Frieden und der anderen Welt, die mit Jesus in der Krippe beginnt: In unserem Feiern in der Familie oder mit Freunden oder auch durch Telefonate oder zufällige Gespräche.

Da nerven blöde Sprüche oder dumme Bemerkungen nicht so wie sonst; da ruht der Streit um Corona und Impfen für ein paar Stunden; da gelingt es, einander zuzuhören und schöne und schmerzliche Erfahrungen miteinander zu teilen. Oder einfach miteinander zu schweigen und auf Musik und die Botschaft von Weihnachten zu hören.

Nicht immer gelingt das: Manchmal bleibt scheinbar alles wie immer, scheinen die alten Muster die beginnende Verwandlung zu überdecken.

Doch es bleiben die Hoffnungsfenster, der Blick auf das Kind in der Krippe, die Botschaft der Engel vom Frieden, der im Kommen ist, und die Hoffnung, dass Weihnachten eben erst der Anfang ist, der ein Ende macht mit all dem, was unser Leben und unsere Welt dunkel macht. Amen.

Lied: "Fröhlich soll mein Herze springen"aus dem Evanglischen Gesangbuch Nr.36 die Verse 1, 2, 3 und 6

Musik: „Candle of peace“ (Dona nobis pacem) arr. Viktor C. Johnson

Lied: "O du fröhliche"aus dem Evanglischen Gesangbuch Nr.44


Mitwirkende im Gottesdienst:

Liturgie und Predigt: Bischöfin Beate Hofmann

hr4 Redakteurin: Vera John

Liturgische Mitwirkung: Lutz Geydan, Klaus Kühnemuth

Musikalische Mitwirkende:  

                    Petra Korff, Sopran
                    Martina Thoneick, Alt
                    Florian Brauer, Tenor
                    Jochen Faulhammer, Bass         

                    Joachim Pfannschmidt, Horn
                    Kerstin Bohländer, Handglocken
                    Charlotte Bellin, Handglocken
                    Christine Spuck, Orgel und E-Piano 

Musikalische Gesamtleitung: Bezirkskantorin Christine Spuck

Ü-Technik hr: Andrea Steiger, Marcel Remy

Kirchliche Redaktion: Claudia Rudolff, Rundfunkbeauftragte der Evangelischen Kirchen von Kurhessen-Waldeck   

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