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Weiberfasching Frauen an die Macht!
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Weiberfasching Frauen an die Macht!

Andrea Weitzel
Ein Beitrag von Andrea Weitzel, Katholische Schulseelsorgerin und Religionslehrerin, Hanau
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Die Krawatten bleiben heute besser im Schrank! Denn es ist Weiberfasching! So zumindest heißt der heutige Tag in meiner Heimat. Andernorts variiert sein Name: Man sagt Weiberfastnacht, Altweiberdonnerstag, einfach nur Altweiber, Wieverfastelovend in Köln, Schwerdonnerstag in Koblenz oder „Schmotziger Dunschtig“ im schwäbisch-alemannischen Raum.

Gemeint ist immer der Donnerstag vor dem Faschingswochenende. Besonders in den rheinländischen Fastnachtshochburgen markiert er den Übergang vom Sitzungskarneval zum Straßenkarneval.

Die Ursprünge des Weiberfaschings reichen bis ins Mittelalter zurück. In dieser Zeit mussten sich die Frauen den Männern in jeglicher Hinsicht unterordnen. Damals formte sich allmählich ein Gedanke: Für einen Tag während der Fastnacht sollte den Frauen die Macht übergeben werden. Mancherorts war es sogar üblich, die Männer aus diesem Anlass wenigstens ein Mal für ihr alltägliches Fehlverhalten gegenüber den Frauen zu tadeln. Sichtbares Zeichen dieser Umkehr der Machtverhältnisse ist bis heute das weit verbreitete Abschneiden der Krawatten durch die Frauen. Damit wird – symbolisch – den Männern ihre Macht genommen. Als Entschädigung dürfen die Männer heutzutage an manchen Orten jedoch auf ein Küsschen hoffen.

Ein solches versöhnendes Küsschen mildert die symbolische Entmachtung. Aber schließlich leben wir auch nicht mehr im Mittelalter, sondern im Deutschland des 21. Jahrhunderts: Die Politik achtet auf Frauen- und Männerquoten. Firmen stellen Frauenbeauftragte ein. Bildungswege und Bildungschancen stehen Jungen und Mädchen gleichermaßen offen.

Geht es um die Emanzipation der Geschlechter, empfinden sich die Schülerinnen meiner Schule – übrigens einer reinen Mädchenschule – grundsätzlich als gleichberechtigt. Sie können sich in den meisten Fällen überhaupt nicht vorstellen, dass mindestens noch die Generation ihrer Großmütter für ein selbstbestimmtes Leben und gute Bildung kämpfen musste.

Der Kampf um die Bildung von Mädchen war vor 100 Jahren jedoch einer der Gründe für die Eröffnung meiner Schule durch die Fritzlaer Ursulinenschwestern. Der katholische Ursulinen-Orden wurde im 16. Jahrhundert gegründet und widmet sich seitdem der Erziehung und Bildung von Mädchen. So also auch seit 100 Jahren im Hanauer Stadtteil Großauheim. In dem damals rasant anwachsenden Arbeiterörtchen schufen die Ursulinen einen Ort der Bildung nur für Mädchen. Auch wenn die Ursulinen längst nicht mehr die Schulträgerinnen sind, verfolgt die christliche Schule weiterhin ihre Ziele: Mädchen sollen stark, selbstbewusst und gut gebildet in ihre weitere Zukunft entlassen werden.

Die Mädchen, die nach den Sommerferien unsere neuen 5. Klassen bilden werden, erhalten derzeit ihre Zusagen. Sie werden der 101. Jahrgang sein. Und ich denke: Glücklicherweise ist inzwischen vieles bei der Gleichberechtigung von Mann und Frau erreicht. Dennoch bleibt einiges, wofür Mädchen besondere Stärke benötigen. Allein, wenn ich daran denke, wie Frauen heute Beruf und Familie zu vereinbaren haben. Das unterliegt zwar anderen Kriterien als noch vor 30 Jahren, zwängt aber zunehmend Frauen in neue Stereotypen: Weg von der Hausfrau hin zum Muss einer beruflich erfolgreichen Frau und Mutter, die beides mit Leichtigkeit und Perfektion vereint.

Bei aller Freude und allem, was ich selbst in diese Richtung entschieden habe, spüre ich gelegentlich am eigenen Leib, dass ich von einem gleichberechtigten Leben weit entfernt bin. Sicherlich wird es da jetzt sehr subjektiv – aber die Männer in meinem Umfeld haben es da irgendwie einfacher!

... und aus diesem, sehr persönlichen Grund, nehme ich heute, an Weiberfasching die Schere mit zur Schule! Nehmt euch also in Acht, werte Kollegen!

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