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Ostern – Fest der Erlösung
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Ostern – Fest der Erlösung

Stefan Herok
Ein Beitrag von Stefan Herok, katholischer Pastoralreferent i.R. in der Pfarrei St. Bonifatius, Wiesbaden
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Guten Morgen und frohe Ostern!

Was macht denn Ostern froh? Die meisten Leute denken wahrscheinlich an frühlingshafte Feiertage und geruhsam freie Zeit im Kreis der Lieben. So schön, wie der Karfreitag und der Ostermontag unser Wochenende aufpäppeln, ohne dass es uns einen Urlaubstag kostet… Das ist voll ok! Wenn man bedenkt, wie sehr die Erwerbsarbeit uns oft ihren hektischen Lebensrhythmus aufdiktiert, dann liegt in der geballten OsterFreizeit für viele von uns vielleicht sogar etwas echt Erlösendes!

Das ist mein persönlicher Schlüsselbegriff für Ostern und alles Frohe an diesem Fest: Erlösung! Davon möchte ich Ihnen zu dieser frühstücksfrühen Stunde gerne erzählen: Ostern das Fest der Erlösung!

Und diese Erlösung hat zunächst einmal noch gar nicht mit Religion oder Kirche, Jesus oder Gott zu tun, sondern einfach nur mit meinem Leben.

Was meine ich mit ‚Erlösung‘? Es geht dabei in jedem Fall um Befreiung. Erlösung ist aber noch stärker. Sie ist in meinem Sprachgefühl eine Steigerungsform von Befreiung. Wie: „Befreiung hoch 10“. Oder: „Befreiung 4.0“. Erlösung ist so etwas wie der Superlativ von Befreiung: befreit, mehr befreit, am meisten befreit, „am befreitesten“, das gibt es sprachlich nicht wirklich, aber genau das ist ‚erlöst‘!

Wenn ich Erlösung herbeisehne, dann geht es immer um etwas Lebenswichtiges oder Lebensbedrohendes, um etwas Großes, niemals um Kleinigkeiten.

Erlöst zu werden, das gehört zu den glücklichsten Momenten unseres Lebens.

Und da ist noch etwas, was den Steigerungscharakter der Erlösung gegenüber einer Befreiung ausmacht. Ich weiß nicht, ob Sie mein Sprachgefühl teilen: Befreien kann ich mich in mancher Hinsicht auch selbst, aber Erlösung, egal um was es geht, die muss mir zuteilwerden.

Mich selbst erlösen, das kann ich nicht!

Sie werden längst auf Beispiele warten, mit denen ich ein bisschen konkretisiere, was ich mit Erlösung meine. Das ist aber schwierig. Existenzielle Erlösungsbedarfe sind meistens sehr subjektiv und relativ. Darin sind sie dann unter Umständen auch widersprüchlich und von Unbeteiligten kaum nachzuvollziehen. Nehmen wir etwas so triviales, wie ein offenes oder geschlossenes Fenster. Für den Asthmatiker kann es tatsächlich existenzielle Erlösung bedeuten, wenn in einem stickigen Raum endlich ein Fenster geöffnet wird. Für den chronisch Frierenden, genau im Gegenteil, muss das Fenster endlich geschlossen werden.

Jede und jeder von uns hat eigene Erfahrung mit Erlösung. Ich möchte jetzt mal kurz dahin spüren, wo es in meinem Leben schon um Erlösung gegangen ist. Wer hat mich wann von was erlöst?

Erst kürzlich habe ich mir ungemein Sorgen um meine Frau gemacht. Sie führt ein Geschäft und ist dort zu bestimmten Zeiten telefonisch immer zu erreichen, Festnetz und zusätzlich Handy. Mehr als eine halbe Stunde hatte ich es vergeblich versucht. Kein Besetztzeichen. Nichts. Vor meinem inneren Auge sah ich sie schon als Opfer eines schlimmen Ereignisses. Schließlich habe ich sehr aufgeregt eine liebe Nachbarin angerufen, dass sie doch bitte mal nachschauen möge. Wie erlösend als ich meine Frau endlich an der Strippe hatte und sich alles als zwar doppeltes, aber doch normales Technikchaos aufklärte. Letzten Endes harmlos und bisschen lächerlich, werden Sie vielleicht denken. Wer aber den Schrecken der plötzlichen, tiefe Sorge kennt, der weiß auch um die Kraft von solcherart Erlösung.

Schlimmer geht natürlich immer.

Nach meiner zweiten Lungenembolie musste ich länger auf den Befund warten, ob das Herz bleibende Schäden davongetragen haben. Nein. Gute Nachricht. Was für eine Erlösung!

So existenziell auf der Spur persönlicher Erlösungsgeschichten, beginnen meine Erinnerungen nur so zu purzeln: Da ist das Familienmitglied, dessen Vertrauen ich sehr verletzt und das ich schlimm belogen hatte. Wie schwer fiel es mir, die Schuld einzugestehen. Erste Stufe der Erlösung, als das Bekenntnis endlich draußen war! (Kleine gedankliche Selbstkorrektur: es gibt also doch Momente, wo wir uns auch selbst erlösen können…) Und wie habe ich dann gebangt, ob die Person mir würde verzeihen können! Ich spüre – wenn ich daran denke – noch heute sofort körperlich, wie mir der Stein vom Herzen fiel, als sie mir endlich die erlösende Geste der Versöhnung schenken konnte.

So gehören die Sehnsucht nach Erlösung und das Glück ihrer Erfüllung zu den existenziellsten Erfahrungen unseres Lebens.

Auf ein ganzes Leben hin betrachtet oder in Wahrnehmung extremerer Schicksale als meines, da ballen sich die Erlösungsbedarfe oft mächtig zusammen:

Da hat sich jemand so sehr im Teufelskreis des Bösen verstrickt, dass er immer tiefer in Schuld versinkt und sich unrettbar verloren glaubt. Da wurde jemand so oft in Sachen Liebe enttäuscht, dass er gar nicht mehr glauben kann, überhaupt liebenswert zu sein.

Da ist jemand so vom fundamentalen Misslingen verfolgt, hat viele Hoffnungen begraben müssen, so viele Menschen an seiner Seite verloren, so viel Schmerz, Krankheit, Trauer und Tod ertragen müssen, dass ihm das Leben insgesamt als vollkommen sinnlos erscheint.

Depression und „Burn-out“ so verbreitet heute als „SinnlosigkeitsKrankheit“, früher Schwermut genannt. Für mich Zustände mit besonders starkem Erlösungsbedarf.

Was ist eigentlich das Gegenteil von Erlösung? (Pause) Ich fürchte Verzweiflung. Weil mir dann die Hoffnung schwindet, dass ich die ersehnte Befreiung wirklich irgendwann finden kann.

Und welche erlösende Rolle kann dabei nun Ostern spielen?

Dieser Jesus aus Nazaret hatte so wundervoll von Erlösung gesprochen, hatte vor allem so viel davon ausgestrahlt. Er hatte den Menschen Mut gemacht und ihrem Leben mit seiner Botschaft einen neuen Sinn erschlossen:

Er hat Menschen ganz konkret Erlösung erfahren lassen, indem er sie von Schuld befreit hat. Da gibt es z.B. eine berühmte Szene mit einer Ehebrecherin… (JohannesEvangelium 8,1-10).

Er hat ihnen Erlösung geschenkt, indem er Menschen, die lange unter Krankheiten und gesellschaftlicher Isolation litten, heilen konnte. Da gibt es viele Geschichten mit Aussätzigen, Besessenen, Blinden, Lahmen…

Er ist aggressiven Menschen friedfertig begegnet, lehrte Gewaltlosigkeit, Nächstenliebe…

Und er hat ihnen vorgelebt, dass es funktioniert. Diese Botschaft ist so himmlisch, haben die Menschen empfunden, die muss direkt von Gott kommen. Dieser Jesus muss direkt von Gott kommen…

Und dann, dann scheitert dieser wunderbare Mensch auf ganzer Linie. Landet binnen weniger Monate am Kreuz. Verurteilt und grausam hingerichtet als Scharlatan und Gotteslästerer. Das schändlichste Ende, das damals denkbar war. Und alle wunderbare Erlösungshoffnung ist beim Teufel. Und die Erfahrung, dass die Liebe trägt und dass das Leben einen Sinn hat, ausgelöscht in einem einzigen KarfreitagsMoment.

Und dann, dann kommt Ostern. Was da geschah, ist für mich nicht wirklich begreifbar.

Ich weiß nur, die Kraft zur Erlösung und die Hoffnung, alles ist auf einmal wieder da!

Die Jünger Jesu tragen sie in sich, die Erlösung und die Hoffnung. Sie nennen es Auferstehung.

Denn sie spüren: Jesus ist wieder da. Nicht so wie vorher. Aber doch so, dass sie ungebrochen weitermachen können mit der Nächstenliebe und der Gewaltlosigkeit, mit dem Frieden und dem Versuch, das Böse zu überwinden.

Das klappt leider nicht immer und hat sich noch nicht überall durchgesetzt. Sonst sähe die Welt ja anders aus.

Aber seit 2000 Jahren steht diese Jesus-Kraft nun zur Verfügung.

Ich vertraue ihr. Und ich konnte bisher auch schon persönlich einiges an Erlösung erleben.

Und manchmal, da kann ich auch dazu beitragen, dass andere Menschen sich ein Stück weit erlöst fühlen.

Darum bin ich – gottseidank – zumindest überhaupt kein Kandidat für die Verzweiflung!

Erlösung ist grundsätzlich möglich. Das spüre ich als Kraft in meinem Herzen. Diese Kraft trägt mich.

Gleichzeitig weiß ich: das ist nicht allein meine Kraft.

Ich glaube, das ist die Kraft Jesu, die ganz von Gott kommt - seit Ostern!

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