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Wenn ich schwach bin, bin ich stark
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Wenn ich schwach bin, bin ich stark

Dr. Anke Spory
Ein Beitrag von Dr. Anke Spory, Evangelische Pfarrerin, Bad Homburg-Gonzenheim

Max Frisch, der Schweizer Schriftsteller, hat in seinem Tagebuch über seine Mutter geschrieben. Eine Lehrerin hat zu ihr gesagt: „Niemals wirst du stricken lernen.“ Seine Mutter muss das oft erzählt haben. Sie hat diesen Ausspruch niemals vergessen und ihn wohl der Lehrerin auch nie verziehen. Später ist seine Mutter eine leidenschaftliche Strickerin geworden. Sie hat ihrem Sohn Max Strümpfe, Mützen und Handschuhe gestrickt. Max Frisch schreibt in seinem Tagebuch: „Am Ende verdanke ich all die gestrickten Sachen allein jenem ärgerlichen Orakel“, also dieser Lehrerin seiner Mutter.
Wenn andere über mich urteilen und sagen „das lernst du nie“, kann das haften bleiben. Manchmal lebenslang. Viele kennen das. Die Vorstellungen, die andere über uns haben, legen uns fest. Umso mehr, wenn es um unsere vermeintlichen Schwächen geht. Es ist nicht einfach, sich über solche Urteile hinweg zu setzen. Auch dann nicht, wenn man wie die Mutter von Max Frisch versucht, das Gegenteil zu beweisen.
Einer, der mit dem Urteil anderer über ihn anders umgehen konnte, ist Paulus. Im Neuen Testament sind viele von seinen Briefen überliefert. Er konnte richtig gut Briefe schreiben an die christlichen Gemeinden, die er gegründet hat. Äußerlich muss Paulus eher jämmerlich gewirkt haben. Zumindest haben das seine Gegner behauptet. Er könne nicht gut reden, predigen würde er auch nicht so weise und sprachgewandt wie andere. Mit anderen Worten: Schreiben kann er, reden nicht. Das war für viele seiner Gegner ein triftiger Grund, das abzulehnen, was Paulus geschrieben hat.
Paulus lässt sich von den Urteilen der anderen nicht klein machen. Er versucht auch gar nicht, ihnen das Gegenteil zu beweisen. Machte er eine schwache Figur im äußeren Auftritt? Ja, gut möglich. Trotzdem zweifelt er nicht daran, dass Gott mit ihm etwas vorhat. Für ihn passt das zu dem, wie er Gott erfahren hat. Paulus schreibt: „Wenn ich schwach bin, bin ich stark. Denn die Kraft Christi wohnt in mir.“
Paulus kann seine Schwächen annehmen. Mehr noch: Er ist davon überzeugt: Wenn ich schwach bin, bin ich stark. Meine Kraft kommt nicht aus mir, sondern von Christus. Seine Kraftquelle ist sein Glaube. Der Glaube an die Gnade Gottes ist für Paulus die Grundlage, zu seinen Schwächen zu stehen. Wer darauf vertraut, dass Gott Schwächen zu Stärken macht, kann anders leben.
Was er damit gewinnt, ist klar: Er ist innerlich frei. Paulus kann zu seinen Schwächen stehen. Er sieht sie sozusagen als das Material, aus dem Gott dann Gutes machen kann. Das heißt nicht, dass Paulus die Hände in den Schoß legt. Im Gegenteil: Er nutzt das, was er gut kann, und hat damit Werke für die Ewigkeit geschaffen."

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