Was uns treibt
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Was uns treibt

Gabriele Heppe-Knoche
Ein Beitrag von Gabriele Heppe-Knoche, Evangelische Pfarrerin, Kassel

Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. Aus dem Römerbrief stammt dieser Satz.  Ich bin beim Lesen an dem Wort „treiben“ hängen geblieben. Wie muss ich mir das vorstellen, dieses Treiben? Meinen ersten Gedanken an einen Motor verwerfe ich schnell wieder. Motoren treiben Maschinen an. Aber sie sind nichts für Menschen. Auch die Vor­stellung einer Herde, ob Schafe oder Ziegen, die von ihrem Hirten über die Felder und Wiesen getrieben wird, finde ich bedrängend. In einer Herde bleibt kein Raum für die einzelnen.  

Aber dann fällt mir etwas ein. Als ich jünger war bin ich sehr viel Kanu gefahren. Sich von einem Fluss treiben lassen ist fantastisch. Man spürt unter sich die Kraft des Wassers, das einen mitnimmt und trägt. Natürlich tut man auch selber etwas dazu. Das muss man auch. Man muss schon das Paddel gebrauchen, wenn man sich eine Richtung geben will. Und man kann auf dem gleichmäßigen Strom des Wassers selbst die Geschwindigkeit bestimmen. Durch eigene Anstrengung kann man manche Strecke schneller zurücklegen.  Aber durch den Fluss gewinnt man auch Schwung, wenn man die Strömung gut nutzt und an der richtigen Stelle mit seinem Boot dahingleitet.

Und wenn die Arme nach einer langen Strecke schon müde geworden sind, kann man sich einfach mittreiben lassen und kommt trotzdem voran. Der Fluss nimmt einen mit, auch wenn man keine Kraft mehr hat.

Mit dem Fluss treiben und vom Fluss getragen werden, - das ist ein schönes Bild für den Glauben. Denn ich stehe ja als Kind Gottes immer schon in Beziehung zu anderen Christen. Da fließt vieles zusammen: Was mir andere schon als Kind erzählt oder viel mehr noch vorgelebt haben aus einer christlichen Überzeugung heraus, Bibelworte, die irgendwann im Leben wichtig geworden sind, Gottesdienste zu unterschiedlichen Festtagen, verschiedene christliche Traditionen, die ich später in anderen Ländern oder anderen Gemeinschaften kennengelernt habe, - all das fließt zusammen und bildet einen großen Fluss der Tradition. Ich bin ein Teil von diesem Fluss, auf dem ich mittreibe und der mich trägt, so vielgestaltig und veränderlich er auch ist.

So wie das Wasser, das zwischen den Fingern zerrinnt und nicht festzuhalten ist, doch gleichzeitig eine ungeheure Kraft entfalten kann, so empfinde ich auch diesen Glaubens­strom. Manchmal fast unkenntlich und zerfasert, ohne klare Kontur, kann er doch, wenn es darauf ankommt, eine Kraft entfalten, die Menschen bewegt und voranbringt. Das sind die Momente, wo Gottes Geist zu spüren ist. Für alle, die sich von ihm und mit ihm treiben lassen.

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