„… denn ihr werdet lachen“
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„… denn ihr werdet lachen“

Dr. Alfred Mertens
Ein Beitrag von Dr. Alfred Mertens, Professor emeritus im Kirchendienst, Priester im Ruhestand, Mainz

Die Kampagne – so nennt man in Mainz alles, was mit der Fassenacht zu tun hat – die Kampagne steuert auf ihren Höhepunkt zu. Die Narren sind losgelassen und beherrschen inzwischen nicht mehr nur die Säle mit den Kappensitzungen, sondern auch die Straßen und Plätze. Noch drei Tage buntes Treiben und ansteckende Fröhlichkeit, Schunkeln und Lachen.

Gelacht wird in diesen Tagen von früh bis spät. Gelacht wird aber nicht nur über schlagfertige Pointen bei den Kappensitzungen, gelacht wird nicht nur bei den Umzügen, wie sie heute, morgen oder übermorgen durch die Städte ziehen; gelacht wird auch – und gar nicht so selten – jetzt werden Sie vielleicht lachen: in der Bibel. Nun ist die Bibel alles andere als ein Witzbuch. Sie ist das heilige Buch der Christen; sie lesen sie bei ihren Gottesdiensten und viele finden in ihr auch Trost und Kraft in ihrem persönlichen täglichen Leben.

Und in ihr wird gelacht? Nicht nur ein bisschen freundlich gelächelt? So wie es das alttestamentliche Buch Jesus Sirach als Ideal ansieht: „Ein Tor erhebt beim Lachen seine Stimme, aber ein kluger Mann wird kaum verhalten lächeln“ (21,20). Nein, es darf es schon ein bisschen mehr sein, selbst in der Bibel. Da wird man sich zwar nicht vor lauter Lachen den Bauch halten und auf die Schenkel klopfen, aber in der Bibel wird wirklich gelacht, herzlich gelacht.

Machen wir eine erste Probe aufs Exempel! In der sog. „Feldrede“ – sie ist im Lukasevangelium das Gegenstück zur Bergpredigt des Matthäusevangeliums – in dieser „Feldrede“ gibt es eine Reihe von Seligpreisungen, wiederum ähnlich wie die bekannteren in der Bergpredigt; in einer von ihnen heißt es:

„Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen.“ (6,21)

Freilich, da ist von denen die Rede, die jetzt nichts zu lachen haben, denen es eher zum Weinen ist, vielleicht auch heute am Fassenachtssonntag; aber es wird eine Zeit kommen, heißt es da, spätestens wenn Gott diese Welt neu schaffen wird, da werden ihre Tränen getrocknet sein und sie werden einstimmen in das fröhliche Lachen der Engel und Heiligen im Himmel. Und darüber können sie vielleicht auch heute schon, durch ihre Tränen hindurch, ein bisschen lachen.

Dahinter steht letztlich der Eindruck: Wir leben in einer Welt, in der so manches auf dem Kopf zu stehen scheint, immer und immer wieder. In diesen Tagen aber soll’s ausdrücklich so sein. Es ist halt Fassenacht.

So ähnlich sieht es auch der Apostel Paulus; nur ist es für ihn keine Fassenachtsweisheit, sondern die Weisheit des Glaubens: Wo Menschen stolz auf ihre Menschenweisheit blicken, sieht er eher Torheit. Hören Sie bitte selbst:

„Hat Gott nicht die Weisheit der Welt als Torheit entlarvt? Denn da die Welt … auf dem Weg ihrer Weisheit Gott nicht erkannte, beschloss Gott, alle, die glauben, durch die Torheit der Verkündigung zu retten. … Denn das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen. … Wenn einer unter euch meint, er sei weise in dieser Welt, dann werde er töricht, um weise zu werden. Denn die Weisheit dieser Welt ist Torheit vor Gott.“ (Aus 1 Kor 1,20b-3,19)

Hören Sie bitte jetzt – und auch an späteren Stellen dieser Morgenfeier – ein paar kleine listige Musikstückchen, in denen, wie mir scheint, so etwas wie ein göttlicher Humor, ein himmlisches Lachen hindurchklingt. Jetzt, als erstes, das Stück des italienischen Renaissancemeisters Marco Uccelini über „die Hochzeit einer Henne mit einem Kuckuck“.

In der Bibel darf gelacht werden. Und es wird viel gelacht in ihr. Die Menschen, von denen da die Rede ist, haben ganz unterschiedliche Gründe dafür. Sie reichen vom ungläubigen Staunen über das, was sie erleben dürfen, bis dahin, dass da auch einmal jemand ausgelacht wird. Es gibt also auch so etwas wie die Kehrseite des Lachens.

Aber zunächst einmal zum Lachen aus einem ungläubigem Staunen heraus: Abraham und Sara waren lange kinderlos – so erzählt es die Bibel im Alten Testament. Da verheißt Gott dem Abraham: Deine Frau Sara wird auch im vorgerückten Alter noch Mutter werden. Nun hat er ja schon eine ganze Reihe geradezu wunderbarer Erfahrungen mit seinem Gott gemacht, aber das kann er dann doch nicht glauben:

„Da fiel Abraham auf sein Angesicht nieder und lachte. Er sprach in seinem Herzen: Können einem Hundertjährigen noch Kinder geboren werden und kann Sara als Neunzigjährige noch gebären?“ (Gen 17,17)

Er möchte mit viel weniger zufrieden sein. Er hatte ja schon einen Sohn, von Saras Sklavin Hagar: den Ismael. So antwortet er auf die Verheißung Gottes:

„Wenn nur Ismael vor dir am Leben bleibt.“ (Gen 17,18)

Der Spatz in seiner Hand, Ismael, der Sohn der Sklavin, ist ihm wichtiger als die Taube auf dem Dach: ein verheißener Sohn, den ihm seine Frau Sara gebären solle. Und wer weiß: Möglicherweise ist die Taube längst auf und davon geflogen, bevor aus der Verheißung etwas wird. Nur hat er die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Gott lässt sich nicht so einfach abweisen, er bleibt bei seiner Verheißung. Abraham und Sara werden ihn wirklich bekommen, den verheißenen Sohn. Gott gibt Abraham sogar schon den Namen des Sohnes vor, Isaak. Dieser Name hat übrigens vom Wortstamm her ebenfalls etwas mit dem Lachen zu tun. Und dann kündigt Gott dem Abraham an, dass er mit Isaak einen Bund schließen wird. Was später einmal die charakteristische Gestalt der Geschichte Gottes mit seinem auserwählten Volk sein sollte, nämlich der Bund, beginnt schon mit den Urvätern des Volkes.

Aber auch Sara muss über die Verheißung lachen. Sie hat, hinter dem Zelteingang verborgen, zugehört. Die Bibel erzählt:

„Abraham und Sara waren schon alt; sie waren hochbetagt. Sara erging es nicht mehr, wie es Frauen zu ergehen pflegt. Sara lachte daher still in sich hinein und dachte: Ich bin doch schon alt und verbraucht und soll noch Liebeslust erfahren?“ (Gen 18,11-12a)

Aber auch von ihr lässt sich Gott mit seiner Verheißung nicht abwimmeln. „Ist denn beim Herrn etwas unmöglich?“, fragt er. Am Schluss dieser wie dem wirklichen Leben abgelauschten Erzählung kommt es zu einer kleinen, kleinlichen Auseinandersetzung zwischen Gott und Sara: „(Sie) leugnete: „Ich habe nicht gelacht. Denn sie hatte Angst. Er aber sagte: Doch, du hast gelacht.“ (Gen 18,15) Das hört sich an wie ein kleiner Ehekrach. So menschlich kann Gott sein und so, ein ungläubiges Lachen auslösend, sein Wort, damals und wohl auch heute.

Lachen aus dem Staunen heraus. Da staunt jemand und muss lachen, weil er eine Botschaft bekommt, die über alles hinausgeht, was man normalerweise hätte erwarten können. Die Geschichten von Abraham und Sara in der Bibel haben davon erzählt. Das ist das Eine.

Es gibt aber auch so etwas wie die hässliche Kehrseite des Lachens in der Bibel. Da werden Menschen ausgelacht.

Zum Beispiel der Apostel Paulus. Auf seinen Wegen durch Griechenland kommt er auch nach Athen. Er predigt auf dem Areopag, dem zentralen Platz der Stadt mit seinen Tempeln und Versammlungshallen. Aber von Anfang an trifft er auf heftigen Widerstand: „Was will denn dieser Schwätzer?“ fragen die hochgebildeten und zugleich eingebildeten Philosophen. Immerhin nehmen sie ihn mit zum Areopag und hören ihm eine Weile zu. (Vgl. Apg 17,16-20) Wenn Paulus die Botschaft von Jesus Christus verkünden will, kann er freilich die Auferstehung von den Toten nicht aussparen. Das aber ist den Weisen Athens zu viel:

„Als sie von der Auferstehung der Toten hörten, spotteten die einen, andere aber sagten: ‚Darüber wollen wir dich ein andermal hören.‘ So ging Paulus aus ihrer Mitte weg.“ (Apg 17,32)

„Darüber wollen wir dich ein andermal hören.“ Ob das wohl ehrlich gemeint war? Es wird unter den athenischen Weisen solche gegeben haben, die ein echtes Interesse an der Predigt des Apostels empfunden haben. Einige sind ja auch daraufhin Christen geworden. Aber der Satz hört sich doch eher an wie eine eindeutige Abfuhr. „Ein andermal“, das hieße dann so viel wie „An St. Nimmerleins Tag“. Mit anderen Worten: Paulus ist mit seiner Predigt in Athen gescheitert; man hat ihn ausgelacht.

Dass Menschen von Menschen ausgelacht werden, ist schlimm. Paulus wird an seiner Erfahrung in Athen schwer getragen haben. Wie aber ist es, wenn nicht Menschen ausgelacht und verspottet werden, sondern Gott? Beispiele dafür gibt es haufenweise: in der Bibel und über die Bibel hinaus.

Ich möchte den Spieß aber einmal herumdrehen: Wie ist es, wenn nicht die Men-schen über Gott, sondern Gott über die Menschen lacht, wenn er sie auslacht? Davon ist im zweiten Psalm die Rede:

„Warum toben die Völker, warum ersinnen die Nationen nichtige Pläne?
Die Könige der Erde stehen auf, die Großen tun sich zusammen
gegen den Herrn und seinen Gesalbten.
Lasst uns ihre Fesseln zerreißen und von uns werfen ihre Stricke!
Er, der im Himmel thront, lacht, der Herr verspottet sie.“ (Vv 1-4)

Wenn in diesem Psalm Gott lacht über Menschen, die da gegen ihn den Aufstand proben, heißt das natürlich nicht, dass Gott Menschen gering achtet; der Psalm will aber den Abstand betonen, den es nun einmal gibt – zwischen ihm, dem Schöpfer des Himmels und der Erde, und den Menschen, seinen Geschöpfen. Es macht den Menschen nicht klein und gering, wenn er um diesen Abstand weiß. Gott hat ihn schließlich von sich aus überbrückt, in Jesus Christus: „Das Wort (das Gott selbst ist) ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt. Und wir haben seine Herrlichkeit geschaut.“ (Joh 1,14)

Und wie ist es mit Jesus? Hat Jesus gelacht? Dass er geweint hat, ist in der Bibel ausdrücklich bezeugt:

„Als er näher kam und die Stadt (Jerusalem) sah, weinte er über sie und sagte: Wenn doch auch du an diesem Tag erkannt hättest, was Frieden bringt. Jetzt aber ist es vor deinen Augen verborgen.“ (Lk 19,41)

Aber hat er auch gelacht? In Roberto Ecos großem Roman „Der Name der Rose“ wird Seiten lang darüber diskutiert. Doch wir wissen es nicht. Ich stelle es mir gerne vor: Jesus, der so menschlich unter den Menschen gelebt hat, sollte nicht gelacht haben? Unmöglich!

Vorerst begnüge ich mich aber mit den Heiligen und Seligen und ihrem herzlichen Lachen. Im Mainzer Dom-Museum gibt es Reste einer Chorschranke, die der Naumburger Meister im Mittelalter für den Mainzer Dom geschaffen hat. Auf der einen Seite sieht man die Verdammten; vom Weltenrichter Christus verurteilt, müssen sie aus seiner Nähe weichen. Auf der anderen Seite aber ziehen die Seligen Christus entgegen. Unter ihnen ist ein Kind; die Mainzer nennen es liebevoll „das Bübchen“. Und dieses „Bübchen“ lacht übers ganze Gesicht; es ist so etwas wie die Gestalt gewordene Freude der Seligen im Himmel. Und wenn man es betrachtet, möchte man sich am liebsten einreihen in die Schar der Seligen und von Herzen mitlachen. Noch ist es freilich nicht so weit, aber schon heute bin ich dankbar dafür, dass die Welt Gottes nicht nur den Seligen offen steht, sondern auch unsereinem; es ist eine Welt, in der es keine Tränen mehr geben wird, sondern nur noch himmlisches Lachen.

So rufe ich Ihnen mit einem fassenachtlichen „Helau“ zu: Vergessen Sie heute das Lachen nicht!

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